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Europawahl: Volt überrascht, Ampel abgestraft – was heißt das für die Zukunft?

09.06.2024, Berlin: Ricarda Lang (l-r), Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Terry Reintke, Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl 2024, und Omid Nouripour, Bundesvorsitzender von Bün ...
Die Grünen haben große Verluste – vor allem bei jungen Wähler:innen – zu beklagen.Bild: dpa / Christoph Soeder
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Vier Lehren aus der Europawahl – und was sie für die Zukunft bedeuten

10.06.2024, 19:28
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Die Europawahl ist vorbei und die halbe Republik geschockt: Das Ergebnis ist einerseits eine deftige Klatsche für die Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD). Andererseits trotzt die AfD all ihren Skandalen um Spionage- und Korruptionsvorwürfe gegen Spitzenkandidaten, SS-Verharmlosungen, Remigrationspläne und mehr – auch bei jungen Menschen.

Gewinner der Wahl sind neben den extrem Rechten auch einige Kleinparteien – besonders unter jungen Wähler:innen. Diese durften bei der diesjährigen Europawahl zum ersten Mal in Deutschland ab 16 Jahren wählen gehen.

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Was wird nun nach den teils überraschenden Ergebnissen passieren?

Watson erklärt euch die wichtigsten Lehren aus der Europawahl – und was diese für die Zukunft bedeuten.

Junge Wähler: Volt und Co. statt Volksparteien

Was mit einem Blick auf die Ergebnisse unter jungen Menschen auffällt: Die Balken der Parteien sind insgesamt niedriger als in allen Altersgruppen. Das liegt daran, dass keine Partei einen riesigen Zuspruch bekommen hat.

Laut Infratest dimap gibt es unter den 14-26-Jährigen und den 25-34-Jährigen keine Partei mit mehr als 20 Prozent der Stimmen. Volksparteien gibt es unter jungen Wähler:innen aktuell nicht.

Im Gegenteil: Die Stimmen verteilen sich sehr viel gleichmäßiger auf mehr Parteien. Sprich: Die kleinen Parteien sind bei Jungwähler:innen beliebter, etwa die Satirepartei "Die Partei", die Tierschutzpartei – und vor allem die proeuropäische Partei Volt. Diese bekam in allen Altersgruppen zusammen ungefähr 2,6 Prozent – bei unter 30-Jährigen jedoch ganze 9 Prozent. Das geht aus Daten der Forschungsgruppe Wahlen hervor.

Klimastreik zur EU-Wahl Deutschland, Berlin am 31.05.2024: Mit dem Slogen Mehr f�r Eis hat die Partei Volt Europa f�r sich f�r die Europawahl beworben und Eis am Stiel verteilt. Fridays for Future hat ...
Volt fordert "mehr Eis".Bild: imago images / Achille Abboud

Volt versteht sich als "erste paneuropäische Partei" und hat Verbände in mehreren Ländern.

Ihren Wahlkampf gestaltete der deutsche Volt-Verband mit einem Mix aus ernsten Botschaften und Spaß-Content. So wurden unter anderem mit dem Slogan "Für mehr Eis" geworben.

Auch bei früheren Wahlen tendierten eher jüngere Wähler:innen zu kleinen Parteien. Dennoch unterstreicht das Ergebnis, dass sich diese Entwicklung mindestens fortsetzt, wenn nicht sogar intensiviert. Und zudem, dass junge Menschen für kleine Parteien ein riesiges Wählerpotenzial bieten.

Volt hat sein gutes Gesamtergebnis nämlich vor allem den vielen Stimmen unter jungen Menschen zu verdanken – und hat nun das Ziel, 2025 auch in den Bundestag zu kommen.

Ampel verliert – folgt die Vertrauensfrage?

Die Ampelkoalition und Kanzler Olaf Scholz sind die Verlierer der Europawahl in Deutschland. Die SPD erreicht 13,9 Prozent, die Grünen 11,9 und die FDP 5,2.

Da die Europawahl auch immer als Zwischenergebnis zur Bundestagswahl interpretiert wird, müssen die Resultate von den Parteispitzen als Warnsignal und Appell verstanden werden: Die Bürger:innen in Deutschland sind mit der Politik der Regierung unzufrieden.

CDU und CSU fordern Vertrauensfrage oder gar Neuwahl

Die Union aus CDU und CSU hat gar fast genau so viele Stimmen wie SPD, Grüne und FDP zusammengenommen. In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron nach einem ähnlichen Ergebnis noch am Sonntagabend die Auflösung des Parlaments angekündigt und Neuwahlen ausgerufen.

Aufgrund des Ergebnisses forderten CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sowie Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn am Abend von Kanzler Scholz, dass er die Vertrauensfrage im Parlament stellen solle. Das würde bedeuten, dass Scholz die Bundestagsmitglieder befragt, ob sie noch hinter ihm stehen.

Bei der Vertrauensfrage gilt: Wird sie verloren, kann der Bundestag entweder eine:n andere:n Bundeskanzler:in wählen – oder der Bundestag wird aufgelöst und es kommt zu Neuwahlen.

Kanzler Olaf Scholz ist laut Experte nicht "so dumm"

Letzteres fordert CSU-Chef Markus Söder gar ohne Umwege. Dem Sender n-tv sagte er am Montagmorgen: "Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig. Und es muss jetzt ähnlich wie in Frankreich sein."

Dennoch kann man dies auch für Populismus halten. Der Bundestag wird nun mal für vier Jahre gewählt. Dass dabei zu jeder Zeit eine Mehrheit in Deutschland hinter der Regierung steht, ist weder die Regel noch vorgeschrieben.

Auch Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld hält von der Unionskritik nicht viel, wie er gegenüber der "Frankfurter Rundschau" erklärte:

"Das ist ein Hinweis, den eine Oppositionspartei natürlich geben muss, um die anderen noch weiter in Schwierigkeiten zu bringen, aber dass Olaf Scholz das jetzt macht, ist ausgeschlossen. Ganz so dumm ist er nicht."

AfD trotzt Skandalen: 'Rechtsextrem' unwichtig?

Eine bemerkenswerte Lehre aus der Europawahl ist, dass Bürger:innen die AfD nicht mehr nur aus Protest wählen. Ungefähr 16 Prozent der Wähler:innen gaben der AfD ihre Stimme. Trotz der Spionage- und Korruptionsskandale um Spitzenkandidat Maximilian Krah und den Listenzweiten Petr Bystron. Und trotz der relativierenden Aussagen Krahs zu SS-Verbrechern.

Infolge der Aussagen warf selbst die rechtspopulistische ID-Fraktion im Europaparlament die AfD raus und machte klar: Die AfD ist uns zu rechtsextrem. Anfang des Jahres gab es zudem öffentliche Empörung über die geleakten Remigrationspläne der AfD.

Und letztlich gibt es da noch die fortdauernde Einschätzung der Bundespartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall und der Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als "gesichert rechtsextrem".

All das hielt viele Menschen nicht davon ab, die AfD zu wählen. Umfragen von Infratest dimap zeigen, dass 82 Prozent der Wähler:innen egal ist, dass die Partei in Teilen als rechtsextrem gilt. Das sind keine Aussagen von Protestwähler:innen.

Besonders unter den jungen Wähler:innen hat die Partei weiter an Beliebtheit gewonnen. Daran hat auch die Kommunikationsstrategie der AfD auf Tiktok seinen Anteil.

Schon in der vor einem Monat veröffentlichten Studie "Jugend in Deutschland 2024" rieten die Autoren den demokratischen Parteien daher, bei ihrer Tiktok-Taktik nachzuziehen. Mehr zukunfts- und jugendorientierte Politik würde zusätzlich bestimmt auch nicht schaden. Zu spüren bekommt die Unzufriedenheit der Jugend vor allem eine Partei: die Grünen.

Für die Zukunft bedeutet das: Alle anderen Parteien werden an Inhalten und Kommunikation arbeiten müssen, um den Aufstieg einer rechtsextremen Partei einzudämmen.

Grüne unbeliebter bei Jungwählern als 2019

Die Parteien der Ampelkoalition haben bei der Europawahl allesamt schlechte Ergebnisse eingefahren. Unter den jungen Wähler:innen waren jedoch besonders die Grünen die großen Verlierer.

Und das, obwohl die Partei noch immer besser abschneidet als seine Koalitionspartner. Laut infratest dimap haben die Grünen bei den 16- bis 24-Jährigen 11 Prozent, die SPD 9 Prozent und die FDP 7 Prozent der Stimmen erhalten.

Dennoch haben die Grünen mit Abstand am massivsten an Zustimmung verloren – ganze 23 Prozent sind es in genannten Altersgruppe. Der grüne Höhenflug bei jungen Menschen ist damit zunächst einmal mit einer Bruchlandung beendet. Woran liegt das und ist das eine dauerhafte Entwicklung?

Svenja Appuhn, Bundessprecherin der Grünen Jugend, nannte den Absturz auf watson-Anfrage "richtig bitter". Sie erinnerte daran, dass das grandiose grüne Ergebnis bei der Wahl 2019 auf dem Höhepunkt der Klimabewegung um Fridays for Future zustande kam. "Damals gab es eine extreme Aufbruchstimmung." Von dieser sei nicht mehr viel übrig.

Das liege auch daran, dass die Klimakrise von anderen Themen überlagert werde, etwa hohen Mietpreisen und Lebenshaltungskosten. Diese müsse man angehen: "Besser, einfacher, günstiger." Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz müsse man miteinander verbinden, dann würde letzterer auch wieder populärer werden.

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