Der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi saß unter anderem im Wirecard Untersuchungsausschuss.Bild: IMAGO images /Metodi Popow
Deutschland
Drei Jahre lang gab es von einem der Hauptverdächtigen im Wirecard-Prozess kein Lebenszeichen. Jan Marsalek soll in Russland untergetaucht sein, hieß es. Mehr war nicht bekannt. Nun, mitten im Prozess um den Skandal, hat sich Marsalek über seinen Verteidiger mittels Brief an die Justiz gewandt.
Der frühere Bundestagsabgeordnete und Linkenpolitiker, Fabio De Masi, der unter anderem im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal gearbeitet hat, hat diesen Brief analysiert. Unter seinem dazugehörigen Twitter-Post meldet sich auch ein angeblicher Marsalek zu Wort.
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update!
Hier findest du unseren
Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne
hier auch auf Instagram.
Schaden durch Wirecard-Skandal liegt bei über drei Milliarden Euro
Die Geschichte um den Wirecard-Skandal ist filmreif. Das digitale Finanzunternehmen galt über lange Zeit als der Stern der deutschen Fintech-Branche. Dann der Fall – der ganze Erfolg stellte sich als Lüge heraus. Dem ehemaligen Vorstandschef Markus Braun wird nun gemeinsam mit dem früheren Chefbuchhalter Marsalek und dem ehemaligen Chef der Tochtergesellschaft in Dubai, Oliver Bellenhaus, vorgeworfen, eine kriminelle Bande gegründet zu haben.
Braun und Bellenhaus sitzen in Untersuchungshaft. Bellenhaus ist außerdem der Kronzeuge im Prozess.
Braun, Marsalek und Bellenhaus sollen nicht nur schlecht gewirtschaftet haben. Sie sollen laut Anklage Banken und Investoren nicht vorhandene Geschäfte vorgegaukelt haben, um ihr Unternehmen mit Krediten über Wasser zu halten. Der Schaden laut Staatsanwaltschaft: über drei Milliarden Euro.
Jan Marsalek wird mittels Fahndungsplakaten gesucht.Bild: imago images/Sven Simon / Frank Hoermann
2020 war die Pleite nicht mehr aufzuhalten. Der Zahlungsdienstleister, der als Schnittstelle zwischen Kreditkartenfirmen und Handel elektronische Zahlungen abrechnete, musste Insolvenz anmelden. Und dann tauchte Marsalek als mutmaßlicher Hauptstrippenzieher unter.
Bis er seinen Brief an die Justiz geschrieben hat. Darin soll er unter anderem dem Kronzeugen widersprechen – und auch der Einschätzung des Insolvenzverwalters, dass ein Großteil der Wirecard-Geschäfte erfunden gewesen sei.
De Masi analysiert Marsaleks Brief
Für das Portal "Finance Forward" analysiert De Masi den Brief Marsaleks und kommt dabei zu dem Schluss, dass Marsalek und der frühere CEO Braun ein abgekartetes Spiel spielen. Aus Sicht von De Masi haben sich Braun und Marsalek abgesprochen und gemeinsam Marsaleks Abtauchen arrangiert.
Auch könnte Marsalek, laut De Masi, mit seinen Aussagen im Brief die Erzählung Brauns stützen, dass das Wirecard-Geschäft nicht per se erfunden war – wie es die Staatsanwaltschaft behauptet. Könnte Braun beweisen, dass es reale Kunden und reale Geschäfte gab, meint De Masi, hätte die Anklage ein Problem. Er schreibt:
"Die Behauptung von Marsalek im jüngsten Brief, dass das Drittpartnergeschäft außerhalb des Konzerns weiter existiere, liest sich daher wie eine Drohung, mit der Lampe in eine dunkle Ecke zu leuchten."
De Masi selbst warne seit Monaten davor, dass die Finanzflüsse Wirecards darauf hindeuteten, dass das Unternehmen Geld gewaschen hätte. Für die Mafia oder Geheimdienste, schätzt der Finanzexperte.
Die Abhandlung postet De Masi auch auf Twitter – und bekommt dort prompt eine Antwort von einem vermeintlichen Jan Marsalek. Der schreibt:
"In der Schule mussten Sie Gedichtinterpretationen zu Rilkes Texten schreiben, heute zu meinen. Wer hätte das Gedacht."
Dass es sich bei dem Account tatsächlich um Jan Marsalek handelt, ist nahezu ausgeschlossen. Er selbst schreibt über sich allerdings in einem gepinnten Tweet:
"Hier auf Twitter sagen manche: 'Das ist doch nicht der echte Jan Marsalek!' 'Das ist doch Satire!?' Darauf antworte ich: 'Jo eh'. Aber bedenken Sie, liebe Freunde vom BND und DSN. Das ist genau die Antwort, die der echte Jan Marsalek auf Twitter geben würde!"
Seit April 2022 treibt der Account unter dem Namen @DerJanMarsalek sein Unwesen.
Übrigens: De Masi reagierte auf den kleinen Seitenhieb des vermeintlichen Marsalek. "Besonders gefiel mir der jambische Fünfheber in Ihren Geschäftsberichten", schrieb er.
(Mit Material der dpa)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Ganz anders als sein Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Der will trotzdem Kanzlerkandidat seiner Partei werden.