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ARD: AfD-Aussteiger packen über ihre ehemalige Partei aus

18.01.2024, Berlin: Tino Chrupalla (l), AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, nehmen an der aktuellen Stunde im Bundestag mit dem Th ...
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und seine Co-Chefin Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Politik

ARD-Doku: AfD-Aussteiger geben düsteren Einblick in Radikalisierung der Partei

18.01.2024, 17:55
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Das Recherche-Netzwerk "Correctiv" polarisiert derzeit mit mehreren Veröffentlichungen zu einem Geheimtreffen rechtsextremer Ideengeber:innen, Vertreter der AfD und gutverdienende Unterstützer:innen der rechten Szene in einem Landhaus in Potsdam.

Seit Veröffentlichung gehen Zehntausende Menschen in ganz Deutschland auf die Straße, um gegen die AfD und für die Demokratie zu demonstrieren.

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Die Ergebnisse der Recherche von "Correctiv" sind erschreckend. Sie offenbaren einen Geheimplan des sogenannten "Düsseldorfer Forums": "Menschen sollen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden können – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht", heißt es in der Recherche.

Nun hat die ARD eine Dokumentation veröffentlicht, in der Ex-AfD-Mitglieder erschreckende Einblicke in die Partei geben.

ARD-Dokumentation offenbart erschreckende Details über AfD

Die ARD-Dokumentation "Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten" war ursprünglich am 24. Februar geplant. Doch sie wurde um fast einen Monat vorgezogen.

Als Grund gibt die ARD "die aktuelle Debatte über ein mögliches Parteiverbotsverfahren sowie die Befassung im Bundestag zum Thema 'Wehrhafte Demokratie in einem vielfältigen Land – Klare Kante gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne' am Donnerstag" an.

Im Anschluss an die "Tagesthemen" wird die Dokumentation am Donnerstag um 22.50 Uhr im linearen Programm ausgestrahlt. Vorab war die Doku bereits in der Mediathek verfügbar.

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Bernd Lucke trat nach seiner Abwahl als Bundesvorstand der AfD 2015 aus der Partei aus.Bild: imago images/ Norman Krauß

Ex-AfD-Mitglieder geben Einblicke in die radikale Entwicklung der Partei

"Ich würde auf gar keinen Fall in eine Partei eintreten, die so ist, wie die AfD heute ist", sagt André Yorulmaz zu Beginn des Films. Yorulmaz ist 2015 aus der AfD ausgetreten.

Ebenfalls zu Wort kommen im Film: Franziska Schreiber (von 2013 bis 2017 in der AfD), Nicolai Boudaghi (2020 ausgetreten), Marco Schild (2021 ausgetreten), Alexander Leschik (2021 ausgetreten) und Jörg Meuthen (2015 bis 2022 in der AfD).

Niemand sei früher in der Partei homophob gewesen, erzählt Yorulmaz. Er sei sogar mit Freunden eingetreten, die teilweise homosexuell sind.

Er erzählt, dass damals auch verhindert werden sollte, dass die AfD zu einer rechtsextremen Partei wird. "Wir wurden angehalten, die Leute zu prüfen, zu googeln, bei Facebook einzugeben." Wenn die Bewerber:innen dann früher Teil des Neonazi-Netzwerks NSU waren, wurden sie laut Yorulmaz nicht aufgenommen.

Das propagierte auch Bernd Lucke, Mitbegründer und ehemaliger Bundessprecher der AfD, damals öffentlich. Rote Linien der Partei seien definitiv, Leute mit rechtsextremem Gedankengut aufzunehmen oder solche, die etwa islamfeindliche oder antisemitische Äußerungen verbreiten.

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Björn Höcke ist Vorsitzender der besonders Rechtsaußen-AfD Thüringen.Bild: dpa / Bodo Schackow

Manche Kreise hätten diese Vorgabe allerdings nicht so ernst genommen. So seien nach und nach die Tore geöffnet worden, führt Yorulmaz aus.

Schreiber beschreibt die AfD als "ganz erfüllende Zeit in den ersten Jahren". Wenn jemand etwas Antisemitisches gesagt habe, wurde dieser des Saales verwiesen und ausgebuht.

Das Thema Migration sei anfangs nicht beliebt gewesen, erinnert sich Boudaghi. Er selbst ist Deutsch-Iraner. "Warum?", wollte der ARD-Reporter von ihm wissen. Man sei sehr schnell in eine rechte Ecke gestellt worden mit dem Thema, erklärt Boudaghi.

Björn Höcke, Mitbegründer des rechtsextremen Flügels der AfD, dem nun womöglich die Grundrechte entzogen werden könnten, hätte damals noch keine Rolle gespielt, sagt Meuten. Als Rechtsaußen habe er sich selbst auch nie gesehen.

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2017 trat Frauke Petry überraschend aus der Partei aus.Bild: imago images / Funke Foto Services

Schreiber bestätigte dann allerdings: Beim ordentlichen Bundesparteitag 2015 der AfD gab es beim Wahlsieg Frauke Petrys (Ex-Parteivorsitzende) gegen Lucke "Petry-Heil-Rufe". Es sei die Zeit gewesen, in der es in der Partei gekippt sei, erinnert sich Yorulmaz.

Er meint dennoch, sein Austritt sei zu dem Zeitpunkt ein Fehler gewesen. "Weil wir zu früh das Feld dem Flügel überlassen haben, der rechten Strömung".

Nach dem Austritt von Lucke 2015 aus der Partei sei diese am Boden gewesen, beschreibt Boudaghi. "Und dann kam Merkel und hat die Grenzen geöffnet". Der Neustart für die Partei.

Boudaghi geht sogar noch weiter und sagt: "Sie ist die Mutter der AfD."

Zur Erinnerung: Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte 2015 den bis heute berühmten Satz "Wir schaffen das". Damit meinte sie die Hunderttausenden Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland wollten.

Ex-AfD-Mitglieder berichten von Partei-Ausstieg

Irgendwann, so beschreiben es die AfD-Aussteiger:innen in der Doku, rutsche man automatisch in eine ausschließliche AfD-Bubble. Denn alle anderen Kontakte hätten sich von einem abgewendet. So sei es auch heute. Das wiederum führe zu einer Radikalisierung.

Das sei der Punkt gewesen, an dem viele der Aussteiger:innen realisiert hatten, dass sie sich nicht mehr in der AfD sehen. Boudaghi vergleicht es mit einer Sekte. Sobald man aussteigt, steht man isoliert und allein da. Ohne Geld, ohne Freunde – und fraglich, ob die eigene Familie einen zurücknimmt.

Meuthen fasst zusammen, was wohl viele AfD-Aussteiger:innen eint: "Ich bin ausgetreten, weil es nicht mehr ging."

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2024 wird ein Jahr der Extreme: Hitzerekorde bereits im März, Mietenexplosion, horrende Dönerpreise. Auch politisch hält das Jahr Sprengstoff bereit: Donald Trump könnte wiedergewählt werden, ein Rechtsruck geht durch Europa und in drei deutschen Bundesländern könnten die Rechten massig Prozente einfahren. Einfach gesagt: Dieses Jahr ist beängstigend.

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