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Gegen Rassismus: Komikerin Kebekus kritisiert ARD für Programm

Carolin Kebekus zeigt in ihrer Shoe einen "Brennpunkt".
Carolin Kebekus zeigt in ihrer Shoe einen "Brennpunkt".Bild: screenshot/youtube
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Gegen Rassismus: Komikerin Kebekus kritisiert ARD für Programm

05.06.2020, 12:1905.06.2020, 14:29
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Wer kann sich in Deutschland zu Rassismus äußern? Eigentlich ist diese Frage einfach zu beantworten, nämlich diejenigen, die Betroffen sind: Menschen, die selbst aufgrund ihrer Hautfarbe Rassismus-Erfahrungen gemacht haben, also Persons of Color, sogenannte PoC. Dass gerade diese Menschen oft bei Talkshows vergessen werden, wenn es um das Thema Rassismus geht, zeigte diese Woche wieder der Aufschrei um die Besetzungen der Talkshows "Maischberger. Die Woche" und "Markus Lanz".

Wie es richtig geht, zeigte dann am Donnerstag Carolin Kebekus ihren Zuschauern in der ARD. Wie von ihr gewohnt, nahm sie dabei überhaupt kein Blatt vor den Mund. Schon in der Anmoderation des Beitrags wurde es leicht ungemütlich. "Was in den USA geschieht, ist unerträglich", stellte Kebekus fest. Um gleich im nächsten Satz ihre weißen deutschen Fans festzunageln: "Es ist zu einfach, zu behaupten, dass das ein amerikanisches Problem ist." Denn Rassismus, so Kebekus, "tötet auch in Deutschland." Mit diesem Fakt müssten "wir uns alle auseinandersetzen, auch wenn es weh tut".

Nun ist die in Bergisch Gladbach geborene Kebekus selbst eine Weiße und somit nicht in der Lage, über Rassismus-Erfahrungen zu sprechen. Statt es aber doch zu tun, tat sie das einzig richtige: Sie lieh ihre Stimme und ihre Plattform (ihre Show in der ARD) der schwarzen Moderatorin Shary Reeves.

Bevor Reeves sprach, holte Kebekus aber noch zu einem gepfefferten Seitenhieb auf ihren Arbeitgeber, die ARD, aus: "Da die ARD bisher keinen Brennpunkt dazu gemacht hat, machen wir einfach einen." Der Brennpunkt ist ein Nachrichten-Format des Senders, der ein bestimmtes Thema im Schwerpunkt bespricht – publikumswirksam zur besten Sendezeit nach der Tagesschau.

So wenig wie Kebekus sich scheute, den Finger in die Wunde zu legen, so wenig war ihr Gast dazu bereit, irgendetwas schönzureden. Shary Reeves legte los: "Herzlich Willkommen zum Brennpunkt im Ersten Deutschen Weißen Fernsehen." Brennpunkt – das sei ja "irgendwie naheliegend", sagte Reeves und spielte damit süffisant auf das Fehlen eines solchen Beitrags zur Hauptsendezeit der ARD an.

Auch Reeves stellte schnell klar: "Die USA sind weit weg, Rassismus gegen Menschen mit dunkler Haut ist aber sehr viel näher als Sie denken." Systemischen Rassismus gebe es auch in Deutschland, auch hier stürben Menschen wegen ihrer Hautfarbe, etwa Oury Jalloh, ein Mann aus Sierra-Leone, der in Polizeigewahrsam bei lebendigem Leib verbrannte. Er soll sich selbst in Brand gesteckt haben – während er gefesselt war.

Abschalten geht nicht

"Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein weißer Deutscher in Polizeigewahrsam spontan in Flammen aufgegangen ist", ätzte Reeves dazu und legte sofort nach: "Ich weiß, viele von Ihnen zu Hause vor dem Bildschirm hören solche Nachrichten nicht so gerne."

Was Reeves sagen will (und am Ende ihres Brennpunkts nochmal ausdrücklich formuliert): Weiße Menschen genießen das Privileg, abzuschalten, wenn es um Rassismus geht. Schwarze oder Persons of Colour können das nicht, Rassismus betrifft sie immer.

Wer das nicht glauben könne, der solle doch mal Freunde mit dunkler Haut fragen, die in Deutschland leben, fordert die Moderatorin ihre Zuschauer auf. Wer keine solchen Freunde habe, dem könne sie weiterhelfen, meinte Reeves dann noch – und ließ einen Zusammenschnitt von Rassismus-Erfahrungen abspielen, in dem etwa die Schwarze Politikerin Aminata Touré oder der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby von ihren Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland wiedergaben. Der Einspieler dauerte etwa neun Minuten, dann war Reeves wieder im Bild.

8 Minuten und 46 Sekunden

"Kam Ihnen das zu langatmig vor?", frage sie. Der Beitrag habe genau acht Minuten und 46 Sekunden gedauert, "so lange, wie der Polizist auf George Floyd gekniet hat".

Mit dem gut 15 Minuten langen Beitrag gelingt Reeves und Kebekus nicht weniger als ein Meisterstück der Aufklärung. Die beiden Frauen benennen strukturelle Probleme in den Medien, wo entweder Schwarze oder Persons of Color dann nicht zu Wort kommen, wo sie zu Wort kommen müssen: beim Thema Rassismus.

Watson hat bei der ARD nachgefragt, wie der Sender zu dieser Kritik steht. "Wir haben das nicht als Vorwurf empfunden", teilte uns der Sender mit. Kebekus dürfe "als Kabarettistin vieles zugespitzt behaupten". Die ARD berichte und hinterfrage das Thema Rassismuss "in verschiedenen Formaten".

(pcl)