Bild: dpa Jan Woitas
Deutschland
Ein Rechtsterrorist hat in Halle zwei Menschen getötet – und wollte noch viele mehr ermorden. Was ist über die Tat bislang bekannt? Ein Überblick.
johannes bebermeier
Ein schwer bewaffneter Täter hat in Halle an der Saale aus antisemitischen und rechtsextremen Motiven zwei Menschen getötet und weitere verletzt. Der Ablauf der Ereignisse lässt sich bislang nur rekonstruieren, die Behörden haben bislang nur Weniges bestätigt. Der Täter hat seine Taten offenbar selbst für das Internet gefilmt und ein "Manifest" veröffentlicht. Die Dokumente liegen t-online.de vor, ihre Echtheit ist bislang von den Sicherheitsbehörden jedoch nicht bestätigt worden. Sie decken sich aber mit den wenigen bekannten Fakten und erscheinen authentisch zu sein.
Der Ablauf des Anschlags:
- Der Täter fährt um etwa 12 Uhr mit einem Auto in die Humboldstraße nahe der Innenstadt und stoppt zielgerichtet vor der Synagoge.
- Er versucht hineinzukommen, schießt auf die Tür und versucht auch mit einem Sprengsatz hineinzukommen. Doch er scheitert, die Tür hält Stand.
- In der Synagoge befinden sich zu der Zeit dem Gemeindevorsitzenden zufolge 70 bis 80 Menschen, um Jom Kippur zu feiern.
- Vor der Synagoge spricht eine offenbar zufällig vorbeikommende Frau den Täter an. Er schießt ihr in den Rücken. Sie ist tot.
- Der Täter versucht weiter, in die Synagoge zu gelangen. Als der Fahrer eines Kurierdienstes vorbeikommt, zielt er auch auf ihn. Doch seine Waffe versagt offenbar. Der Fahrer entkommt unversehrt.
- Irgendwann lässt der Täter von der Synagoge ab, steigt wieder ins Auto und fährt weiter.
- Er hält vor einem Döner-Imbiss, wo er mehrmals feuert. Im Innern des Ladens tötet er einen Mann mit mehreren Schüssen.
- Vor dem Imbiss feuert er erneut auf einen jungen Mann, der kann jedoch entkommen. Die Waffen des Täters versagen immer wieder, auch deshalb sterben wohl nicht noch mehr Menschen.
- Als die Polizei eintrifft, schießt er auf die Beamten, wird offenbar selbst am Hals getroffen, kann aber mit seinem Wagen fliehen.
- Wenig später stoppt er das knapp 36 Minuten lange Video.
Die Flucht:
Über die zeitweise Flucht gibt es bislang nur Medienberichte. Die Polizei hatte am Mittwoch nur von vermutlich mehreren flüchtigen Tätern gesprochen. Inzwischen geht sie davon aus, dass es sich nur um einen Täter handelte, den sie am Nachmittag festnimmt.
- Der Täter flüchtet aus Halle offenbar in östliche Richtung. Kurz nach der Tat veröffentlichen die Behörden eine Gefahrenwarnmeldung für die Region um Landsberg, das etwa 15 Kilometer entfernt ist.
- Medien berichten, der Täter habe sich nahe Landsberg-Wiedersdorf ein neues Auto besorgen wollen. Er habe den Besitzer einer Autowerkstatt mit einer Waffe bedroht und ein Auto gefordert, berichtet die "Welt". Mit einem Taxi, das dort zur Reparatur stand, sei er dann weggefahren.
- Die Polizei bestätigt auch Schüsse in Landsberg. Es gibt auch unbestätigte Berichte über weitere Verletzte.
- Der Täter fährt anschließend offenbar in Richtung Süden. Die Polizei in Bayern meldet, sie bereite sich auf einen bewaffneten Gewalttäter vor. Laut Medienberichten soll er die A9 in Richtung Süden genommen haben.In der Nähe von Zeitz, das etwa 70 Kilometer südlich von Landsberg liegt, soll er laut Medienberichten von der Autobahn auf die B91 abgefahren sein. Dort sei er mit einem Lastwagen kollidiert und dann festgenommen worden. Die Polizei bestätigt den Ort der Festnahme nicht.
Der Täter:
Bei dem Tatverdächtigen soll es sich nach übereinstimmenden Medieninformationen um den 27 Jahre alten Stephan B. handeln. Er soll deutscher Staatsangehöriger sein. Die Behörden äußerten sich bislang nicht zum Tatverdächtigen. Auf Videos und Fotos ist ein junger, weißer Mann mit kahlem Schädel in Kampfmontur zu sehen. Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen die Wohnung des Verdächtigen durchsucht und Beweise sichergestellt. Er soll in Benndorf bei Eisleben zusammen mit seiner Mutter gelebt haben. Der Ort liegt rund 40 Kilometer westlich von Halle.
Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen bestätigt, dass sie die Tat als rechtsextremistisch und antisemitisch motiviert ansieht – ebenso, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um Stephan B. handelt. Das zeigt sich auch in dem selbst gefilmten Video des Täters, sowie in dem "Manifest". Im Video sagt der Täter unter anderem: "Ich glaube, der Holocaust ist nie passiert." Er hetzt gegen Feminismus und Migration. "Und die Wurzel all dieser Probleme ist der Jude." Das deckt sich mit seinem "Manifest", in dem er als ein Ziel ausgibt, "so viele Anti-Weiße wie möglich zu töten, vorzugsweise Juden". Stephan B. war den Behörden ersten Informationen zufolge bisher nicht als Teil der rechtsextremen Szene in Sachsen-Anhalt aufgefallen.
Was wir nicht wissen:
- Der Großteil der Informationen zu Tatablauf, Flucht und Tatverdächtigem ist von der Polizei bislang nicht offiziell bestätigt.
- Ob der Täter Helfer oder Unterstützer hatte, ist bislang nicht bekannt. Ebenso ist unklar, wie er zu seinen Waffen kam. Video und "Manifest" deuten darauf hin, dass er sie im Wesentlichen selbst hergestellt haben könnte.
- Wie Stephan B. zu einem Antisemiten und Rechtsextremisten wurde, ist ebenfalls bislang unklar. Video und "Manifest" deuten zumindest darauf hin, dass er sich offenbar in diversen Foren im Internet bewegte.
- Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, ebenso wie die Identität der zwei Getöteten und der Verletzten.
- Die Polizisten durchsuchten in Landsberg mehrere Häuser. Was sie dort suchten, ist unbekannt.
(Dieser Text ist zuerst auf t-online.de erschienen)