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Deutschland
24.06.2019, 11:5325.06.2019, 11:41
Während am Wochenende rund 700 Neonazis auf einem rechtsextremen Festival im sächsischen Ostritz feierten, zog dort auch ein Bundespolizist Blicke auf sich: Er hatte zwei fragwürdige Abzeichen an seiner Uniform. Kritiker vermuten eine rechte Gesinnung des Polizisten.
Ein Foto des Beamten hatte die Initiative "Rechts rockt nicht" am Samstag auf Twitter veröffentlicht. "Was sollen denn diese Abzeichen bedeuten?", fragte die Initiative in ihrem Tweet.
screenshot: twitter/rechtsrocktnich
Auf einem der Abzeichen steht "Recte Faciendo Neminem Timeas". Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das so viel wie "Tue recht und scheue niemand". Unter dem Schriftzug sind ein Schwert und das Wappen der mittelalterlichen Kreuzritter abgebildet.
Die Kreuzritter, die gegen muslimische Länder im Nahen Osten kämpften, werden heute von zahlreichen Rechtsextremen als Vorbilder herangezogen. Der Terrorist Anders Breivik, der 2011 in der norwegischen Hauptstadt Oslo und auf der Insel Utoya 77 Menschen tötete, bezog sich in seinem "Manifest" auf die Kreuzritter. Auch der Attentäter von Christchurch sah sich in dieser Tradition. Vor seiner Tat reiste er auf den Spuren der Kreuzritter durch Europa.
Auf dem zweiten Abzeichen ist der griechische Ausspruch "Molon Labe" zu lesen. Er bedeutet auf Deutsch so viel wie "Komm und hol sie dir". Mit dem Spruch soll einst Leonidas von Sparta während einer Schlacht auf die Aufforderung des persischen Großkönigs, die Waffen niederzulegen, reagiert haben. Heute wird der Ausspruch genutzt, um die Entschlossenheit zu zeigen, nicht kampflos aufzugeben – etwa von Militäreinheiten und US-amerikanischen Waffenbesitz-Aktivisten.
Polizei: Keine Straftat
Die Polizei Sachsen reagierte schon nach wenigen Minuten auf den Tweet der Initiative "Rechts rockt nicht". Bei dem Polizisten handelt es sich demnach nicht um einen Beamten der sächsischen, sondern der Bundespolizei. Dort habe eine Prüfung ergeben, dass die beiden Abzeichen nicht strafrechtlich relevant seien. Trotzdem seien sie nach Rücksprache entfernt worden. Die Bundespolizei werde außerdem ein "auswertendes Gespräch" mit dem Beamten führen und klären, ob er gegen Vorschriften verstoßen hat.
Auf watson-Anfrage teilte die Bundespolizei mit, dass private Aufnäher auf der Uniform nicht ohne Erlaubnis getragen werden dürfen. In diesem Fall sei keine Genehmigung eingeholt worden "und eine Genehmigung wäre auch nicht erteilt worden." Deshalb werde der Vorgang nun dienstrechtlich geprüft. Die Frage, ob die Bundespolizei ausschließen kann, dass der Beamte der rechtsextremen Szene nahe steht, beantwortete die Behörde nicht.
Abgeklebte Nazi-Symbole
Kritisiert wurde die Polizei während des Einsatzes bei dem Neonazi-Festival auch wegen eines weiteren Vorfalls. Mehrere Teilnehmer mussten verbotene Tattoos abdecken oder überkleben. Ein Teilnehmer, dessen tätowierter SS-Totenkopf deutlich zu sehen war, wurde jedoch zunächst nicht angezeigt. Stattdessen half ein Polizist ihm lediglich, seine Armbinde so zu richten, dass das Tattoo nicht zu sehen ist.
Als Antwort auf einen Tweet des "Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus" erklärte die Polizei Sachsen, man habe das Video an das Staatsschutzdezernat weitergeleitet.
Driftet die Polizei nach rechts?
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hatte erst kurz vor dem Vorfall in Ostritz vor einem Abdriften von Polizisten und Soldaten hin zur AfD gewarnt. "Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD. Wir verlieren Teile der Bundespolizei an die AfD", sagte der frühere Fraktionschef im Bundestag der "Bild am Sonntag".
Bei seiner Einschätzung stützt sich Merz dem Bericht zufolge auf Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aus dem Verteidigungs- und Innenausschuss. Auch sein privates Umfeld habe ihn auf entsprechende Missstände hingewiesen: "Ich habe nahe Verwandte und sehr viele Freunde und Bekannte, die bei der Bundeswehr und der Bundespolizei sind. Die berichten mir, wie die Stimmung dort ist, wie viele sich von ihren Dienstherren im Stich gelassen fühlen."
Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, hat diese Einschätzung jetzt bestätigt. In der Montagsausgabe der "Rheinischen Post" sagte er:
"Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten, was sich in Sympathien für das rechtsnationale Parteienspektrum ausdrückt."
Die Bundesregierung habe der Bundespolizei nie erklärt, warum die Beamten im Jahr 2015 und danach trotz ihres strapaziösen Einsatzes an der Grenze von ihrem gesetzlichen Auftrag, die unerlaubte Einreise zu unterbinden, hätten abweichen müssen. "Daraus haben sich bei Bundespolizisten Sympathien für die AfD entwickelt. Eine politische Spätfolge davon ist, dass heute Bundespolizisten bei Landtagswahlen für die AfD kandidieren."
Vorfälle mit rechten Polizisten
Der Vorfall in Ostritz ist nicht der erste Polizeieinsatz, der für so eine Debatte sorgt. Erst im Mai wurden die Spinde von Polizisten in einer Duisburger Polizei-Kaserne durchsucht. Am Tag zuvor wurde am Rande einer Neonazi-Demo in Duisburg ein Aufkleber der "Identitären Bewegung" in einem Polizeifahrzeug fotografiert. Der Sticker mit dem Aufdruck "Wehr dich! Es ist dein Land!" klebte von innen an der Sonnenblende des Wagens.
Im März 2016 wurden zwei Polizisten in Jena an eine andere Dienststelle versetzt. Sie hatten ebenfalls am Rande einer Demonstration eine Ausgabe des neurechten Magazins "Compact" hinter die Windschutzscheibe ihres Einsatzfahrzeugs geklemmt.
(fh/dpa)
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