Stephan E. in Handschellen nach einer Vernehmung in Karlsruhe am 2. Juli. Bild: reuters tv
Deutschland
08.07.2019, 01:0208.07.2019, 06:57
Der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke soll in seinem inzwischen zurückgezogenen Geständnis
angegeben haben, die Tat schon seit Jahren erwogen zu haben.
- Mindestens zwei Mal, 2017 und 2018, sei Stephan E. demnach zum Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gefahren, mit der Waffe in der Tasche, berichten "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR am Sonntag online.
- Hinterher sei er der zurückgezogenen Schilderung zufolge froh gewesen, die Tat nicht ausgeführt zu haben. Als er Lübcke schließlich am 2. Juni doch ermordet habe, sei dies wortlos geschehen.
Anlass war möglicherweise eine Informationsveranstaltung über die Aufnahme von Flüchtlingen 2015, bei der Lübcke gesagt hatte, wer "die Werte" nicht teile, könne das Land verlassen.
Das Video kursiert seitdem im Netz.Video: YouTube/Professor Moriatti Ausschlaggebend für die
Idee seien dann die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner
Silvesternacht 2015/16 gewesen, aber auch der islamistische Anschlag
mit mehr als 80 Toten 2016 in Nizza. Das alles habe ihn ungeheuer
aufgewühlt, sagte E. den Angaben zufolge in seiner ursprünglichen
Darstellung.
Darüber geredet habe er mit niemandem, auch nicht mit
den der Beihilfe verdächtigten Markus H. und Elmar J. Den Ausschlag
gegeben habe dann der Mord von Islamisten an zwei jungen Frauen aus
Norwegen und Dänemark im vergangenen Dezember in Marokko.
Angeblicher Rückzug aus rechtsextremistischen Szene
Aus der rechtsextremistischen Szene wolle sich E. laut seiner
zurückgezogenen Aussage zwischenzeitlich gelöst haben, und zwar nach
seiner Verurteilung wegen eines Angriffs auf Gewerkschafter 2009 in
Dortmund, berichteten die Medien. Die Entscheidung, sich Waffen zu
besorgen, habe er demnach bereits 2914 getroffen - um seine Familie
vor der angeblich überhandnehmenden Kriminalität von Ausländern zu
schützen.
E.s Freund H. soll ihn an J. vermittelt haben, der dann ein ganzes
Arsenal an Waffen besorgt haben soll, darunter eine Maschinenpistole
des Typs Uzi.
In dem zurückgezogenen Geständnis habe E. auch angegeben, der Mord
tue ihm "unendlich leid", niemand solle für seine Worte sterben
müssen. Was er Lübckes Familie angetan habe, sei "unverzeihlich".
In der Untersuchungshaft soll E. laut den Berichten von Depressionen
berichtet haben und inzwischen auf die Krankenabteilung verlegt
worden sein.
Der Mord an Walter Lübcke:
Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war am 2. Juni erschossen worden. Unter Verdacht steht der 45-jährige Stephan E. aus Kassel. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Stephan E. hatte nach Angaben des Generalbundesanwalts Peter Frank zunächst gestanden, Lübcke getötet zu haben; später widerrief er sein Geständnis.
(pb/dpa)