Eine Kreuzfahrt, die ist lustig, eine Kreuzfahrt die ist... schmutzig? Einer hessischen Abschlussklasse wird gerade vorgeworfen, auf ihrer Abi-Fahrt fröhlich auf das Klima zu pfeifen – denn die Schülerinnen und Schüler gönnen sich zum Abschluss eine Kreuzfahrt über die Ostsee. Und das passt so einigen nicht.
Ausgelöst hatte die Empörung ein Beitrag des Hessischen Rundfunks. Schon die Überschrift machte die Richtung des Reports klar. Sein Titel: "Äh, Umwelt? Schule plant Abschlussfahrt auf Kreuzfahrtschiff" – darin ging es um den angeblichen Widerspruch zwischen Klima-Schülern und dreckiger Abschlussfahrt einer Schulklasse.
Nun hat sich die Schulleitung in einem Statement gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt, das auch watson vorliegt:
"Während Thomas Koschwitz auf hr1 Kreuzfahrten verlost, polemisiert die Hessenschau am 16. September gegen angeblich unverantwortliche Schüler, die sich für eine Fahrt mit der AIDAbella nach Oslo und Kopenhagen entschieden haben."
Der Beitrag sei reißerisch und "ein Beispiel für schlechten Journalismus, den ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht verantworten sollte", heißt es von Schulleiter Hans-Ulrich Wyneken. In Wirklichkeit handle es sich um "eine Schulfahrt, die dem Ideal der CO2-Neutralität von allen Schulfahrten am nächsten kommt".
Schule erhält Hassmails
"Wir haben nicht damit gerechnet, dass unsere Abschlussfahrt auf so ein negatives Echo stoßen würde", erzählt Wyneken gegenüber watson. Der Direktor berichtet von hasserfüllten Emails, die seit dem HR-Beitrag bei der Schule eingehen.
"Uns wird gewünscht, dass ein Tiefflieger auf das Gebäude stürzen solle", beschreibt er den Inhalt einer dieser Mails. An die Schülerinnen und Schüler würden diese Nachrichten aber nicht weitergegeben.
So geht es den Schülern jetzt
Wie diese mit dem medialen Echo auf ihre Abschlussfahrt umgehen? "Die Kinder haben keine Lust mehr, mit der Presse zu reden", beschreibt Wyneken die Stimmung in der Klasse. "Sie fühlen sich reingelegt vom HR."
Pläne, die Abschlussfahrt abzubrechen oder umzuplanen gebe es nicht. "Die ist bereits gebucht und bezahlt", erklärt Wyneken. "Außerdem stehen wir auch dazu."
Warum der Bericht ungerecht sein soll
Das mag – angesichts des schlechten Rufs, der Kreuzfahrten vorauseilt – erst einmal verwundern. Allerdings haben sich die Schüler und ihrer Lehrer nicht aus heiterem Himmel für eine Kreuzfahrt entschieden, wie sich der Schul-Stellungnahme entnehmen lässt. Stattdessen hätten sie sich durchaus Gedanken gemacht, etwa zum Kohlenstoffdioxidaustoß, den die Fahrt verursacht.
Sie seien davon ausgegangen, dass bei ihrer viertätigen Fahrt etwa 600 Kilogramm des Treibhausgases pro Kopf fällig würden. "Für diese 600 Kilogramm haben Lehrer wie Schüler Umweltzertifikate bei atmosfair eingekauft", heißt es seitens der Schule. Und zwar nicht erst nach dem Beitrag, sondern "lange bevor die Hessenschau berichtet hat".
Atmosfair ist eine Organisation, bei der ihr den CO2-Ausstoß von Reisen berechnen könnt – und für jedes Kilogramm eine Spende abgeben könnt, mit der Klimaschutzprojekte unterstützt werden.
Zudem würden die Schüler mit einem Umweltoffizier an Bord des Schiffes "ein ausführliches Interview" führen. All das habe der HR weggelassen in seinem Bericht.
Das sagt der HR zu den Vorwürfen
Wir haben auch beim Hessischen Rundfunk angerufen und um eine Stellungnahme gebeten. Der Sender kann die Argumentation der Schule nicht nachvollziehen, laut der es sich bei der Klassen-Kreuzfahrt um eine besonders CO2 neutrale Variante einer Schulfahrt handeln solle. Von einem Ausgleich durch besagte Umweltzertifikate habe die Schule weder in Recherchegesprächen noch im Interview gesprochen.
Weiter teilte der HR per Statement mit:
"Die Berechnung des CO2-Ausstoßes erfolgte durch einen Professor für Energietechnik an der Uni Kassel, der für seine Berechnungen die konkrete Kreuzfahrt der Schulklasse herangezogen hat."
stellungnahme des Hessischen rundfunks
Dieser habe unter anderem berücksichtigt, dass das Schiff nicht mit Schweröl, sondern mit Diesel fahre. Die Zahlen des Experten halte der HR "für belastbar genug, um sie unserer Berichterstattung zugrunde zu legen".
Beim Beitrag habe es sich außerdem um eine Glosse gehandelt und er sei dementsprechend anmoderiert worden.
"Allerdings nehmen wir die Kritik der Schule selbstverständlich zum Anlass, redaktionsintern über die Wahl der Darstellungsform zu diskutieren", heißt es in der Stellungnahme des Senders.