Nach Öffnungen in Niedersachsen und Sachsen nehmen in weiteren zehn Bundesländern Kitas und Grundschulen wieder ihren Betrieb auf oder weiten ihn aus.Bild: dpa / Marcel Kusch
Deutschland
Nach rund zweimonatiger Schließung und
Notbetreuung öffnen an diesem Montag in weiteren zehn Bundesländern
wieder Kindertagesstätten und Grundschulen. Bundesbildungsministerin
Anja Karliczek unterstützt das: "Es ist gut, dass viele Schulen in
Deutschland jetzt schrittweise wieder mit dem Präsenzunterricht
beginnen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Präsenzunterricht
sei durch nichts zu ersetzen. "Kinder, besonders jüngere, brauchen
einander."
Angesichts steigender Infektionszahlen rief die CDU-Politikerin
aber dazu auf, "alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Prävention
einer Virenübertragung zu ergreifen", um den Schulbetrieb auch in den
nächsten Wochen aufrecht erhalten zu können. Die jüngste Entwicklung
der Infektionszahlen verdiene höchste Aufmerksamkeit, sagte Karliczek
und verwies auch auf die befürchtete Ausbreitung neuer
Virusvarianten. "Das muss auch beim Schulbetrieb bedacht werden. Ich
bin mir aber sicher, dass die Länder dies bei ihren
Öffnungsentscheidungen berücksichtigen."
Sie hatte sich auch bereits für eine höhere Priorisierung bei der
Impfung von Grundschullehrkräften und Kita-Erzieherinnen
ausgesprochen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will
darüber am Nachmittag mit seinen Länderkollegen beraten. Und noch
etwas steht in Sachen Corona-Bekämpfung auf der Agenda dieses Tages:
Das sogenannte Corona-Kabinett der Bundesregierung berät über
Schnelltests durch geschultes Personal für alle. Überlagert werden
die anstehenden Entscheidungen dabei vom Anstieg der Infektionszahlen
- und von einer nun wachsenden Kritik am Neuinfektionswert als
Richtschnur politischen Handelns.
Worum also geht es an diesem Montag?
Öffnungen von Schulen und Kitas
Nach Öffnungen in Niedersachsen
und Sachsen nehmen in weiteren zehn Bundesländern Kitas und
Grundschulen wieder ihren Betrieb auf oder weiten ihn aus. Unterricht
soll entweder im Wechselbetrieb stattfinden mit halben Klassen, die
abwechselnd zur Schule kommen, oder im Vollbetrieb mit festen
Gruppen, die sich möglichst nicht begegnen sollen. In den Kitas
werden wieder mehr oder alle Kinder betreut. Die Einzelheiten regelt
jedes Bundesland für sich.
Schnellere Impfungen für Erzieher und Lehrer
Mit Blick auf die
Öffnungen von Grundschulen und Kitas hatten Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) und Ministerpräsidenten Spahn beauftragt zu prüfen, ob
Grundschullehrer und Kitaerzieher bei den Impfungen höher priorisiert
werden können. Die Corona-Impfverordnung müsste geändert werden,
damit die laut Statistischem Bundesamt rund eine Million Betroffenen
aus der Gruppe drei (erhöhte Priorität) in die Gruppe zwei (hohe
Priorität) aufrücken. Mehrere Länder und Spahn sind dafür. Das dauere
eine gute Woche, bis Anfang März, sagte der Minister in der ARD. Der
baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte
dort für sein Land an, dass ab diesem Montag Erzieherinnen und
Erzieher, Lehrer und Lehrerinnen sowie Ärzte und Ärztinnen "und alle
aus dem medizinischen Bereich" geimpft werden sollten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz befürchtet, dass
Schwerkranke aus der Gruppe drei dadurch ins Hintertreffen geraten.
"Wenn jetzt Berufsgruppen noch weiter nach vorn gesetzt werden
sollen, wird das Leben kosten", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch
der dpa. Auch die Gesundheitsexpertin der Unionsfraktion, Karin Maag,
warnte in der "Süddeutschen Zeitung" (Montag): "Wir haben gut daran
getan, dass wir die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission
weitgehend übernommen haben." Sonst komme man "in ganz schwierige
Abwägungen".
Schnelltests für alle
Unter anderem damit befasst sich in seiner
Montagsberatung das sogenannte Corona-Kabinett, ein Sondergremium von
Merkel und wenigen Ministern. Spahn hatte angekündigt, dass ab 1.
März alle Bürger kostenlos von geschultem Personal auf das
Coronavirus getestet werden können. Das soll in Testzentren, Praxen
oder Apotheken möglich sein. Details zur Umsetzung sind aber bisher
nicht bekannt. Eine entsprechende Anpassung der Corona-Testverordnung
muss noch beschlossen werden.
Infektionszahlen
Die Sorge vor einer dritten Corona-Welle
wächst. Die Kurve der Neuinfektionen zeigte am Sonntag den vierten
Tag in Folge nach oben - trotz des seit Mitte Dezember geltenden
Lockdowns. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 60,2 neue
Ansteckungen pro 100-000 Einwohner und Woche. Rechnerisch stecken
inzwischen 100 Infizierte 110 Menschen an (R-Wert 1,1). Das könnte
darauf hindeuten, dass sich die ansteckenderen Virusvarianten rascher
ausbreiten.
Öffnungsstrategie
Die Länderchefs und Merkel hatten bei ihrer
letzten Beratung am 10. Februar vereinbart, dass eine Strategie für
weitere Lockerungen erarbeitet werden soll und dass sie am 3. März
weiter beraten. Der Stufenplan soll sich aber nicht nur an den
Neuinfektionen orientieren, wie der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), der "Stuttgarter
Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag) sagte. "Auch ein
R-Wert deutlich unter 1 und eine sinkende Auslastung der
Intensivmedizin werden wichtige Kriterien für nächste
Lockerungsschritte sein." Der Berliner Bürgermeister kündigte für die
neue Woche einen Vorschlag an: Wenn Bundesländer "stabil über mehrere
Wochen" unter den Inzidenzen 35 oder 50 blieben, "können weitere
Schritte in der Kultur und der Gastronomie folgen".
Spahn sagte in der ARD: "Es macht Sinn, (...) Stufen zu
definieren, ab wann der nächste Schritt gegangen werden kann. Aber
die Wahrheit ist: Eine Inzidenz von unter 10, die ist jedenfalls in
den allermeisten Regionen in Deutschland gerade ziemlich weit weg."
Er erwähnte damit eine Ansteckungsrate, wie sie manche Virologen als
Zielwert fordern, die einige Ministerpräsidenten aber für zu
ambitioniert erachten.
Der Chef des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, Ferdinand
Gerlach, kritisierte die Orientierung an den Inzidenzen, weil sie
auch von der Testfrequenz abhingen. Es sei besser, "repräsentative
Kohorten" zu beobachten und zu testen, sagte er dem Nachrichtenportal
"ThePioneer" (Montag). "Wenn wir wissen, wie groß das
Infektionsrisiko am Arbeitsplatz, in der Schule, beim Einkaufen, im
Kino, im Museum oder im öffentlichen Verkehr ist, können wir
gezielter reagieren und müssen nicht eine ganze Volkswirtschaft
herunterfahren", erklärte der Spahn-Berater.
(hau/dpa)