Seit Anfang Juli tragen die rivalisierenden Discounter Aldi und Lidl eine Preisschlacht untereinander aus, die sich auf die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent zurückführen lässt. Sowohl Aldi als auch Lidl versuchen die Senkung zu nutzen, um sich als Preisführer zu behaupten beziehungsweise zu etablieren. Bisher fiel diese Rolle Aldi zu.
Jetzt hat Lidl das Versprechen gegeben, wie Aldi drei Prozent Mehrwertsteuerrabatt zu geben und ordnete sich damit wieder hinter dem Konkurrenten ein – keine neue Eskalation im Kampf um die Preisführerschaft.
Die "Lebensmittelzeitung" fragte nun den ehemaligen Metro-Manager Stephan Rüschen, ob der Preiskrieg nun vorbei ist – und welchen Schaden er bereits angerichtet hat
Der Branchenkenner antwortete, man könne "nur hoffen, dass beide Discounter schnell wieder zu kaufmännischer Vernunft zurückkehren". Sprich, dass sie den Preiskrieg beenden und sich nicht mit immer neuen Rabatten unterbieten wollen. Mit ihrem bisherigen Verhalten hätten Aldi und Lidl "der Lebensmittelbranche einen Bärendienst erwiesen".
"Ein Preiskrieg hat am Ende nur Verlierer", wie Rüschen erklärt, "wobei man davon ausgehen muss, dass nicht Aldi und Lidl die großen Verlierer sind, sondern Norma, Penny und Netto". Er sieht auch die Politik in der Schuld, die mit der Mehrwertsteuersenkung den Konflikt ausgelöst habe.
Rüschen analysiert: "In der Vergangenheit war akzeptiert, dass Aldi Preisführer ist: Aldi hat immer den Preis vorgegeben, dem alle gefolgt sind." Die Mehrwertsteuersenkung bot dann die Chance für Lidl, sich neu zu positionieren und nach der Preisführung zu greifen.
Die Reaktion von Aldi war der Warenkorbvergleich, den der Branchenkenner für einen totalen Fauxpas hält: "Der war unsäglich." Warenkorbvergleiche, die suggerierten, dass Aldi über das gesamte Sortiment fünf Prozent günstiger sei als Lidl oder Lidl zehn Prozent günstiger als Aldi, widersprächen allen Erfahrungen. "Das ist irreführend und völlig absurd."
Die Wettbewerbszentrale war vergangene Woche zu einem ähnlichen Urteil gelangt: Sie hatte Aldi zur Unterlassung der vergleichenden Warenkorb-Werbeanzeige aufgefordert.
Nach der Senkung der Mehrwertsteuer hatte ein Wettrennen der beiden Discounter um den niedrigsten Preis begonnen. In dem Schlagabtausch scheint den Kontrahenten jedes Mittel recht zu sein. In einem eigenen Prospekt füllte Aldi Süd eine Doppelseite mit einer Werbung, die den Preis mehrerer Produkte mit dem Preis bei unter anderem Lidl vergleicht.
Die Reaktion der Konkurrenz folgte prompt. Lidl antwortete zunächst mit zwei ganzseitigen Anzeigen in der "Bild"-Zeitung. Dann legte der Discounter mit einem Werbespot nach. Die Botschaft der prominent platzierten Antwort: Lidl ist der wahre Preiskönig.
Bleibt abschließend nur die Frage: Wie geht es bei den Discountern in Zukunft weiter? Schließlich haben die derzeitigen Preise ein Ablaufdatum: Die Bundesregierung hat die Mehrwertsteuer lediglich vorübergehend gesenkt, ab Neujahr gilt wieder der vorherige Steuersatz.
Dann müssten die Preise bei Aldi und Lidl wieder steigen – zumindest theoretisch. Doch genau daran glaubt Rüschen nicht. Im Gegenteil.
Zwar vermutet er durchaus, dass die Discounter die derzeit geltenden "krummen" Preise (plötzlich kosten Produkte zum Beispiel 0,97 Euro statt 0,99 Euro) wieder aufgeben wollen. Allerdings nicht durch eine Preiserhöhung, denn das kommt schlecht an bei den Kunden.
"Mache ich 1,17 wieder zu 1,19, dann ist das nicht gerade preisaggressiv", bilanziert Rüschen. "Ich vermute, dass Lidl und Aldi deswegen auf 1,15 gehen, obwohl die Preise eigentlich erhöht werden müssten. Vielleicht ist einer sogar aberwitzig genug, das über das gesamte Sortiment zu machen", so der Experte. Doch das ist bislang nur Vermutung.
(vdv)