Hat sich die Bundesregierung mit ihrer jüngsten Corona-Politik total verpokert? Diese Debatte stößt "Markus Lanz" am Mittwochabend im ZDF bereits mit der Einführung seiner Gäste an. Einen weiteren Auftritt wie den vergangenen Corona-Gipfel werden sich Bund und Länder nicht leisten können, sagt etwa die Journalistin Eva Quadbeck.
Außerdem in der Runde zu Gast:
Nach dieser Einleitung kommt die darauffolgende, gut 15-minütige Fragestunde mit dem USA-Korrespondenten des ZDF, Elmar Theveßen, etwas überraschend daher. Spannend ist sie dennoch, Theveßen analysiert die momentane Situation in den Vereinigten Staaten und fasst die Probleme des neu gewählten Präsidenten Joe Biden zusammen.
Auch die Proteste in Washington sind Thema, dort waren verärgerte Trump-Wähler gemeinsam mit Rechtsextremen und offenen Rassisten marschiert. Und da schlägt Moderator Lanz dann auch schließlich die Brücke zu Deutschland und zu der Runde im Studio in Hamburg.
Der Zusammenhang: Am Mittwoch hatten mehrere Tausend Menschen auf Initiative der Gruppierung "Querdenken" hin in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen und gegen das modifizierte Infektionsschutzgesetz demonstriert. Dabei war es zu Ausschreitungen mit der Polizei gekommen, Wasserwerfer kamen zum Einsatz und die Demonstration wurde aufgelöst.
Doch nicht nur dieser Schauplatz sorgte für Aufsehen: Ein derzeit im Internet kursierendes Video zeigt eine Frau, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Bundestag bedrängt und ihn mit obskuren Fragen löchert. Die Frau war mit einem Gästeausweis in den Bundestag gelangt. Sie wirft Altmaier in dem Video unter anderem vor, "kein Gewissen" zu haben.
Der Skandal an der Geschichte: Ein Abgeordneter des Parlaments soll die Frau und weitere Corona-Gegner in den Bundestag geschleust haben. Und es gibt bereits Vermutungen darüber, wer der Übeltäter sein könnte.
Konkrete Beweise dafür gebe es bislang zwar nicht, Quadbeck führt allerdings aus: "Die AfD hat den Tag genutzt, um die Schleusen in den Bundestag zu öffnen."
Aber warum protestieren die Menschen überhaupt gegen das Infektionsschutzgesetz? Einen Ansatz liefert Quadbeck selbst. "Was sicherlich ungünstig war, ist, dass das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde", sagt sie. Das Gesetz stelle für viele Menschen ein negatives Symbol dar, spiegele das Gefühl wider, entmündigt zu werden. Wenn sich diese Menschen dann mit den waschechten Verschwörungstheoretikern mischten, entstehe eine explosive Masse.
Zweiter Aufreger: Der Corona-Gipfel am Montag, der wegen des Widerstandes einiger Ministerpräsidenten gegenüber den von Kanzlerin Merkel angestrebten neuen Maßnahmen im Chaos endete. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der sich in der Runde sehr umsichtig und entspannt gibt, findet das aber gar nicht so schlimm.
"Es ist doch eigentlich ein Zeichen, wie in einem föderalen Staat mit der Bundesregierung…", "diskutiert wird", wollte Ziemiak wohl noch ergänzen, doch Lanz schneidet ihm schon vorher das Wort ab: "Ne, ne, ne", sagt der Moderator lachend. Ziemiak darf noch ausführen, dass Kanzlerin Merkel mit ihrer Infektionszahlen-Prognose am Ende ja Recht hatte, dann ergreift Lanz wieder das Wort: "Das ist doch nicht der Punkt, Herr Ziemiak." Und übergibt nahtlos an Eva Quadbeck, die dem Moderator den entscheidenden Satz aus dem Mund nimmt:
Diese Kritik trifft vor allem die Bundesregierung um Kanzlerin Merkel, die für die Organisation der Konferenz zuständig ist. Ziemiak möchte sich die Aussage aber ausdrücklich nicht zu eigen machen und versucht sich aus der Situation zu lavieren. Immerhin ist Merkel immer noch CDU-Politikerin. Dass die Konferenz längst abgestempelt ist, kann er aber dadurch nicht ändern.
Es entwickelt sich im Anschluss eine sehr spannende Debatte darüber, wie viele Einblicke Abgeordnete aus den Sitzungen heraus über das Smartphone an Journalisten weitergegeben. Wir erfahren dabei, dass Eva Quadbeck die Handynummer von Paul Ziemiak hat und ihr Zögern bei Lanz Frage, wie oft ihr Ziemiak schon aus Sitzungen geschrieben hat, lässt zumindest interessante Schlüsse zu.
Und der Moderator hat sich langsam warmgeschossen.
Diese Frage stellt er erst Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel und dann CDU-General Ziemiak. Beide schweifen in ihren Antworten weit ab, wie zu erwarten fallen sie sehr ungenau und sehr wenig zielgerichtet aus.
Und egal wie sehr es Lanz versucht, es bleibt unkonkret: Als die Runde schließlich bei den Parteiführungen und insbesondere bei den CDU-Kandidaten für den Parteivorsitz angelangt ist, gehen die Attacken weiter. Welchen Kandidaten hält Paul Ziemiak für am geeignetsten, welche Nachteile haben die Kandidaten?
Ziemiak gibt sich daraufhin sehr zurückhaltend, weigert sich mehrfach, Lanz' Fragen nach den Nachteilen der einzelnen Kandidaten zu beantworten. Der wiederum versucht verzweifelt, Ziemiak zu irgendeiner Aussage zu provozieren. Das nachfolgende Hin und Her wird irgendwann fast anstrengend.
Lanz' letzter Versuch der Provokation gegenüber Ziemiak: Friedrich Merz. Der Wirtschaftspolitiker hatte Ende Oktober in mehreren Interviews geklagt, Teile des Partei-Establishments würden ihn als CDU-Vorsitzenden verhindern wollen. Ob sich Ziemiak angesprochen fühle? Natürlich nicht. Was Ziemiak über Merz denkt? Natürlich auch nur Gutes. Der Generalsekretär gibt sich durchgehend weltmännisch, lässt sich kaum einmal aus der Ruhe bringen. Ein starker Auftritt des Generalsekretärs.
Ein anderer lässt sich zum Schluss dann doch etwas hinreißen. Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel ist es, der sich irgendwann so tief in die Problematik der SPD reinredet und mehrfach darauf verweist, kein Fan der derzeitigen Parteiführung zu sein, dass er sogar einer kritischen Ziemiak-Analyse der Parteistruktur zustimmen muss. "Das ist der große Unterschied zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen: Sie (an Ziemiak gerichtet, Anm. d. Red.) wollen regieren, meine Partei will Rechte haben", zieht Gabriel das traurige Fazit. Darüber kann Ziemiak dann herzhaft lachen.