Nach einer launigen Anmoderation, in der Maybrit Illner das Masketragen "Heilige Plicht" nennt, geht es in ihrer Sendung um die aktuelle Corona-Situation. Und die Diskussion plätschert fast eine Stunde vor sich hin. Bis zwei Minuten vor Schluss. Da kommt die Sprache auf die abgesagte Demonstration gegen die aktuelle Corona-Politik am Samstag in Berlin. Und Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, packt die Wut.
Der Grund: Der Vize der CDU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, hatte im "ntv Frühstart" das Verbot der Anti-Corona-Demos durch den Berliner Senat ungewohnt unflätig kritisiert. "Ich halte die Entscheidung für selten dämlich. Ja, auch für gefährlich. Sie kann zu einer zunehmenden Radikalisierung in der Gesellschaft führen." Schwesig atmet kurz durch, bevor sie anhebt. Sie sei auch nicht für ein Demonstrationsverbot. "Die, die diese Zweifel haben, sollen es in meinen Augen auch deutlich machen", sie teile die Meinung der Demonstranten nicht, "aber das macht eben auch eine Demokratie aus." Aber sie bemängelt die Wortwahl von "Herrn Lindemann" als "unverschämt" und verpasst ihm da – absichtlich oder aus Versehen – einen nur fast richtigen Namen, bevor sie ihn zurechtstutzt:
Wumms! Das hat gesessen. Schade, dass unmittelbar danach die Sendung vorbei ist. Denn eigentlich wäre genau das der Punkt, über den es sich zu reden gelohnt hatte. Wie erlebt jemand, der "im Feuer" steht die Krise. Viele Bürger – und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder – wundern sich ob mancher Entwicklungen: Da werden erst in der Mitte der Ferien Corona-Tests für alle eingeführt und kurz nach den Ferien dann auch wieder abgeschafft. Zum Beispiel.
Dem stets sanften und freundlichen Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) fällt die undankbare Aufgabe zu, das plausibel zu erklären. Er verweist auf den Zeitdruck bei der Einführung der Tests. "Im Sommer mussten wir uns entscheiden." So wie er das sagt, klingt es als sei es eine Ewigkeit her. Und als wären die Ferien ganz überraschend gekommen. Aber weil die Quarantäne nicht eingehalten wurde, habe man sich für flächendeckende Tests entschieden, sagt er. Das Problem ist nun allerdings: Die Labore haben Alarm geschlagen, dass sie an der Auslastungsgrenze arbeiten.
"Sind die Röhrchen knapp geworden?", fragt Moderatorin Maybrit Illner ungewohnt flapsig in Richtung von Michael Müller, dem 1. Vorstandsvorsitzenden des Berufsverbandes der akkreditierten Labore in der Medizin. Er berichtet, dass sie die Kapazitäten der Labore von 100.000 Tests in der Woche auf 1,2 Millionen gesteigert haben. Und die weltweit benötigten Reagenzien seien das Problem und die Fachkräfte auch. Deshlab nun also die politische Entscheidung für 14 Tage Quarantäne für Heimkehrer aus Risikogebieten.
Die Musterquarantäneordnung gäbe das her, sagt Braun. Für die Heimkehrer ist das unter Umständen eine teure Regelung. Denn eine Lohnweiterzahlung wird es nicht geben und auch ein eventueller Test, um die Quarantäne nach Tag fünf abzukürzen, belastet das eigene Konto. "Wer eine Urlaubsreise macht, soll seine Quarantäne selber zahlen", fasst Braun zusammen. Ach und die Gesundheitsämter werden die Einhaltung der Quarantäne kontrollieren. Wie die dauerhaft überlasteten Ämter das hinbekommen sollen, wird leider nicht geklärt.
Die Bundesregierung zieht also die Zügel an. Das gilt für Auslandsreisen genauso wie bei der Begrenzung von Personenanzahl bei privaten Partys und beim beschlossenen Mindestbußgeld von 50 Euro für Maskenverweigerer. Dass das auch eingetrieben wird, daran lässt Braun keinen Zweifel. "Wenn wir eine Maskenpflicht anordnen, meinen wir es ernst."
Und das aus guten Grund, findet Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Sie sagt über Masken: "Sie sind tatsächlich zusammen mit dem Abstandhalten das einzige, was wir haben." Allerdings würde ihrer Einschätzung nach eine Quarantäne von sieben Tagen ausreichen. Die meisten Infizierten wären in den "Tagen 2-3-4" am ansteckendsten. Und nach sieben Tagen sei der Höhepunkt der Ansteckbarkeit fast immer vorbei.
Eine zusätzliche Entspannung könnten Schnelltests sein, die gegen Ende des Jahres in breitem Maße erhältlich sein werden. Sie böten "innerhalb von ein paar Minuten" ein Ergebnis, so Brinkmann. Sie seien zwar nicht so zuverlässig wie die derzeit genutzten PCR-Tests, "aber eine hochinfektiöse Personen kann man so schon identifizieren". So könne man zum Beispiel auch Besucher vor Konzerten durchtesten und ein Stück weiter in Richtung gewohntes Leben zurückfinden. Die Kosten für einen solchen Test liegen bei rund einem Euro. Ob sie derzeit in ein Konzert gehen würde, fragt die Gastgeberin Maybrit Illner. "Es gibt Voraussetzungen, unter denen ich mich in einen Konzertsaal setzen würde, aber die Liste ist lang", gibt die Virologin zu. Das klingt dann auch schon wieder besorgniserregend.
Und auch die Medizin-Ethikerin Alena Buyx befürchtet, dass unser Leben ohne die Schnelltests kein besonders schönes wird. Sie spricht von einem "Winter der Entsagungen, der uns vor Augen steht" sollte das mit den Schnelltests nicht klappen.