Eine neue Sommer-Staffel "Dunja Hayali" steht an – und die Moderatorin widmet sich in der ersten Donnerstagsabends-Sendung im ZDF dem Thema Pflege während der Corona-Krise. Die Ausnahmesituation hat den Pflegeberuf massiv in den Vordergrund gerückt und wieder einmal gezeigt, wo die Missstände in dem Beruf liegen. Zu wenig Geld und zu wenig Personal sind nur zwei der vielen Probleme.
Gleich zu Beginn leitet ein emotionaler Beitrag über ein Pflegeheim in Berlin-Neukölln den Abend ein. In dem Heim waren zwölf Menschen an Covid-19 gestorben, Normalität scheint Jahre entfernt zu sein.
Das gilt offenbar für die meisten Heime. Branka Ivanisevic, examinierte Altenpflegerin aus Hessen, beklagt die schwierige Lage, in der sich ihre Einrichtung befunden habe.
Als sie über die Anfangszeit der Krise redet, wird sie emotional: "Wir standen dann ohne Schutzausrüstung da", erzählt sie. Und dann, zu Gesundheitsminister Jens Spahn gewandt: "Das kann ich Ihnen nie vergessen. Ihnen als amtierender Gesundheitsminister."
Spahn schaut betroffen drein, während Ivanisevic weiterspricht und den Bürgern ihrer Stadt dankt, die das Pflegeheim in den ersten Wochen der Krise mit Masken versorgt hätten. "Gott sei Dank" habe man keine Corona-Fälle in ihrem Heim gehabt, sagt sie.
Jens Spahn sagt, es habe sich bei dieser Pandemie um ein Jahrhundertereignis gehandelt, wo Ausnahmen gemacht werden mussten. "Ich bin natürlich dabei, dass manches nicht da war." "Vieles", fällt ihm Ivanisevic ins Wort. Spahn leicht genervt: "Ja, ich kann jetzt lange mit Ihnen darüber streiten, an welcher Stelle man hätte bevorraten müssen, aber die Frage war ja, sind wir beim nächsten Mal besser vorbereitet." Und das sei man, so Spahn.
Der Minister muss sich an diesem Abend so einiges an Kritik gefallen lassen. Und das nicht nur von den Gästen der Show, auch Moderatorin Hayali konfrontiert Spahn immer wieder mit provokativen Fragen. Wieso sei es dem Staat nicht wert, alle Pflegekräfte gleichermaßen angemessen zu prämieren? Ist der Staat wirklich auf alle Eventualitäten einer zweiten Welle vorbereitet? Jens Spahn ist im Laufe der Sendung immer mehr anzumerken, dass er sich ein wenig auf den Schlips getreten fühlt.
Als Moderatorin Hayali dann eine Grafik zum personellen Misstand in der Pflege einblendet und dabei von einem "Pflegedesaster" spricht, unterbricht der Gesundheitsminister sichtbar erregt:
"Nicht der Beruf ist ein Desaster, sondern die Situation", entgegnet Hayali. Für den Beruf an sich habe sie nur Bewunderung und Respekt übrig.
Die Auseinandersetzung zeigt exemplarisch: Die Pflege hat ein Image-Problem. Und das wird nicht nur an dieser Stelle sehr deutlich. "Wenn ich in Serbien sage, ich bin eine Krankenschwester, dann bin ich eine Halbgöttin", erzählt Altenpflegerin Ivanisevic. In Deutschland sei das anders. Man sei zwar dankbar für die Arbeit der Pflegekräfte, aber der Beruf habe ein viel schlechteres Image. Ivanisevic betont, sie könne ihre Tochter nicht guten Gewissens in diesen Beruf lassen.
Dann, erneuter Auftritt Jens Spahn: "Wie soll sich das Image dieses Berufs ändern, wenn niemand positiv drüber redet?", fragt er in die Runde. Was folgt, ist ein eindringlicher Monolog darüber, was sich in den letzten Wochen, Monaten und Jahren positiv in der Pflege entwickelt habe. Spahns Beispiele: Seit dem 1. Juli 2020 ein Mindestlohn von 15 Euro in der Stunde.
Eine generalistische Pflegeausbildung, bei der Alten- und Krankenpflege zusammengelegt wurden, die Perspektiven für Auszubildende schaffe. Und vieles mehr. Den Einwand, dass der erhöhte Mindestlohn noch nicht genug sei, redet Spahn einfach weg. "Da sag ich Ihnen, es gibt seit Anfang Juli Tausende Pflegekräfte, die mehrere Hundert Euro pro Monat mehr haben."
Es wirkt an manchen Stellen so wie in einer Schulklasse. Alle reden durcheinander, nicht mal Moderatorin Hayali hat eine Chance auszureden. Die Stimmung wird mit der Zeit immer hitziger, die Sendung zeigt wieder einmal, wie hochemotional das Thema Pflege ist.
Jens Spahn hat ein weiteres Problem erkannt: Pflegekräfte seien oft nicht gut in Gewerkschaften oder ähnlichem organisiert – und das wirke sich negativ auf die Tarifverhandlungen und die Tarifverträge mit den Arbeitgebern aus. Da stimmen dem Gesundheitsminister alle zu, Altenpflegerin Ivanisevic lässt sich sogar anschließend dazu hinreißen, Werbung für die Gewerkschaft Verdi zu machen.
"Da kriegen Sie aber Ärger", sagt Helmut Wallraffen, Chef mehrerer Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen, dazu lachend. Einer der wenigen lockeren Momente an einem insgesamt sehr ernsten Abend.