Die Zahl der Corona-Infizierten in Deutschland steigt wieder stetig an. Vor allem Reiserückkehrer werden vermehrt positiv auf das Virus getestet. Mit SPD-Politiker Stephan Weil, Pneumologin Dr. Jördis Frommhold sowie Physiker Prof. Christian Kähler sprach Markus Lanz am Mittwoch über die aktuellen Entwicklungen. Meteorologe Sven Plöger erklärte dem Moderator außerdem den Rekordsommer und die Ursachen des Klimawandels.
Bevor Lanz auf das große Thema Corona zu sprechen kam, drehte sich zunächst einmal alles um das Klima und die aktuelle Hitzewelle. Von Wetterexperte Plöger wollte der Moderator wissen, ob es sich aktuell um einen schlichten Sommer oder doch um ein Klimadesaster handelt. Die Antwort war klar: "Es ist schlicht und einfach Klimawandel", erklärte Plöger. Bereits das dritte Jahr infolge befänden wir uns nun in einer Dürre. Vor allem der Nord-Osten Deutschlands sei extrem trocken, berichtete Plöger und warnte vor einer weiteren Erwärmung. "Wenn wir nichts machen in Sachen Klimaschutz, dann werden wir eine Zunahme von drei bis vier Grad global haben." Das könnte dann sogar für eine Dürrezeit von bis zu zehn Jahren in Mitteleuropa sorgen.
Vor 11.000 Jahren war die Welt rund vier Grad kälter als heute und sah völlig anders aus, schilderte Plöger. "Wenn eine vier Grad kältere Welt eine ganz andere ist als die heutige, dann ist auch eine vier Grad wärmere Welt logischerweise eine ganz andere", machte er deutlich.
Wichtig sei seiner Meinung nach, jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen – vor allem auch in den Städten. Denn "unsere Städte sind eigene Klimazonen", betonte der Meteorologe. Deshalb sei es besonders wichtig, dort das Regenwasser zu sammeln, für mehr Begrünung und Verdunstungskälte zu sorgen. Plöger machte abschließend deutlich:
Da konnte sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nur anschließen. Er betonte die Wichtigkeit von Klimaschutz und Klimamanagement, ehe er auf die aktuelle Corona-Lage zu sprechen kam. Auch wenn die Lage derzeit sehr labil sei, halte er es für richtig, die Kinder nun wieder in die Schulen zu lassen und dort einen möglichst normalen Betrieb zu gewährleisten, auch wenn regional wieder Einschränkungen auftreten könnten.
Lanz hakte daraufhin nach, wie sich der SPD-Politiker das Schulkonzept für den Herbst und Winter vorstelle. Maskenpflicht solle vorerst nur dort herrschen, wo sich Gruppen mischen, betonte Weil. Und wie sieht es mit dem Umgang mit Aerosolen aus? Die stellen aktuellen Studien zufolge ja die größte Ansteckungsgefahr dar. Physiker Christian Kähler beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema und weiß, dass Masken und Abstände schon viel helfen können. Doch in Klassenräumen sieht auch er es problematisch. Aber seiner Meinung nach gebe es technische Lösungen, um Aerosole zu vermindern.
"Es gibt im Grunde drei Möglichkeiten sich zu schützen. Die erste ist, man muss quasi sehen, dass man die Viren aus dem Raum herausbringt oder sie irgendwo deponiert, wo sie keinen Schaden mehr anrichten können", begann Kähler. Das Fenster zu öffnen zählt natürlich dazu, allerdings brauche man einen recht großen Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen, wie er sagte. Die zweite Möglichkeit: Ausreichender Wind vor dem Fenster beispielsweise durch Querlüftung. Die dritte Variante: Eine raumlufttechnische Anlage, bei der die Frischluftzufuhr auf 100 Prozent gestellt wird. Gerade an Schulen sei laut Kähler Letzteres die beste Variante.
Gegen die Ausbreitung des Virus setzt der Physiker allerdings auch seit Beginn an auf das Tragen von Masken. Er geht sogar so weit zu sagen, dass wenn vier Wochen lang weltweit Masken getragen werden, das Virus weg sei. Wenn man dem Virus die Chance nehme, sich zu verbreiten, würde es keine Infektionen mehr geben. Die Masken seien dafür ein gutes Mittel. Die richtige Maskenwahl sei dabei durchaus wichtig, betont er. "Eine ordentliche Maske sollte man tragen, damit man auf Abstände keine große Rücksicht nehmen muss, also FFP2 oder FFP3. Mit diesen Masken haben Sie einen guten Schutz, da können Sie sich durchaus nah kommen. Dann brauchen Sie nicht immer alle Regeln im Hinterkopf behalten."
Gleichzeitig stellte er klar, dass dieser Weg eher unrealistisch sei. "Natürlich könnte man das Virus so besiegen, aber es ist natürlich stückweise illusorisch, so zu denken", räumte er ein.
Kähler, der schon im März nur noch mit FFP2-Maske im Flugzeug reiste, war schon zu Beginn der Pandemie vom Schutz durch Masken überzeugt und teilte seine wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu auch in etwa 50 Briefen Politikern, Virologen und renommierten Einrichtungen national und international mit – darunter auch dem RKI. Doch eine Antwort erhielt er so gut wie nie. Er sei damals noch nicht gefragt gewesen, zu unbekannt. Damals waren andere die Wortführer, erklärte Kähler. Somit blieb ihm nichts anderes übrig, als sich an die Bürger zu wenden und auf diese Weise Aufklärungsarbeit zu betreiben – und das tat er auch beispielsweise auf Youtube. Lanz fiel dazu nur eine Schlussfolgerung ein: "Wir hätten Ihnen früher zuhören sollen."
Als letzter Gast der Talk-Runde kam die Chefärztin einer Rehaklinik in Heiligendamm, die mit vielen Covid-Patienten zu tun hat, zu Wort. Dr. Jördis Frommhold erzählte, dass in ihrer Klinik 60 Covid-19-Patienten behandelt wurden – der Hauptteil war zwischen 35 und 65 Jahren alt. Besonders auffällig: Auch bei den jungen Patienten gab es schwere Verläufe mit teilweise acht Wochen Beatmungszeit. Ein Großteil der Patienten sei sogar ohne nennenswerte Vorerkrankungen gewesen, teilweise Athleten.
Rund 200.000 Genesene soll es mittlerweile geben. Aber Frommhold schätzt, dass viele trotzdem noch mit Problemen zu kämpfen haben. "Alle eint, dass sie vermeintlich genesen sind", sagte Frommhold, die Frage sei nur, wie viele von ihnen tatsächlich ihrem gewohnten Alltag und ihrer Arbeit wieder nachgehen können. Sie berichtete, dass eigentlich alle "unter einer maximalen Leistungsminderung" leiden. Selbst Patienten mit vermeintlich milden Verläufen entwickeln immer mehr solcher "Post-Covid-Syndrome". Die Liste der Beschwerden ist lang, beinhaltet neben extremer Leistungsverminderung auch neurologische Symptome vielfältiger Art und psychosomatische Beschwerden. Selbst die, die nicht in einem Krankenhaus behandelt wurden, können darunter anschließend leiden, betonte sie. Hinzukommt, dass Patienten, die lange beatmet wurden, teilweise mit Nahtoderfahrungen zu kämpfen hätten.
Warum auch Patienten mit milden Verläufen später noch so stark vom "Post-Covid-Syndrom" betroffen sind, kann bislang nicht beantwortet werden. Allerdings könnte es eine Erklärung für die verstärkte Leistungsminderung geben. Man habe rausgefunden, erklärte Frommhold, dass Patienten sich häufig eine falsche Atemtechnik angewöhnt hätten, vor allem nach Beatmungen.
Ob Frommhold heute mehr Respekt vor der Krankheit hat, wollte Lanz am Ende wissen – und die Antwort der Medizinerin fiel eindeutig aus:
Auch Christian Kähler verdeutlichte noch einmal das Risiko und führte vor Augen, wann man für gewöhnlich Risiken von 1 zu 100 eingehen würde. Das mache man beim Flug zum Mars oder als Soldat im Irakkrieg, erklärte er. Zum Vergleich: Beim Fliegen liegt das Risiko bei 1 zu 70 Millionen. "Die typischen Risiken, die man so eingeht, sind weit davon entfernt, was man hier eingeht. Wenn man sich das einmal klarmacht, dann ist das, glaube ich, sehr fahrlässig, wenn man das runterspielt", befand der Physiker und hielt fest: "Das bleibt einfach gefährlich, das Virus."
(jei)