Eigentlich sollte es bei "Hart aber fair" um das Thema "Kinder und Eltern zuletzt – scheitern Schulen an Corona?" gehen. Aber Moderator Frank Plasberg spitzt das Thema am Montagabend in der ARD dann doch sehr stark auf das Versagen der Lehrer zu.
Gleich am Anfang haut Plasberg einen raus: Engagierte Lehrer seien "Exoten im Übungsblattzeitalter". Während es Selbstständige wie Restaurantbetreiber eilig gehabt hätten, endlich wieder zu arbeiten, habe er "bei den Lehrern nicht den Eindruck, dass sie es so eilig haben, den Präsenzunterricht wieder stattfinden zu lassen", ätzt Plasberg.
Das fragt der gut verdienende Freiberufler mit festem Sendeplatz. Er will das alles aber "nicht als Lehrer-Bashing verstanden" wissen. Nur: Was ist es dann?
Als nächstes konfrontiert der Moderator Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit den Klagen einer Mutter: Die Tochter der Zuschauerin hat derzeit nur 30 Minuten Unterricht pro Woche, und zwar am Computer. Und selbst der falle immer mal wieder aus. Einmal habe sich die Lehrerin spontan unwohl gefühlt, einmal habe eine Lehrerin mit ihren eigenen Kindern einen Zahnarztkontrolltermin genau in diesen 30 Minuten Wochenarbeitszeit gehabt.
"Manche Einzelfälle sind kritikwürdig", gibt die Kultusministerin zu. Aber damit gibt sich Frank Plasberg nicht zufrieden: "Wir haben in der Summe viele Einzelfälle", kontert er angrifflustig. Vielleicht ist er selbst etwas ausgelaugt vom Homeschooling. Schließlich hat er selbst einen neunjährigen Sohn. "Es fällt einfach auf, dass es dort ein Verhalten gibt, dass bei Eltern für eine Stinkwut sorgt", sagt Plasberg. Und zumindest bei ihm gewinnt man diesen Eindruck durchaus an diesem Abend.
Ministerin Eisenmann versucht halbherzig, die Ehre ihrer Lehrer zu retten. "In wesentlichen Teilen sind die, die bei uns arbeiten, leistungsbereit. Aber sie haben recht. Wenn sich jemand im Beamtentum mit dem Beruf schwertut, ist es nicht ganz einfach, eine andere Verwendung zu finden." Das klingt ja schon fast nach einer Bankrotterklärung.
Aber SPD-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey will das Beamtenbashing nicht so da stehen lassen und verweist auf alle Soforthilfen und Sonderschichten des Bundes. "Das waren übrigens auch Beamte. Da gab es kein Wochenende, da gab es Nachtschichten."
Die Ministerin ist vor einem magentafarbenen Brandenburger Tor zugeschaltet. Sie redet viel, auf jeden Fall mehr, als sie sagt, sodass Plasberg einmal ganz nah an den Monitor tritt, um sie zu bremsen. Die SPD-Ministerin sagt: "Es ist nicht alles verloren." Sie versucht, die hysterische Diskussion um einen lebenslangen Bildungsschaden wegen Corona mal wieder etwas zu erden. Und auch digital sei alles nicht so schlimm. Sie kenne Schulen, die schon vor fünf Jahren "kreidefrei" gewesen seien. "Aber ich stimme zu, es ist jetzt eine Chance, die wir haben." Übersetzt heißt "Chance" in diesem Fall wohl: "nur eine Möglichkeit". Denn den normalen Unterricht sieht Giffey noch in weiter Ferne.
Die Ministerin stellt sogar in Aussicht, dass womöglich die Abstandsregelung gekippt werden muss.
Es werde einen Punkt geben, "wo genau diese Entscheidung getroffen werden muss". Denn Ziel müsse es sein, möglichst zügig zur Normalität zurückzukehren.
Verena Pausder hat den Verein "Digitale Bildung für Alle" gegründet. Ihre Einschätzung der Situation, wie die Schulen mit dem plötzlichen Zwang zum E-Learning umgegangen sind, lautet: "Es war fast keine Schule auf diese unangekündigte Klassenarbeit vorbereitet. Und nun haben wir eine Fünf geschrieben." Sie fragt sich, wie es in Deutschland dazu kommen konnte:
Ihr Vorschlag: Man müsse das digitale Lernen anpassen. Etwa die Kinder ein Corona-optimiertes Klassenzimmer im Computerspiel Minecraft bauen lassen. Das sei fächerübergreifendes und selbstbestimmtes Lernen. Aber dazu müsse man den Lehrplan entschlacken, weil "alle kurz vorm Burnout" stehen.
Kurz vor dem Ausrasten steht auch Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), als ihn Frank Plasberg mit einem anklagenden Unterton fragt, ob er Verständnis dafür hat, dass die Lehrer am Freitag nach Christi Himmelfahrt einen Brückentag genommen haben – mitten in der Corona-Zeit. "Es gibt Lehrer, die haben bis ans Limit gearbeitet", sagt Beckmann hörbar aufgebracht.
Dass der digitale Unterricht nicht so richtig stattfindet, glaubt er, liege an der mangelnden technischen Ausrüstung. Oft hätten die Lehrer keine Dienstmailadressen und die Lehrer müssten ihrer privaten Computer für den Unterricht benutzen. "Natürlich ist das peinlich", gibt er zu.
"Die meisten Lehrer, die ich kenne, habe keine Email-Adresse", stimmt ihm die Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes zu. Sie hat eine achtjährige Tochter. Ihr Eindruck vom Homeschooling: "Das hat gar nicht gut geklappt." Ihre Tochter habe ihr die Note 6 als Lehrerin gegeben. "Mama, du erklärst das nicht so gut wie meine Lehrerin." Und stressig sei es auch.
Sie und ihr Mann Christian Ulmen seien "beide voll berufstätig" – auch in der Corona-Krise. Und ihre Tochter habe leider nicht die Disziplin, ohne sie zu arbeiten. "Man muss viel dabei sein und unterstützen." Sonst habe sie nach 30 Minuten nur einen Smiley aufs Blatt gemalt. Der Haussegen hängt derzeit wohl oft schief zu Hause: