Es sollte um Ost- und Westdeutschland bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" gehen. Nach der großen ARD-Dokumentation zum selben Thema schließt sich in der Woche vor dem 30. Jahrestag der Deutschen Vereinigung Plasbergs Talk mit dem Thema "Wir Ostdeutsche, wir Westdeutsche: Wie groß ist die Kluft wirklich?" an.
Und dann ging es nach der Enthüllung um Ex-AfD-Sprecher Christian Lüth viel um die AfD. Es wurde der Abend von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der einem AfD-Kollegen ins Gewissen redete, Pfleger, die ihn irgendwann mal im Bett wenden müssten, persönlich bedauerte und am Ende noch einen unfairen Witz gegen einen angezählten Kabinettskollegen machte. Aber von Anfang an.
Bereits bekannt aus der vorher gesendeten Doku ist die Magdeburger Unternehmerin Angela Brockmann, sie betreibt ein Single-Reisebüro und verkauft Blockheizkraftwerke. Plasberg fragt sie, ob sie die Deutsche Einheit feiert. Wohl eher nicht, bekennt sie. Aber nicht, weil sie es nicht als Grund zum Feiern sehe. Sondern "wegen der Kontaktbeschränkungen", ach ja, Corona – da war ja noch was. Aber heute spielt die Pandemie bei Plasberg ausnahmsweise keine weitere Rolle mehr. Es geht um andere Probleme. Nämlich ob die Einheit nicht 30 Jahre später doch eher eine Zweiheit ist.
Die Unternehmerin Brockmann zum Beispiel würde sich ein gemeinsames Feiern von Ost und West wünschen. Auch wenn die Unterschiede noch immer groß sind. Zum Beispiel bei den Löhnen. Der Osten sei für sie ein Standortvorteil wegen niedriger Löhne. Gerade hat sie ein Angebot für einen Autobauer in Stuttgart abgegeben und bekommen, weil es kein vergleichbares Konkurrenzangebot gab. "Aber da würde ich als Unternehmerin gern drauf verzichten", sagt sie aber.
Niedrige Löhne im Osten sind auch für Linken-Politikerin Katja Klipping ein Thema. Es gehe nicht an, dass Mitarbeiter an gleichen Positionen im selben Unternehmen im Osten 17 Prozent weniger als im Westen verdienen. Darum streikten ja gerade die Angestellten von Bautzner Senf.
Viel zufriedener ist der Journalist Nikolaus Blome mit den Ergebnissen der Einheit. Er hat von "Bild" bis "Spiegel" viele Arbeitgeber erlebt. Aktuell ist er Politik-Chef bei RTL. "Man sollte es auf jeden Fall feiern", die Einheit sei "eigentlich eine Erfolgsgeschichte". Der ausgewiesene Wessi Blome zeigt sich höchst überrascht über "manchen Frust" der Ostdeutschen.
Wie die Ost-West-Quote der Führungskräfte in seinem beruflichen Umfeld so gewesen sei, wisse er nicht, er frage nicht danach. Plasberg glaubt das nicht und mahnt ihn erfolglos: "Herr Blome, bitte!"
Blome sieht das wirtschaftliche Ungleichgewicht der beiden Deutschland-Hälften noch immer vor allem in der maroden Situation der DDR begründet. Sie sei "in Grund und Boden gefahren" worden. Aber niedrige Löhne gebe es nicht nur im Osten, sondern auch in West-Regionen wie dem Hunsrück oder Emsland.
Der AfD-Politiker René Springer findet hingegen:
Springer ist Sprecher der AfD für Arbeit und Soziales im Bundestag. Von 2004 bis 2009 war er noch SPD-Mitglied, dann "überzeugter Nichtwähler", weil er "kein Vertrauen mehr" zu einer der Parteien haben konnte. 2014 trat er in die AfD ein. Plasberg stichelt, ob er denn Vertrauen zu einer Partei haben könne, die am Tag der Sendung nach Recherche von ProSieben und "Die Zeit" den zuvor nur beurlaubten AfD-Sprecher Christian Lüth wegen hetzerischer Äußerungen gegen Flüchtlinge entlassen habe. "Ja, es gibt offenbar Irrläufer wie Christian Lüth und auch andere." Aber mit dem Rauswurf scheint die Causa für ihn erledigt.
Er sei "absolut überrascht" über die Äußerungen gewesen, behauptet Springer, beim Podium gibt es da Zweifel, schließlich kennen die beiden sich schon seit 2015 persönlich. Nikolaus Blome wirft Springer und seiner Partei Scheinheiligkeit ganz deutlich vor:
Auch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil findet in der AfD-Debatte: "Von Einzelfällen kann man nicht reden, das können sie nicht verniedlichen mit Einzelfällen", sagt er. "Wie können sie das mit ihrer Überzeugung, mit ihrem Gewissen vereinbaren mit solchen Menschen in einer Fraktion zu sitzen?", fragt er René Springer direkt. "Was ist da bei Ihnen gelaufen?“
Der AfD-Mann, der nicht grundsätzlich unsympathisch erscheint, wie ihm auch Plasberg mehrfach bescheinigt, verteidigt sich und seine Partei nur halbherzig mit der üblichen "Einzelfall"-Taktik.
Als Springer eine vernünftige Bezahlung der Menschen fordert und die AfD als soziale Partei darstellt, verwickelt Katja Kipping ihn in eine unergiebige Diskussion über das AfD-Abstimmungsverhalten, das diesem Anstrich entgegensteht. Anträge der Linken, das Rentenniveau zu erhöhen oder Hartz IV-Sanktionen abzuschaffen, habe die AfD abgelehnt, so Kipping.
Schließlich geht Heil dazwischen und beendet die Diskussion umgehend. "Die Frage, wer wo abgestimmt hat, ist jetzt kein Beitrag zur inneren Einheit in Deutschland."
Plasberg bedankt sich nur halb-ironisch "für diese präsidiale Moderation" beim Arbeitsminister. Aber Heil hat damit sein Pulver für heute den Abend noch lang nicht verschossen. Über Lohngleichhheit im Osten haut er noch einen raus. Für Pflegekräfte in Hannover oder Leipzig sei es gleich schwer, "einen dicken Mann wie mich im Bett zu wenden". Herrlich.
Und ganz am Ende der Sendung sorgt er noch für einen weiteren Lacher: Der Tablet-Computer von Zuschauer-Redakteurin Brigitte Büscher streikt. Und aus dem Off spottet Heil gegen seinen nicht nur wegen der misslungenen PKW-Maut höchst umstrittenen Kabinetts-Kollegen und Verkehrsminister: "Es war nicht Andi Scheuer diesmal." Das gibt bestimmt noch Ärger bei der nächsten Kabinettssitzung.