Koch Alexander Herrmann hat genug. bild: screenshot ard
Deutschland
dirk Krampitz
Woche sieben im Corona-Lebensrhythmus. Die Maßnahmen und Einschränkungen haben in Deutschland gute Wirkung bei den Infektionszahlen gezeigt, vorsichtige Lockerungen gab es bereits, nun haben die Friseure am Montag den ersten Tag wieder geöffnet. Also alles auf dem Weg zurück zur Normalität? Könnte man denken. Aber bei "Hart aber fair" fragt Frank Plasberg: "Lagerkoller im Lockdown: Was lässt Corona von unserem Leben übrig?"
Diesmal diskutieren bei "Hart aber fair":
- Alexander Herrmann, Sterne-Koch
- Melanie Brinkmann, Virologin
- Katrin Bruns, dreifache Mutter im Homeoffice
- Ulrich Matthes, Schauspieler
- Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
"Hart aber fair": TV-Koch beklagt ein "unternehmerisches Wachkoma"
Zwei-Sterne-Koch Alexander Herrmann hat ein Hotel, vier Restaurants und 120 Mitarbeiter. Derzeit kocht er aber nur auf Sparflamme to go. "Wenn wir jetzt so weitermachen, kommen wir an eine Klippe, wo wir alle herunterfallen", warnt er und betont, dass er die Maßnahmen bisher richtig findet. Nur: Es herrsche "unternehmerisches Wachkoma" und da müsse man schnell raus. Sonst drohten viel schlimmere Kollateralschäden.
"Die Gastronomie ist eine tolle Branche, aber wirtschaftlich ein sehr fragiles Konstrukt. Ein Schnitzel, das wir heute nicht verkaufen, können wir morgen nicht doppelt verkaufen."
Alexander Herrmann
Koch Herrmann befürchtet "schlimme Kollateralschäden".bild: screenshot ard
TV-Koch streitet mit Virologin: "Wir hocken da wie die Deppen"
Darum drängt Herrmann nun auf einen Neustart. Und da macht ihm der Vorstoß der Deutschen Fußball Liga Hoffnung: Die Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga haben sich auf Corona testen lassen. Insgesamt 1724 Personen. Zehn Tests waren positiv, wie am Montag bekannt wurde. Für Herrmann "ein sehr positives Signal". Er hat nachgerechnet: "Nur 0,6 Prozent", sagt er optimistisch.
Als sich Virologin Melanie Brinkmann an dieser Stelle einschaltet, platzt Herrmann der Kragen. Brinkmann will erklären, dass man vorsichtig sein müsse bei den Schlüssen aus den Zahlen der DFL. "Die Zahl sagt eigentlich überhaupt nichts." Hier fällt ihr Herrmann ins Wort. Brinkmann erwidert noch: "Nein, ich rede jetzt." Aber der TV-Koch ist lauter.
Virologin Melanie Brinkmann hat einen Wunsch an die DFL.bild: screenshot ard
"Ihr sagt dauernd irgendwelche Zahlen. Und wenn sie euch passen, dann sind sie richtig", schimpft er. "Ich muss nur genug Virologen fragen, dann kriege ich die Zahl, die ich brauche, jetzt wird es wieder so gedreht, wie es passt."
Nach einer wilden Debatte zwischen Herrmann und Schauspieler Ulrich Matthes, der dem TV-Koch "Virologen-Bashing" vorwirft, nähert sich Plasberg den Gästen um den Streit zu schlichten. Er hält immer noch den Mindestabstand ein, aber Virologin Melanie Brinkmann sagt zu ihm, als er wieder zu seinem Pult geht: "Sie waren mir auch zu nah. Je weiter, desto besser."
Dann erklärt sie, wie sie das mit der mangelnden Aussagekraft der DFL-Zahlen meint und warum Virologen manchmal widersprüchliche Aussagen machen. Manche Ergebnisse seien noch nicht "gar". So verhalte es sich auch mit den Zahlen aus der DFL. Sollten sich die positiven Tests auf wenige Vereine konzentrieren, könne man davon ausgehen, dass sich die Infizierten gegenseitig angesteckt haben.
Bei vielen verschiedenen betroffenen Vereinen aus verschiedenen Regionen Deutschlands würde sie von einer unerwartet hohen Dunkelziffer ausgeben. "Das wäre überhaupt keine gute Nachricht", sagt sie, "aber diese Zahlen sind absolut sinnlos." Koch Herrmann schüttelt währenddessen den Kopf.
Er erklärt sich nochmal. Er lobt die anfänglichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, sagt aber: "In den letzten 14 Tagen bröckelt das, wofür wir auch Jahrzehnte gearbeitet haben."
Er wünscht sich verlässliche Ansagen, etwa eine Kennzahl über die Verbreitung des Virus, bei deren Erreichen er wieder loslegen könne. "Aber so hocken wir da wie die Deppen und schauen: Wie lang überlebe ich es noch?"
"Hart aber fair": Eine Mutter mit Lagerkoller
Die Nerven liegen blank, nicht nur in der Talkrunde. Auch bei Katrin Bruns zu Hause. Sie ist dreifache Mutter und befindet sich derzeit wie ihr Mann im Homeoffice. Die gesamte Familie zeige "Anzeichen von Lagerkoller".
Katrin Bruns leidet unter gleichzeitigem Homeoffice und Home-Schooling von drei Kindern. bild: screenshot ard
"Wir sind voneinander genervt", berichtet sie. Die Familie werde immer ausgelaugter. Und später dann noch etwas dramatischer: "Für uns geht's ums nackte Überleben." Sie fühlt sich mit Heimarbeit und Home-Schooling vom Staat im Stich gelassen, "die Perspektive fehlt, da steigt die Panik".
"Warum geht es nicht, dass die Schulen konkrete Pläne vorlegen und die Kinder schneller reinholen?", fragt sie sich. Mittlerweile gehe sie davon aus, dass es in der Schule "keinen Regelbetrieb bis zum Impfstoff" gebe.
Schauspieler Ulrich Matthes wünscht sich "eine Bazooka" für die Kultur.bild: screenshot ard
Eher locker sieht es Schauspieler Matthes. Zumindest für sich persönlich. Er stehe zwar nicht auf der Bühne, aber dank Festanstellung bekomme er weiterhin sein Geld – als einer der wenigen im Kulturbereich. "Ich halte die Maßnahmen der Regierung im Großen und Ganzen für sehr vernünftig", sagt er.
Matthes wünscht sich, dass Finanzminister Olaf Scholz seine sprichwörtlich gewordene Corona-Finanzhilfe-"Bazooka" auf den Kulturbereich "anlegt".
Der Schauspieler findet: "Die Kultur ist in der öffentlichen Debatte zu kurz gekommen, die der Bedeutung für das Land Deutschland absolut nicht entspricht." Das Kino sei "in absolut existentieller Gefahr" und das "Stadttheater ein gefährdeter Ort" in Zeiten sinkender Steuereinnahmen.
Er habe gelesen, dass sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer für die Wiedereröffnung von Streichelzoos eingesetzt habe. "Ich hätte mir gewünscht, sie hätten sich mit gleicher Vehemenz für die Kultur eingesetzt."
Ministerpräsidentin Malu Dreyer findet "Es muss sich etwas verändern."bild: screenshot ard
Malu Dreyer lächelt die Spitze weg. Sie kann sich bei stimmigen Sicherheitskonzepten Fußball genauso wie Theater vorstellen. "Wir sind alle an einer Grenze und es muss sich etwas verändern." Zeitpläne für Wiedereröffnungen seien "in Arbeit", sagt Dreyer, aber: "Wir können nicht alles auf einmal aufmachen."