Die Bilder vom Reichstag in Berlin gingen um die Welt: Demonstranten gegen die staatliche Corona-Politik, darunter Rechtsradikale mit ihren Fahnen, überwinden am Samstag die Absperrungen und rennen die Treppe zum Bundestag hoch, wo nur drei Polizisten rund 400 Demonstranten gegenüber stehen. Darüber und über die anderen Themen der Woche diskutieren diesmal bei Sandra Maischberger folgende Gäste:
"Er ist nicht der erste Oppositionelle, den das System Putin vergiftete, tötete", gibt sich "Monitor"-Moderator Georg Restle abgeklärt angesichts der Erkenntnisse, dass Alexej Nawalny mit einem Nervenkampfstoff vergiftet wurde. Aber was ihn erstaunt ist: Angela Merkels deutliche Reaktion in Richtung Kreml, in der sie eine Aufklärung forderte. "Sie hat sich unter Zugzwang gesetzt. Ich bin sehr gespannt wie das weiter gehen wird." Die Innenpolitik-Chefin der "Welt", Claudia Kade, glaubt, dass Merkel das als amtierende EU-Ratspräsidentin getan habe, um "ein starkes Signal" zu senden wollte.
Russische Oppositionelle sind nicht das Paradethema des Moderators und Tanz-Juroren Joachim Llambi, sondern die Börse. Das überrascht aber genauso, wenn man nicht weiß, dass er zuvor Börsenmakler war. Llambi freut sich über den auf wundersame Weise schon wieder auf über 13000 Punkten angeschwollen Dax. Seine Hypothese: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verbreite gute Stimmung und die Börse sei in Gedanken schonmal vorgeprescht. "Die Börse nimmt auch sehr viele Monate vorweg."
Gut, das war alles Vorgeplänkel. Mit Spannung erwartet man das Gespräch mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zur Corona-Demo in Berlin. Rund 400 Demonstranten hatten die leichten Absperrungen überwunden und waren auf die Treppe des Reichstags gestürmt, wo sie zuerst nur drei Polizisten gegenüber standen.
Die Demonstranten hätten suggerieren wollen, dass sie die Demokratie aus den Angeln gehoben hätten. Für die Justizministerin ist das ein weiterer Punkt in der Entwicklung. Sie bemerkt seit einiger Zeit im Kontakt mit den Bürgern, "dass die Bereitschaft, auf Argumente einzugehen, sehr zurückgeht". Der Umgangsformen würden rauer werden. Sie ist seit 22 Jahren Bundestagsabgeordnete. Inzwischen sei eine Hemmschwelle gebrochen. Drohschreiben, wie sie sie jetzt bekommt – "In dieser Dimension habe ich das noch nicht erlebt", sagt Lambrecht.
Das versuchte Verbot der Demonstration durch Berlins Innensenator Geisel (SPD) findet sie "zumindest nachvollziehbar". Schließlich hätten sich die Veranstalter ja vor der Demo schon gegen Mund-Nasenschutz ausgesprochen und damit andere Menschen potenziell gefährdet. Ein Gericht kippte das Verbot dann allerdings bekanntermaßen.
Für die Justizministerin der Beweis: "Wir sind eine lebendige Demokratie." Einen Rücktritt ihres Parteigenossen Geisel findet die Bundesjustizministerin nicht ratsam. "Vielleicht ist es besser, daraus die entsprechenden Lehren zu ziehen und es beim nächsten Mal besser zu machen." Aber es müsse auf jeden Fall dafür gesorgt werden "dass sich solche schlimmen Bilder nicht wiederholen."
Vorsichtiger kann man wohl kaum Stellung beziehen. Und das scheint auch Sandra Maischberger etwas zu fuchsen. Also stellt die Frage, die sich sicherlich schon viele Zuschauer gefragt haben dürften: Warum hatte ein Verein namens "Staatenlos", der bekanntermaßen den Reichsbürgern zumindest nahe steht, einen Stand direkt vor dem Reichstag. Lambrecht weicht einer Antwort aus. Und kommt darauf, dass man ja jetzt dank neuer Verordnung nur noch mit Mundschutz demonstrieren dürfe.
Für diese Antwort erntet Lambrecht Spott von Maischberger: "Mit Verlaub, in Zukunft dürfen die Reichsbürger dann nur mit Mundschutz vor dem Reichstag demonstrieren?", zweifelt die Moderatorin die Sinnhaftigkeit der Maßnahme an.
Übrigens enthüllt Maischberger nebenbei, dass die Justizministerin selbst Demonstrationserfahrung hat: Anfang der 1980er Jahre bei den Aktionen gegen den Bau des AKW Brokdorf. "Ich war vielleicht eine brave Demonstrantin, ich wurde nie in Gewahrsam genommen".
Dann will Sandra Maischberger aus der Justizministerin noch eine Meinung zum vergifteten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny herauskitzeln. Es klappt nicht wirklich. "Es ist ein russischer Staatsbürger, der offensichtlich vergiftet wurde auf russischem Gebiet. Das muss die russische Regierung aufklären. Ermitteln – das können nicht wir, das kann nur der russische Staat."
Und wenn er das nicht tut? Man solle doch erstmal abwarten. "Die Fakten liegen auf dem Tisch, es darf auch nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag verschoben werden." Sandra Maischberger schließt das Gespräch leicht spöttisch mit: "Ihr Optimismus soll uns heute Abend leiten."
Als letzten Punkt der Sendung steht ein Streitgespräch an, das das Potenzial zu einem wahren Schmankerl hat.
Der Unternehmer und Startup-Investor Frank Thelen trifft auf Sahra Wagenknecht. Die Linken-Politikerin hatte im Juni in einem Interview bekannt, dass sie die Corona-App nicht nutzt. Tech-Freak Thelen hatte umgehend getwittert: "Wie soll Sie in anderen Bereichen kluge Entscheidungen treffen, wenn sie hier wirklich 360-Grad-Blödsinn erzählt?"
Wagenknecht sagt, dass vor allem die Bluetooth-Funktion ein "Einfallstor für Hacker" sei und die Betriebssysteme würden Daten sammeln. "Ich würde niemanden davon abraten, der die App herunterladen möchte."
Thelen gibt ihr da sogar recht. Er selbst hat bei seiner Corona-Infektion gemerkt, dass die App leider am schlechten Digitalisierungsgrad Deutschlands krankt. Bis er seine Infektion digital in der App gemeldet werden konnte, musste er erst selbst massiv aktiv werden und es vergingen 24 Stunden. Streitigkeiten im Rekordtempo beseitigt. So weit, so langweilig.
Das Gespräch wandelt sich zum Tech-Talk. Wagenknecht moniert klassischerweise das schwache Mobilfunknetz. "Wir sind teilweise auf dem Status eines Entwicklungslandes", was natürlich kompletter Schwachsinn ist. In vielen Entwicklungsländern hat man bessere Mobilfunkverbindungen als in Deutschland außerhalb der Ballungszentren.
Frank Thelen darf dann noch Amazon-Chef Jeff Bezos und Tesla-Boss Elon Musk ("Der will einfach den Planeten retten mit Technologie.") loben. An diesen edlen Motiven hat Wagenknecht Zweifel. Außerdem seien Teslas Autos „keine grüne Technologie.“ Ein kleiner Diesel sei umweltfreundlicher als ein großer Tesla.
Thelen ist das egal. Er bewundert den amerikanischen Innovationsgeist und vermisst ihn schmerzlich in Deutschland. Auch als Maßnahme auf die Corona-Krise sei ihm zu viel in alte und viel zu wenig in neue Technologien investiert worden. Europa müsse jetzt gegenhalten und "nicht mit Kleingeld". Sein Vorschlag: 50 Milliarden Investitionen in die Hochgeschwindigkeitsverkehrssysteme "Hyperloops" oder Quantencomputer. Klingt eigentlich ganz einfach wie er da sso sagt. Packen wir's an!