Joe Biden wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein – das hat die US-Wahl nach schier endlosen fünf Tagen der Stimmenauszählung ergeben. Doch die Nachwehen könnten groß sein, Wahl-Verlierer Donald Trump will das Ergebnis anfechten, beharrt darauf, er habe gewonnen. Am Sonntagabend in der ARD bei "Anne Will" ist sich Außenminister Heiko Maas (SPD), der für kurze Zeit zugeschaltet ist, sicher: „Letztlich wird das Ergebnis irgendwann festgestellt werden.“
Außerdem waren in der Runde zu Gast:
Der angesichts der Thematik vielleicht spannendste Gast an diesem Abend: Der US-Politikberater und Republikaner Peter Rough, der aus Washington zugeschaltet ist. Gleich zu Beginn die gute Nachricht:
So haben es auch einige hochrangige Mitglieder der Partei bereits verlauten lassen. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Und von der Rechtmäßigkeit der Wahl in Gänze scheint Peter Rough zumindest nicht vollends überzeugt zu sein. So sagt er beispielsweise, dass die republikanischen Wahlbeobachter in entscheidenden Staaten wie Pennsylvania von den Wahllokalen ferngehalten worden wären.
Moderatorin Will scheint zu merken, dass bei Rough etwas zu holen sein könnte, versucht ihn, aus der Reserve zu locken. Ein Einspieler zeigt die Rede Trumps, die er als Reaktion auf das Wahlergebnis hielt und in der er behauptete, die Wahl wäre „gestohlen“ und eigentlich hätte er gewonnen. Will fragt Rough, wie er die Rede denn fand.
Rough reagiert cool.
Als kindisch oder bockig könnte er die Rede bezeichnen, trifft damit genau das, was die Frage zu bezwecken schien und windet sich so ein wenig um die Antwort herum. Rough ist sich außerdem sicher, dass es eine geordnete Machtübergabe geben wird.
Aber: "Es steht Trump zu, die Wahl gerichtlich anzufechten." Wie die Verfahren seiner Vermutung nach ausgehen werden, verrät Rough nicht direkt, sagt aber: "Ich bin zuversichtlich, dass wir wissen, wie das ausgehen wird." Übersetzt heißt das wohl: Auch der Republikaner glaubt nicht, dass Trump vor Gericht Erfolg haben wird.
Rough vermutet, dass ein zukünftiger Präsident Biden auf Europa zugehen wird, Europa "umarmen“ wird. Und auch explizit Deutschland. Allerdings werde er auch einige Forderungen stellen, sagt Peter Rough. So werde er zum Beispiel fordern, eine einheitliche Haltung gegen China zu entwickeln und wirtschaftliche Fragen intensiv zu diskutieren.
Das gibt NRWs Ministerpräsident Armin Laschet die Chance, zu glänzen. Mit einem Mal kommt der Kanzlerkandidat Laschet raus, verkündet großspurig, dass sich Deutschland selbstverständlich mit Biden über eine gemeinsame Haltung gegen China unterhalten werde. Ob sich das am Ende bewahrheitet – man wird sehen.
Laschet gerät immer wieder ins Schwärmen über Joe Biden und seinen unaufgeregten, sachlichen Wahlkampf-Stil. So sehr, dass er mit einem Mal den Namen von Republikaner Rough vergessen zu haben scheint. "Ich finde es bemerkenswert, was der Kollege…", kurze Pause,"… der Kollege aus Washington gesagt hat", druckst Laschet herum. "Rough" wirft Moderatorin Will ein und macht die Situation damit eigentlich erst unangenehm für den CDU-Politiker.
Laschet lässt sich davon nicht beirren, spricht von einer Chance für die republikanische Partei, sagt:
Er meint damit den republikanischen Ex-Senator John McCain, der im August 2018 gestorben ist, dessen unter anderem Trump-kritisches Erbe aber durch seine Witwe Cindy in der Partei weiterlebt.
Einer, der sich sehr intensiv mit den Geschehnissen in den Vereinigten Staaten auseinandergesetzt hat, ist Klaus Brinkbäumer. Der Journalist hat einen Film über den Trump-Wahn in den USA gedreht und ist unter anderem deshalb gern gesehener Gast in den Talkshows dieser Tage.
Für ihn gibt es eigentlich nur eine Option, wie Trump zu der Erkenntnis gelangen könnte, seine Niederlage besser einzugestehen – eine Art Trump-Überzeugungs-Kommission. "Leute aus der republikanischen Partei, die dem Präsidenten sagen: Die Wahl ist verloren", spezifiziert Brinkbäumer. Und zwar hochrangige Leute. Denn: Donald Trump tue sich enorm schwer damit, die Macht zu verlieren.
Seine Amtszeit habe enorme Auswirkungen auf das Land, führt Brinkbäumer aus, was vor allem im Umgang untereinander zu sehen sei.
Diese Spaltung, die aber nicht erst seit Trump bestehe, zu bekämpfen, werde eine der großen Aufgabe Joe Bidens sein.
Die Sendung wendet sich zum Ende hin noch der spannenden Frage zu, welche Auswirkungen die Wahl von Biden vor allem auf die afroamerikanischen Menschen in den USA hat. Im Vorfeld der Sendung führte die Moderatorin ein Interview mit dem Pastor Al Sharpton, der als Hauptredner auf der Trauerfeier des von einem Polizisten getöteten Afroamerikaners George Floyd auftrat.
Sharpton betont, dass große Teile der afroamerikanischen Gemeinschaft bzw. der sogenannten People of Color, also Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als "nicht-weiß" angesehen werden, riesige Erleichterung verspüren würden – als könne man "endlich wieder atmen". Das sagte er in Anlehnung an den getöteten George Floyd, der durch das Knie des Polizisten erstickte.
Die Runde analysiert im Anschluss zunächst, was die Wahl Bidens für People of Color bedeute, gerät aber dann schnell in eine Diskussion, wie großartig Amerika eigentlich wirklich ist. Die Historikerin Hedwig Richter zum Beispiel argumentiert, dass sie nicht verstehe, wie Menschen sagen könnten, die USA seien die "größte Nation" ("the greatest nation"), wenn so vieles verkehrt laufen würde.
Das bringt Republikaner Rough noch einmal auf den Plan, der über sein Land selbstverständlich nichts kommen lassen will. Er schaltet sich sofort rufend ein und betont dann, was alles so großartig an den USA sei. Es entbrennt eine kurze, hitzige Diskussion, die gerne hätte fortgesetzt werden können – wäre nicht die Zeit um gewesen. Schlechtes Timing.