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"Markus Lanz": Kriminalkommissar Fiedler wettert: "Das ist dummes Zeug von Seehofer"

Sebastian Fiedler: Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter spricht über Deutschland als Geldwäscheparadies.
Sebastian Fiedler: Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter spricht über Deutschland als Geldwäscheparadies.Bild: screenshot zdf
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Kriminalkommissar Fiedler wettert: "Das ist dummes Zeug von Herrn Seehofer"

20.05.2020, 07:0220.05.2020, 07:46
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Angela Merkel hält am Mittwoch mit den Vorsitzenden von fünf internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen eine Videokonferenz ab. Dabei spricht sie mit den Chefs des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und mit der Welthandelsorganisation. Es soll vor allem um die Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen gehen. Derweil finden in Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern, Proteste gegen die Maßnahmen statt.

Doch während die Wirtschaft nur langsam wieder in Gang kommt, blüht ein anderes, nicht legales Geschäftsfeld auf: Die Kriminalität. Das jedenfalls ist die Meinung eines Kriminalkommissars, der Horst Seehofers beschwichtigende Aussagen zu diesem Thema scharf kritisierte.

Am Dienstagabend sprach Markus Lanz mit seinen Gästen über die Corona-Demonstrationen, die Sicherheitslage und die weitere Ausbreitung. Mit dem Moderator diskutierten Politiker Peter Tschentscher (SPD), Journalistin Kristina Dunz, Kriminalkommissar Sebastian Fiedler und Epidemiologe Dirk Brockmann. Im Mittelpunkt standen besonders die Auswirkungen auf kriminelle Tätigkeiten.

Die Gäste: In der Talk-Runde diskutierten die Gäste über die Demos.
Die Gäste: In der Talk-Runde diskutierten die Gäste über die Demos.Bild: screenshot zdf

Fiedler kritisiert Sachsens Ministerpräsident Kretschmer

Kriminalkommissar Sebastian Fiedler sprach zunächst über die Demos, die derzeit in Deutschland veranstaltet werden. Gleich zu Beginn stellte er klar: "Meine Sichtweise ist darauf gerichtet, zu schauen, wer sich in die Versammlung mischt." Es sei nicht neu, dass sich unterschiedliche Gruppierungen treffen würden.

Sebastian Fiedler: Der Kriminalkommissar berichtete über die Sicherheitslage.
Sebastian Fiedler: Der Kriminalkommissar berichtete über die Sicherheitslage.Bild: screenshot zdf

Dann wurden Bilder vom Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) eingeblendet, der ohne Mundschutz mit Bürgern aus Sachsen diskutierte. Fiedlers klare Ansage folgte prompt: "Sachsen war das erste Bundesland, dass die Maskenpflicht durchgeführt hat. Dann geht Kretschmer ohne Maske auf eine Demo. Das ist nicht förderlich." Auch die Diskussionen um Grenzkontrollen erschließe sich ihm nur bedingt. Der Grund:

"Es ist eine Frage, wie sinnvoll das ist. Ich wünsche mir, dass wir proeuropäische Diskussionen führen."
Markus Lanz und Peter Tschentscher: Im Gespräch ging es vor allem um die Corona-Maßnahmen.
Markus Lanz und Peter Tschentscher: Im Gespräch ging es vor allem um die Corona-Maßnahmen.Bild: screenshot zdf

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sagte zu den Demos, dass in Hamburg versucht werde, die zu ermöglichen. Die Verordnungen seien immer befristet. "Je weitreichender die Einschränkungen sind, umso kürzer legen wir die Dauer fest", so der SPD-Politiker. Doch bei der Diskussion ging es vor allem auch darum, dass Menschen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinanderprallen. Fiedler erklärte:

"Wenn festgestellt wird, dass sich in der Bewegung Rechtsextreme tummeln, dann wäre für mich in der nächsten Minute Feierabend."

Der Kriminalkommissar schießt gegen Horst Seehofer

Doch ein ganz anderer Punkt bereitet dem Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter große Sorgen, nämlich die weitreichenden Kriminalitätsfelder: "Es gibt in vielen Bereichen, die wir bearbeiten, wenig Tatgelegenheiten. Dazu zählen die Kneipenschlägerei oder auch die Einbrüche, weil die Menschen zu Hause sind."

Und weiter: "Wenn wir auf die Statistik schauen, dann wird das für dieses Jahr, bezogen auf ihren Aussagewert, die schlechteste sein." Zunächst würden sich diese Kriminalitätsfelder gut messen lassen, auch wenn wir relativ wenig über Versuchstaten erfahren würden. Es gebe allerdings viele Bereiche wie die Organisierte Kriminalität, Korruption oder Wirtschaftskriminalität, wo nur etwa zehn Prozent gemessen werden könnten.

Sebastian Fiedler: Er kritisierte besonders die Kriminalstatistik.
Sebastian Fiedler: Er kritisierte besonders die Kriminalstatistik.Bild: screenshot zdf

Fiedler wetterte in diesem Zusammenhang gegen den Innenminister Horst Seehofer, der in regelmäßigen Abständen betont, Deutschland sei ein sicheres Land:

"Sie können meinen Ruhepuls messen, wenn die Aussage getroffen wird: Wir sind ein sicheres Land. Das ist dummes Zeug von Herrn Seehofer."

Auch wenn er unterschreibe, dass Deutschland eines der sichersten Länder sei, müsste aufgehellt werden, was tatsächlich stattfinde. Zudem teilte er mit, dass sich Corona bereits jetzt auf die Kriminalität auswirke, weil signifikante Änderungen in den Dunkelfeldern prognostiziert werden könnten.

Auf illegalen Märkten werden 100 Milliarden umgesetzt

Fiedler berichtete von Vorfällen, die bei Kontrollen stattfinden: "Bei Fahrzeugkontrollen findet man in der einen Richtung das Bargeld und in der anderen Richtung das Kokain. Wir können ein riesengroßes Rauschgiftproblem bekommen. Aber es wird nicht über eine neue Gesamtstrategie gesprochen." Crystal Meth würde von den Niederlanden nach Deutschland gespült werden. Das große Problem sei, dass in den Bereichen der legalen Wirtschaft Liquiditätsprobleme vorherrschen. Fiedler erklärte:

"Wir wissen, dass es bei den illegalen Märkten wie Rauschmittel, Medikamentenhandel, Umweltkriminalität, Cyberkriminalität oder Produktfälschung riesengroße Märkte mit großen Gewinnmargen gibt. Wir haben Märkte, wo Massen von Geld entstehen."
Bilder von den Demos: Auch dazu nahm Kriminalkommissar Fiedler eine klare Haltung ein.
Bilder von den Demos: Auch dazu nahm Kriminalkommissar Fiedler eine klare Haltung ein.Bild: screenshot zdf

Die Summe bezifferte er auf 100 Milliarden. Wir würden Massen an Liquidität in illegalen Märkten haben. Einem Gastronomen, der jetzt erhebliche Geldsorgen hätte, könnte angeboten werden, dass sein Laden übernommen werde. Fiedler meinte:

"Wir haben deswegen immer vom Geldwäscheparadies gesprochen. Deutschland ist das bargeldintensivste Land. Aus Sicht der Täter ist es spannend, wenn man viel machen kann."

Epidemiologe Brockmann spricht über Drohungen im Netz

Alle waren sich einig, dass derzeit besonders die große Unsicherheit die Menschen umtreibt. Auch, dass das Robert-Koch-Institut keine Briefings mehr herausgibt, wurde scharf kritisiert. Journalistin Dunz mahnte an: "Wenn es eine große Pressekonferenz mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten gibt, dann hat man das Gefühl, dass Fragen beantwortet werden. Ich kann nur hoffen, dass die Offenheit zurückkommt."

Kristina Dunz: Die Journalistin arbeitet für die "Rheinische Post".
Kristina Dunz: Die Journalistin arbeitet für die "Rheinische Post".Bild: screenshot zdf

Epidemiologe Brockmann vom Robert Koch-Institut blieb bei seinem Standpunkt: "Ich denke, das ist total nachvollziehbar. Ein großer Anteil der Briefings war eine Beschreibung der Ist-Situation. Jetzt sind wir in einer ganz anderen Phase. Wenn sich neue Cluster bilden, gibt es wieder Briefings." Bezogen auf die Beschränkungen empfahl der Physiker:

"Man muss diese Lockerungsschritte sequenziell und besonnen durchziehen."

Zu den Grenzkontrollen sagte er überraschend: "Bei diesen Maßnahmen musste ich ganz am Anfang sehr schmunzeln. Studien zeigen, dass Einschränkung von Mobilität nur etwas bringt, wenn Fallzahlen eingegrenzt werden und man sie bremsen kann." Das Virus würde keine Grenzen kennen und es sei irrelevant, wo sie sich befinden würden. Es gebe viele Faktoren, die eine Rolle spielen würden. Brockmann weiter: "Es geht darum, dass Reisebeschränkungen das Virus zwar verlangsamen, aber nicht ausbremsen können."

Dirk Brockmann: Der Epidemiologe ist Wissenschaftler vom Robert-Koch-Institut.
Dirk Brockmann: Der Epidemiologe ist Wissenschaftler vom Robert-Koch-Institut.Bild: screenshot zdf

Lanz machte noch auf einen ganz anderen Punkt aufmerksam, nämlich, dass Virologen wie Christian Drosten oder Melanie Brinkmann immer wieder angefeindet werden. Er fragte, ob sich Brockmann überhaupt noch trauen würde, zu sagen, dass er Epidemiologe sei.

Die Antwort folgte prompt: "Ich sage selten, dass ich Epidemiologe bin. In solchen Situationen bekommt man Feuer ab. In den sozialen Medien gibt es oft Gegenwind und Wut. Es ist eine Grundwut, die jetzt multipliziert wird und sehr verbittert und hasserfüllt ist." Dies sei sehr schade. Es mache ihn in erster Linie traurig. "Der Groll beunruhigt mich. Er stört mich aber nicht in meiner täglichen Arbeit", so Brockmann.

(iger)