"Toll, was eine gute Demokratie so aushält", sagt Talkmaster Frank Plasberg zu Beginn seiner Sendung. Er bezieht sich auf die Demonstration der Corona-Maßnahmen-Kritiker am Samstag in Berlin. Eine "irre Mischung" aus Demonstranten hätte sich ja versammelt. Ihr verbindender Punkt: "Hauptsache, es geht gegen die Regierung", sagt Plasberg und betont dann er wolle ja nicht "alle in die Spinner-Ecke stellen". Es diskutieren:
Irgendetwas zwischen vor- und eingeladen ist Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, und letztinstanzlich verantwortlich für das Geschehen dort. Auch wenn es sein Innensenator Andreas Geisel war, der die Demonstration im Voraus verbieten wollte und mit seiner juristisch angreifbaren Begründung für Ärger sorgte ("Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird."). Nach einem Einspruch der Veranstalter ließ das Gericht die Demonstration schließlich zu. Trotzdem nimmt Müller seinen Senator in Schutz.
Diese Entscheidung sei "aufgrund von Vorerfahrungen" mit Demonstrationen derselben Anmelder gefallen. Sie hätten "zuvor schon alle Regeln missachtet". Wenn man Menschen, die sich in ihren Grundrechten beschnitten fühlen, die Grundrechte tatsächlich beschneide, "da konnten Sie doch nur verlieren", wirft Moderator Frank Plasberg Müller vor. Müller muss grinsen, gibt sich aber einsichtig. Auf der Demo seien zum Teil "krude Thesen" verbreitet worden, "aber die muss man aushalten". Dass ein Teil der Demonstranten auf die Treppen des Reichstages stürmen konnten, findet er natürlich auch nicht gut und gibt ein Versäumnis in der Sicherung des Parlamentssitzes zu.
Nun sei es an der Zeit für Polizei und Justiz, auch die Videoaufnahmen auszuwerten: "Wer ist da mitgelaufen, wer hat gegebenenfalls verfassungsfeindliche Symbole gezeigt."
Auch für die Publizistin und Duisburger Gymnasiallehrerin Lamya Kaddor hat sich das Bild von den Demonstranten mit ihren Fahnen auf dem Reichstagstreppe in ihr "Gedächtnis eingebrannt". Und doch findet sie es vollkommen richtig, dass die Demonstration gerichtlich erlaubt wurde. Auch wenn sie sich sehr unwohl fühlt, "in dieser Sache der AfD recht geben zu müssen" – denn die AfD hatte das Verbot auch beklagt.
Moderator Plasberg wirft vergnügt ein: "Die Frontlinien sind unübersichtlich geworden". Aber Kaddor macht mit einem Beispiel deutlich, dass es immer darum geht, genau hinzusehen. Würden Salafisten eine Demo gegen Islamfeindlichkeit organisieren, würde sie sich dort auch nicht anschließen. So streng sie mit sich selbst ist, so nachsichtig ist sie mit ihren Schülern. Natürlich gebe es eine Infektionsgefahr bei illegalen Partys. Allerdings hat sie auch Verständnis für die jungen Leute im Alter ihrer Schüler.
"Ich kann nachvollziehen, dass man irgendetwas braucht, um Hormone abbauen. Ich kann den Frust einiger verstehen, wenn sich das über Monate zieht". Die Politik habe verpasst, die Jugendlichen in den Diskurs über Corona und die Lockerungen miteinzubeziehen. Abwägungen seien "zuungunsten der Jugend geschehen". Man müsse "ein bisschen mehr an junge Menschen denken", keine Abifeier – das sei nun mal schwer.
Der Moderator und Kabarettist Bernd Stelter sieht das genauso.
Ihn persönlich betrifft eher das im Raum stehende Karneval-Verbot für 2021. "So wie üblich wird es nicht gehen", stellt er klar. Aber er fordert "ein bisschen Kreativität", um den Karneval zu retten. Der Comedian beklagt, dass in einem Konzertsaal Leute Klassik hören dürfen, aber dieselbe Menge Zuschauer dürfte keine Karnevalssitzung erleben.
Sein niederschmetterndes Fazit:
Die letzte Party oder Karnevalssitzung des "FAZ"-Journalisten Jasper von Altenbockum (58) liegt offenbar schon ein bisschen länger zurück. Er findet "Es ist doch nicht so schlimm, mal ein Jahr auf seine Partykultur zu verzichten."
Egal, ob alt oder jung. Die aktuelle Situation zeige, "dass niemand davor gefeit ist, auf Verschwörungstheorien hereinzufallen", sagt die Wissenschaftsjournalistin und Ärztin Julia Fischer. Anfällige Menschen hätten vor allem folgende Eigenschaften: "wenig stressresistent, hohes Geltungsbedürfnis" und sie könnten einen Kontrollverlust schlecht aushalten.
Wer den Verschwörungserzählungen einmal auf den Leim gegangen sei, finde im Umfeld schnell Gleichgesinnte gegen das Feindbild. Das gebe Stabilität zurück "und man kann einen Kampf führen – plötzlich gibt es wieder etwas, das man tun kann", erklärt sie den Zulauf der Verschwörungstheoretiker.
Viele von ihnen seien mit rationalen Argumenten nicht mehr erreichbar, sagt Fischer. Sollte von den anderen jemand zufällig Plasberg gesehen habe, so ist nicht ausgeschlossen, dass ihn eine der ausgewogensten und informativsten Sendungen zum Thema vielleicht auch inhaltlich erreicht hat.