Der Sommer kommt und auch die Sommerferien nahen. Bars und Restaurants füllen sich, Schulen und Kitas üben den Normalbetrieb, und die ersten Deutschen sind gerade im vollbesetzten Flugzeug von Düsseldorf nach Mallorca geflogen. "Gibt uns der Sommer coronafrei?", fragt Frank Plasberg in seiner Sendung etwas polemisch und versammelt Experten zur Diskussion.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich in den vergangenen Monaten als eher strenger Corona-Warner gezeigt. Und ganz passend dazu sagt er auch diesmal, dass er sich derzeit nie in ein Flugzeug setzen würde. Obwohl er keine Risikofaktoren trage – außer dem Alter. Die Maske während des Flugs schütze ihn da nicht genug. Lauterbach rechnet fest damit, dass es rund zehnmal so viele Infizierte gebe wie in der offiziellen Statistik erfasst. Nicht einmal jeder zweite Infizierte zeige Symptome.
Aber wäre es so schlimm, neben einem Infizierten zu sitzen? Immer wieder haben Experten wie der Virologe Alexander Kekulé gesagt, dass Klimaanlagen in Flugzeugen durch ihre Luftfilterung eine Ansteckung quasi unmöglich machen. Lauterbach ist da skeptischer: "Es gibt keine einzige Studie, die sagt, dass es sicher ist." Er befürchtet zumindest nach dem Urlaub "viele Hotspots nach Kontakten im Urlaub".
Die Beobachtungen von Wissenschafts-Journalistin Christina Bernd scheinen Lauterbach recht zu geben. Sie ist zur Sendung geflogen und hat kurz nach dem Landen beobachtet: "Alles wird vergessen – alle drängeln sich wie in Vor-Corona-Zeiten." Aber nicht nur die Situation im Flugzeug sorgt für Stirnrunzeln.
Auch die Sache mit dem Rücktransport im Corona-Fall sieht Karl Lauterbach sehr skeptisch. Die Lufthansa versucht, mit einer "Rückholgarantie" Flugskepsis zu zerstreuen, um das Geschäft wieder anzukurbeln. So verspricht die deutsche Airline Passagieren, denen zum Beispiel aufgrund einer Gesundheitskontrolle die Einreise verweigert wird, eine unkomplizierte Reise nach Hause. Das Erfüllen dieses Versprechens hält Lauterbach für sehr unwahrscheinlich.
Und Learjets, also Business-Flugzeuge für den Transport einzelner Passagiere, habe die Lufthansa nicht. Dazu kommt: Wenn ein Staat aufgrund der Lage Flugverbote verhängen sollte, kann keine Fluggesellschaft etwas dagegen tun. Das ist ganz offensichtlich ein Punkt, an dem das Rücktransport-Versprechen die Lufthansa in Erklärungsnot bringt. Denn auch die Redaktion von "Hart aber Fair" hat der Lufthansa vor einer knappen Woche Fragen zur Rückholgarantie geschickt. Eine Antwort hat die Lufthansa bis zur Sendung aber nicht geliefert.
FDP-Politiker Wolfgang Kubicki traut der Rückholgarantie ebenfalls überhaupt nicht. "Völliger Schwachsinn" nennt er sie. "Dieses Versprechen kann der Lufthansa-Chef überhaupt nicht abgeben, weil es darauf ankommt, ob er überhaupt landen und starten darf." Er selbst als Bundestagsvizepräsident habe sich bei der letzten Rückholaktion massiv darum bemüht, dass überhaupt Landegenehmigungen in Ländern wie Peru, Australien oder Neuseeland erteilt werden, so Kubicki. "Wenn die Regierungen dort sagen, hier landet kein Flugzeug und hier startet auch keins mehr, dann darf der Kranich vielleicht im Luftraum kreisen, aber landen darf er nicht."
Allerdings hat Kubicki im Gegensatz zu Lauterbach kein Problem mit dem Fliegen. Er hält die Wahrscheinlichkeit für gering, dass ausgerechnet unter den Mitreisenden ein Infizierter ist. Er plädiert für "Eigenverantwortlichkeit" und findet, dass das Leben sowieso gefährlich sei. Die Gefahr einer zweiten Coronavirus-Welle schätzt er als "äußerst gering" ein.
Den FDP-Mann treiben eher die wirtschaftlichen Aspekte um, weswegen er sich die Lufthansa gleich noch in einem weiteren Punkt vorknöpft: Er lenkt das Augenmerk auf die bisher großteils noch nicht zurückgezahlten Ticketkosten der ausgefallenen Flüge. "Ich finde das ziemlich unverschämt." Der Lufthansa sei mit Steuergeldern geholfen worden, aber die Steuerzahler warteten noch auf ihr Geld, so Kubicki.
Allerdings steht die Lufthansa mit dieser Verzögerungstaktik offenbar nicht alleine da. Annabelle Oelmann von der Verbraucherzentrale Bremen sagt, dass sie nach anfänglicher Kulanz bei Reiseveranstaltern mittlerweile jeden Tag von vielen Verbrauchern Beschwerden höre über die mangelnde Rückzahlmoral bei Touristikunternehmen. Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes, bemüht sich um Schadensbegrenzung. "Das ist sicherlich nicht ganz optimal", die Lufthansa bemühe sich um Kredite, um Kundengelder zurückzuzahlen. Moderator Frank Plasberg fragt ihn im Scherz, ob diese Formulierung seine Bewerbung für den diplomatischen Dienst sei.
Der Psychologe Stephan Grünewald soll den Drang nach Urlaub in diesen Zeiten erklären. Er bezeichnet das Fliegen als "die Zumutung, das Nadelöhr", das die Menschen bereit seien zu akzeptieren, um "ein paar Tage Unbeschwertheit" zu genießen. Er fliegt demnächst auch nach Mallorca – sein Vater feiert dort seinen 85. Geburtstag. Er glaubt: "Die Menschen fahren nicht in den Urlaub, um 'tralafiti' zu machen, steil zu gehen." Es werde in diesem Jahr eher "ein beschaulicher Urlaub". Und er appelliert auch daran, den Wunsch nach Urlaub ernstzunehmen. "Die letzten Monate haben zu einer ungeheuren Spaltung in der Lebenswirklichkeit geführt." Für einige Leute sei es eine existenziell bedrohliche Situation gewesen. Anderen hätten sich in ihrem "Corona-Biedermeier" eingerichtet und die Corona-Auszeit eher als "Sabbatical erlebt." Er lässt durchklingen, dass er Urlaub für eine gute gesellschaftliche Entspannungsübung hält.