
Ein Fabrik der Firma Tönnies.Bild: dpa / Friso Gentsch
Deutschland
18.07.2020, 19:3219.07.2020, 08:39
Der Fleischproduzent Clemens Tönnies will trotz
heftiger Kritik nicht darauf verzichten, Lohnkostenerstattung wegen
der behördlichen Schließung seines Hauptwerks geltend zu machen. Der
64-jährige Unternehmer will das notfalls gerichtlich durchfechten.
"Darüber wird im Zweifelsfall auch Recht gesprochen werden", sagte er
dem "Westfalen-Blatt" (Samstagsausgabe).
SPD-Bundestagsfraktionsvize Katja Mast bekräftigte ihre Kritik an
Tönnies' Haltung. "Dieses Verhalten zeigt: Es fehlt jegliche Einsicht
und jegliches Gespür, um was es geht. Um Anstand und Verantwortung",
sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Was Tönnies macht,
unterstreicht einmal mehr: Gesetzesverschärfungen sind dringend nötig
und müssen kommen. Und das werden sie."
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) geht davon aus, dass
Tönnies keinen Regress für die vierwöchige Zwangspause nach
massenhaften Corona-Infektionen in seinem Stammwerk im
nordrhein-westfälischen Kreis Gütersloh geltend machen kann. Tönnies
hielt dagegen, er wolle verhindern, dass seine Mitarbeiter und
Dienstleister bei der Verteilung von Quarantänehilfen "stigmatisiert"
würden.
Bei Tönnies hatten sich rund 1400 Arbeiter nachweislich mit dem
Coronavirus infiziert. Vorübergehend waren deshalb, neben der
inzwischen aufgehobenen Betriebsschließung in Rheda-Wiedenbrück,
weitgehende Corona-Einschränkungen in den Kreisen Gütersloh und
Warendorf verhängt worden.
Tönnies sieht keinen Fehler
Tönnies und mehrere Subunternehmer hatten bereits vor einiger Zeit
Anträge auf Erstattung von Lohnkosten durch das Land NRW gestellt.
Unter anderem hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner
(CDU) dieses Vorgehen kritisiert.
Der Chef des größten deutschen Schlachtkonzerns sieht seinerseits
keine schuldhaften Versäumnisse. "Wir haben uns immer an Recht und
Gesetz gehalten", versicherte er. "Wir wissen bis heute nicht,
welchen Rechtsbruch wir begangen haben sollen." Er leide aber mit den
Menschen in seiner Heimat, die so starke Auflagen hinnehmen mussten.
Aus Sicht von Tönnies hat der massenhafte Corona-Ausbruch in seinem
Werk "nichts mit Werkvertragsarbeit oder den Wohnverhältnissen zu
tun", sondern vor allem mit der "Umluftkühlung, die eigentlich jeder
Betrieb hat". Dennoch sei er dafür, "den Mindestlohn für die
Fleischwirtschaft erheblich zu erhöhen und allgemeinverbindlich zu
machen". Bis September werde er "in einem ersten Schritt 1000"
bisherige Werkvertragsarbeitnehmer fest anstellen, kündigte Tönnies
im Interview mit der Zeitung an.
Rücktrittsforderungen wies der Firmenboss zurück: "Nein, der Kapitän
gehört bei rauer See auf die Brücke, nicht in die Koje", antwortete
Tönnies auf die Frage, ob er "hinschmeißen" wolle.
(pcl/dpa)