
Das bedingungslose Grundeinkommen wird schon seit langem von vielen gefordert. In einem Experiment sollen nun die Auswirkungen auf das Leben der Menschen untersucht werden.bild: imago images / IPON
Deutschland
18.08.2020, 18:0618.08.2020, 18:06
1200 Euro zusätzlich im Monat. Einfach so, bedingungslos. Wäre das nicht fantastisch? Wie verändert sich der Alltag von Menschen, wenn sie plötzlich mehr Geld zu Verfügung haben? Das wollen das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), der Verein Mein Grundeinkommen und
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von
Gemeinschaftsgütern und der Universität zu Köln in einer neuen
Langzeitstudie untersuchen. Das Forschungsprojekt wurde am Dienstag
mit der Freischaltung einer Bewerbungsseite im Internet gestartet.
Um eine Teilnahme bewerben kann sich, wer seinen ersten Wohnsitz in Deutschland hat und mindestens 18
Jahre alt ist. Bewerbungen sind ab sofort unter unter www.pilotprojekt-grundeinkommen.de möglich. Sobald eine
Million Bewerber zusammengekommen sind, startet ein Auslosungsprozess. 120 Teilnehmer sollen ab Frühjahr 2021 monatlich
drei Jahre lang die 1200 Euro bekommen. Finanziert wird das Projekt
über Spenden.
Die Teilnehmer müssen dem Verein zufolge keine Bedürftigkeit belegen und können unbegrenzt Geld hinzuverdienen, sofern sie dies wollen.
Wie verändert sich das Leben durch ein Grundeinkommen?
Die Wissenschaftler wollen dann durch regelmäßige Befragungen der
Teilnehmer herausfinden, wie sich ihr Alltag durch das Geld
verändert. Der Blick richtet sich dabei unter anderem auf das
Arbeitsleben, die Finanzen, den Bereich Familie und Beziehungen,
soziale Kontakte oder auch auf mögliche psychische Veränderungen. Zur
Analyse des Stresslevels würden auch Haarproben ausgewertet, heißt
es. Über das Ziel der Langzeitstudie sagt Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins Mein Grundeinkommen:
"Wir wollen wissen, was es mit Verhalten und Einstellungen macht und ob das Grundeinkommen helfen kann, mit den gegenwärtigen Herausforderungen unserer Gesellschaft umzugehen",
Es gebe zwar bereits weltweit wissenschaftliche Studien zum
Thema, aber ihre Erkenntnisse seien begrenzt, sagte Jürgen Schupp,
vom DIW Berlin. "Sie sind entweder veraltet, nicht verallgemeinerbar
oder untersuchen das bedingungslose Grundeinkommen nur für Erwerbslose. Vor diesem
Hintergrund betreten wir in Deutschland mit dieser Studie wirklich
wissenschaftliches Neuland".
Schon seit Jahren wird über die Idee des bedingungslosen
Grundeinkommens diskutiert. Gemeint ist damit eine Leistung,
die jedem Bürger zustehen soll – unabhängig von Lebens- und
Einkommensverhältnissen und dem Status der Beschäftigung. Das Grundeinkommen, das manchmal auch "Bürgergeld" genannt wird, ist jedoch umstritten.
Kritiker betonen hohe Kosten und fürchten Mangel an Motivation
Gegner der Idee befürchten, dass eine solche Zahlung die
Motivation von Menschen bremse und diese letztlich unglücklicher
mache. Zudem werden die Kosten angeführt. Rein rechnerisch würde ein
Grundeinkommen von 1000 Euro für knapp 83 Millionen Bundesbürger fast
eine Billion Euro im Jahr kosten. Die gesamten Staatsausgaben liegen
bisher laut Statistischem Bundesamt bei knapp 1,5 Billionen Euro im
Jahr.
Der Verein Mein Grundeinkommen widerspricht in beiden Punkten:
Für die "Faulheitsthese" gebe es keine Beweise. In weltweit allen
Pilotprojekten sei genauso oder sogar noch mehr weitergearbeitet
worden. Für die Finanzierung gebe es verschiedene Modelle.
"Das Grundeinkommen ist im Wesentlichen eine Steuerreform",
schreibt der Verein auf seiner Internetseite. Menschen mit geringen
Einkommen hätten dadurch mehr Geld zur Verfügung, die so genannte
Mittelschicht etwa gleich viel und die Reichsten etwas weniger als
vorher. "Unterm Strich zahlen diese Menschen dann mehr Steuern als
sie Grundeinkommen erhalten." Mit Hartz IV gebe es zudem auch heute
schon eine Art Grundeinkommen – nur sei dieses nicht bedingungslos,
sondern sorge für Demotivation, Existenzangst und
Misstrauen
(lau/dpa/afp)