Millionen deutscher Mieter müssen sich auf stärker steigende Wohnkosten einstellen: Deutschlands größte Immobilienfirma, der Dax-Konzern Vonovia, hält angesichts der hohen Inflationsraten deutlichere Mieterhöhungen für unausweichlich. "Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen", sagte Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch dem "Handelsblatt". Der Mieterbund kritisierte die Äußerung scharf, ebenso Jugendsprecher diverser Parteien.
"Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht. Das wird nicht klappen", sagte Vonovia-Chef Buch weiter. Vonovia besitzt rund 565.000 Wohnungen, die meisten davon in Deutschland. Die durchschnittliche Miete bei dem Wohnungskonzern erhöhte sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres im Schnitt auf 7,40 Euro pro Quadratmeter – das waren 3,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dies liegt noch deutlich unter der derzeitigen Inflationsrate von knapp acht Prozent.
"Schlichtweg dreist und empörend", findet Timon Dzienus, Bundessprecher der Grünen Jugend, die Ankündigung von Vonovia. "Studierende, Azubis, sowie Pflegerinnen und Pfleger können sich in unzähligen Großstädten schon jetzt die Mieten nicht mehr leisten. Das ist ein politischer Skandal."
Er fordert eine "scharfe und konsequente" Mietpreisbremse, eine Stärkung des Grundrechts auf Wohnen, "indem mehr Wohnraum in öffentliche und gemeinschaftliche Hand gegeben wird" und die Enteignung großer Immobilienkonzerne.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Isabella Wolbart, Bundessprecherin der Linksjugend. "Langfristig ist unserer Meinung nach Enteignung notwendig, denn Wohnen ist ein Menschenrecht und sollte nicht vom Geldbeutel bestimmt werden. Und an Tagebauen sehen wir ja, dass Enteignung möglich ist."
Angesichts steigender Lebensmittelpreise und gleichbleibender Mieten warnt sie: "Wenn Mieten zusätzlich steigen, dann besteht für Menschen die Wahl zwischen Hungern oder Heiz- und Wasserkosten nicht bezahlen zu können. Das darf die Bundesregierung nicht zulassen." Von ihrer Mutterpartei erwartet die Sprecherin der Linksjugend, dass diese im Namen der Mieterinnen und Mieter Druck auf die Regierung ausübe.
"Sich in einer Krise weiterhin mit Wohnraum finanziell bereichern zu wollen, das ist komplett zu verurteilen", findet auch Jessica Rosenthal, Bundesvorsitzende der Jungsozialisten. "Wohnen ist ein Menschenrecht und darf niemals zum Gegenstand von Spekulationen werden."
Langfristig helfe es nur "mehr günstige Wohnungen zu bauen, die insbesondere auch Studierenden und Azubis zugutekommen", so Rosenthal. "Außerdem müssen wir endlich das kommunale Vorkaufsrecht ermöglichen. Damit haben Kommunen die Chance, Immobilien der Spekulation zu entziehen." Auch ein zeitlich begrenzter Mietenstopp, mit dem sich Mieterinnen und Mieter in der aktuellen Krise vor Mieterhöhungen schützen ließen, gehöre auf den Tisch.
Für Paavo Czwikla, Sprecher der Jungen Liberalen, sind steigende Mieten in Großstädten "kein neues Problem." Dennoch sagt er: "Die Inflation führt natürlich zu einer weiteren Verschärfung, auf die wir reagieren müssen." Als Vorschlag, um Wohnraum wieder bezahlbar zu machen, fordern die Jungen Liberalen vor allem "mehr und schneller Bauen".
Der Deutsche Mieterbund (DMB) übte scharfe Kritik an der möglichen Mieterhöhung bei der Vonovia. "Dass Mieterinnen und Mieter für den eingebrochenen Aktienkurs von Vonovia und höhere Zinsen am Kapitalmarkt herhalten müssen, zeigt, dass die Geschäftsmodelle börsennotierter Wohnungskonzerne unsozial und spekulativ sind", erklärte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten.
Der Berliner Mieterverein warnte angesichts der möglichen Mieterhöhungen vor einem weiteren Anstieg der Inflation. "Wenn Vermieter nun eine Mieterhöhungswelle lostreten, dann wird dies die Inflation weiter anheizen, mit hohen gesamtwirtschaftlichen Risiken", erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Er riet den Mietern dazu, mögliche Mieterhöhungen rechtlich zu prüfen. "Wir rechnen mit vielfach schamloser Ausnutzung der aktuellen Situation", erklärte Wild.
(rs/nik/mit Material von afp)