Der Messenger-Dienst Telegram steht immer wieder heftig in der Kritik. Auf der Plattform vernetzen sich unter anderem Querdenker:innen, Rechtsradikale und Reichsbürger:innen. Straftaten werden dort geplant oder begangen. Zwischen der Bundesregierung und Telegram besteht seit längerer Zeit Streit.
Für den Fall, dass das Unternehmen weiter deutsche Gesetze missachte, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser sogar mit der Abschaltung gedroht. Es wäre "sehr schwerwiegend und ganz klar Ultima Ratio", sagte Faeser gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit". Aber sie sagte auch: "Wir können auch das nicht per se ausschließen."
Das Bundeskriminalamt schrieb Anfang des Jahres in einer Pressemitteilung mit dem Titel "Messengerdienste sind kein rechtsfreier Raum", dass man eine Taskforce zur Aufklärung von Straftaten bilden wolle.
Am Dienstag spülte Telegram seinen Nutzer:innen nun eine Nachricht ins Postfach. Es handelt sich um eine Abstimmung. Telegram schreibt dort einleitend:
Telegram gebe niemals Informationen über Chats oder Kontakte an Dritte weiter, auch nicht an staatliche Einrichtungen, heißt es in der Nachricht weiter. Die aktuelle Datenschutzerklärung erlaube trotzdem seit 2018, IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen auf Anfrage der Regierung, die durch einen Gerichtsbeschluss gestützt wird, offenzulegen.
Mit der Abstimmung möchte Telegram herausfinden, ob die aktuelle Datenschutzerklärung unterstützt werde – oder, ob die Nutzer:innen "die Zahl der Fälle, in denen Telegram potenziell Daten an Behörden weitergeben kann, verringern oder erhöhen möchten."
In der Umfrage wurden drei Optionen zur Auswahl gestellt: Daten weiterhin nur aufgrund Gerichtsentscheidung offenlegen, bei Verdächtigten schwerer Straftaten auch ohne Gerichtsentscheidung offenlegen oder Daten unter keinen Umständen offenlegen.
Je nach Ausgang der Umfrage und der Frage nach einer Annäherung an deutsche Polizeibehörden – oder das Beenden von Kooperation – würde Telegram seine Datenschutzerklärung anpassen oder gegebenenfalls die Datenstruktur ändern.
Ein Zwischenergebnis der Umfrage wird bereits angezeigt. Am Dienstagnachmittag um etwa 16 Uhr waren 40 Prozent für ein Herausgeben der entsprechenden Daten bei Gerichtsbeschluss.
Damit liegt diese Option nur knapp vorne. 35 Prozent möchten, dass generell keine Daten herausgegeben werden. Weitere 21 Prozent befürworten eine Datenweitergabe ohne Gerichtsbeschluss. Vier Prozent haben sich enthalten oder gehörten nicht zum deutschen Nutzer:innenkreis.
Dass vor einer Änderung einer Datenschutzerklärung nach einer Meinung der Nutzenden gefragt wird, ist ein eher ungewöhnliches Vorgehen. Eine kurzfristige Presseanfrage von "Netzpolitik.org", was Telegram damit bezwecken möchte, blieb bisher unbeantwortet.
Der "Stern" bat Telegram um eine Stellungnahme dazu, ob sich Telegram in der Lage sähe, bei einem "Nein" geltendes Recht zu ignorieren und Anfragen von Behörden samt Gerichtsbeschluss nicht mehr zu bearbeiten. Auch diese blieb unbeantwortet.
(and)