Corona und seine Auswirkungen verlangen den Menschen alles ab. Nicht nur die psychische Belastung ist für viele groß, auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind immens. Das bekommen nicht nur klassische Einkaufsläden zu spüren. Sondern auch Zoos, die mitunter vor dramatischen Entscheidungen stehen.
Das machte am vergangenen Wochenende die Zoo-Direktorin Verena Kaspari aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster deutlich. Weil die Zwangsschließung wegen des Coronavirus für den Tierpark existenzbedrohend ist, habe der Zoo Notpläne für das Schlachten seiner Tiere erarbeitet, sagte sie der "Welt".
Hintergrund von Kasparis Plänen ist, dass der Tierpark in der Corona-Krise keine Einnahmen durch Besucher hat und ausschließlich durch Spenden am Leben erhalten wird. "Wir sind ein Verein", erklärte Kaspari der Deutschen Presse-Agentur. "Wir bekommen keine städtischen Gelder, und alles, was wir bis dato an Landesgeldern beantragt haben, ist noch nicht eingetroffen bei uns. Wir überleben aktuell nur durch Spendengelder."
Die Zoo-Direktorin stellte allerdings auch klar: Bei der Notschlachtung der Tiere handele es sich um den allerletzten Schritt. Das sei "wirklich der aller worst, worst case", erklärte sie. "Wenn ich kein Geld mehr habe, Futter zu kaufen, oder wenn es passieren sollte, dass mein Futterlieferant aufgrund neuer Restriktionen nicht mehr liefern kann, dann würde ich Tiere schlachten, um andere Tiere zu füttern."
Die Aufregung um die Aussage war offenbar groß. Auf Nachfrage von watson heißt es vom Tierpark in Neumünster, die Direktorin gebe keine Interviews mehr.
Wir haben bei Zoo und dem Verband der Zoologischen Gärten nachgefragt, wie sehr die Corona-Krise die Tierparks trifft.
Klar ist: Im ganzen Land spüren die Zoos aktuell die Auswirkungen der Krise. "Unseren Zoos fehlen durch die ausbleibenden Zuschauer die entscheidenden Einnahmen", sagt der Sprecher des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ), Sebastian Scholze, zu watson. "Je nachdem, wie die jeweilige finanzielle Situation ist, schlägt die Wirkung unterschiedlich stark durch." Es sei daher wichtig, die angedachten Rettungsmaßnahmen von Bund und Ländern auch für Tierparks nutzbar zu machen.
Tatsächlich hat der VdZ bereits Ende März einen Hilferuf an Bund, Länder und Gemeinden geschickt. 100 Millionen Euro Soforthilfe erbat Verbands-Präsident Jörg Junold in einem Brief, der unter anderem an den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und den Präsidenten des Deutschen Städtetags, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), ging.
Auf Nachfrage von watson beim Deutschen Städtetag wollte dieser die Situation in Neumünster zwar nicht bewerten. Städte-Präsident Jung ist sich allerdings der heiklen Lage, in der die Zoos stecken, bewusst. Am 7. April forderte er die Einführung eines kommunalen Rettungsschirms, der die finanziellen Lasten der Corona-Krise für die Städte lindern soll. Ausdrücklich nannte Jung in diesem Zusammenhang auch zoologische Gärten: "So sind beispielsweise Verkehrsbetriebe, Messen, Flughäfen, Veranstaltungszentren, Häfen, Bäder, Zoologische Gärten und Kultureinrichtungen durch Einnahmeausfälle zum Teil in ihrer Existenz bedroht."
Kommunale Unternehmen sollten deshalb unbedingt Zugang zu den Liquiditätshilfen und Darlehensprogrammen von Bund und Ländern bekommen, die für die Wirtschaft aufgelegt worden sind.
Der Zoo Augsburg ist ebenfalls auf Unterstützung angewiesen. Eine Million Euro an Einnahmen fehlten aktuell, teilte die Einrichtung gegenüber watson mit. Ausbleibende Ticketerlöse in den Osterferien, die noch dazu mit bombastischem Wetter aufwarteten, leeren die Kassen langsam, aber stetig.
Von Schlacht-Plänen bei manchen Tieren will man dort aber nichts wissen. "Durch Kurzarbeit bei den Verwaltungsmitarbeitern geht es noch einige Monate", hieß es auf Nachfrage. Die Tiere litten dennoch unter der Situation, denn geplante Investitionen in die Verbesserung der Tierhaltung "sind jetzt nicht mehr möglich".
Den wirtschaftlichen Nutzen des Neumünsteraner Notfallplans bezweifeln die Augsburger allerdings. "Für einen Löwen fallen etwa 3000 Euro Futterkosten an", erklärt der Zoo. Pro Jahr. Die Lohnkosten für einen Pfleger pro Monat seien schon wesentlich höher.
Im Zoo Duisburg stehen Tötungen von Tieren ebenfalls nicht zur Debatte. "Unsere Futtermittellager sind derzeit gefüllt und wir bekommen weiterhin Tierfutter geliefert. Der Zoo Duisburg hat keine Liste von Tieren, welche aufgrund der Corona-Pandemie euthanasiert werden müssten", versicherte die Einrichtung watson auf Nachfrage.
Der Zoo hilft sich in der Krise selbst. Dort läuft seit Mitte März die Aktion "Futterhelden", bei der Menschen für Futtermittel spenden können. Über 1000 Menschen haben bereits mitgemacht. "Was uns besonders freut: Es kommen stetig neue Futterhelden hinzu", ließ Duisburg watson wissen.
Der Heidelberger Zoo, dem aktuell etwa 500.000 Euro im Monat an Eintrittsgeldern entgehen, sagte gegenüber watson: "Notschlachtungen sind im Zoo Heidelberg kein Thema." Die Mitarbeiter hätten in den vergangenen Wochen mit großem Engagement die Konzepte und Regelungen zu einem Notbetrieb entwickelt und umgesetzt. Die grundlegende Versorgung der Tiere ist mit diesem System – wenn es bei unseren Mitarbeitern nicht zu hohen krankheitsbedingten Ausfällen bekommt – vorerst gewährleistet.
Auch für Zoo, Aquarium und Tierpark in Berlin ist eine Tötung trotz finanzieller Einbußen nach eigenen Angaben kein Thema. Auch wenn seit dem 17. März jegliche Einnahmen fehlten, seien Versorgung und Pflege der 30.000 Bewohnerinnen und Bewohner sichergestellt, teilte ein Zoo-Sprecher am Mittwoch der dpa mit.
Auch VdZ-Sprecher Scholze weiß nichts von konkreten Plänen anderer Tiergärten, ihre Tiere zu schlachten. Im Gegenteil. "Wir sind uns sicher: So weit wird es nicht kommen", sagt er zu watson.
Er sieht sogar etwas Licht am Horizont, aus der Politik seien viele positive Signale gekommen:
Es scheint, als sei der Hilferuf des VdZ an einigen Stellen erhört worden.
Vielleicht erreichen die Gelder der Länder auch die Direktorin Kaspari noch rechtzeitig. Andere Tierparks hätten versprochen, den Neumünsteranern Fisch und Fleisch zukommen zu lassen, "wenn hier der allerschlimmste Fall eintreten würde", sagte Kaspari der dpa.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) teilte der dpa zudem mit: "Zu Notschlachtungen in Tierparks darf es in der Corona-Krise nicht kommen." Voraussichtlich ab Anfang nächster Woche könnten Förderanträge gestellt werden.
(pcl/ mit Material von dpa)