Vor allem die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern leidet während der Corona-Pandemie. Bild: dpa / Andreas Arnold
Exklusiv
17.11.2020, 16:3017.11.2020, 20:10
Wie sollen die deutschen Schulen mit der Corona-Pandemie umgehen? Sind Schulen wirklich Infektionsherde? Und wie kann das Recht auf Bildung sichergestellt werden? Mit diesen Fragen muss sich momentan die deutsche Politik befassen. Eine allgemeine Maskenpflicht in Schulen gibt es noch nicht. Ebenso wenig eine einheitliche Regelung für den Fernunterricht oder das Halbieren von Klassen. Die Bund-Länder-Konferenz am Montag brachte kein nennenswertes Ergebnis.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert die Uneinigkeit zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidenten. "Die Corona-Schulpolitik fast aller Bundesländer ist gekennzeichnet durch Hektik, Planungslosigkeit und fehlende langfristige Konzepte", erklärt Meidinger gegenüber watson. Einen langfristigen Masterplan brauche es aber, "um Eltern, Lehrer und Schüler nicht tagtäglich durch neue kurzfristige Maßnahmen zu verunsichern". Vor allem über die Zurückhaltung bei der allgemeinen Maskenpflicht wundert er sich:
"Warum es nicht einmal gelungen ist, eine bundesweit geltende Maskenpflicht – zumindest für Schüler an weiterführenden Schulen, unserer Ansicht nach auch für Grundschüler – in den Maßnahmenkatalog von Bund und Ländern aufzunehmen, ist völlig unerklärlich und geradezu verantwortungslos."
Lehrerpräsident: Zusatzjahr würde Druck reduzieren
Doch selbst diese kurzfristigen Maßnahmen gehen Meidinger nicht weit genug. Denn es zeichne sich bereits ab, "dass auch dieses Schuljahr kein normales Schuljahr werden wird" und es nicht gelingen werde, die Lehrpläne zu erfüllen. Die Lücken des vergangenen Schuljahres würden somit noch größer. Daher plädiert Meidinger für die Möglichkeit eines Zusatzjahres. Dieses würde für viele Eltern und Schüler den "enormen Druck aus der jetzigen Situation herausnehmen" und auch das Problem des Notendrucks entschärfen.
Heinz-Peter Meidinger ist Lehrer, Schulleiter und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL).Bild: dpa / Armin Weigel
Dazu seien verschiedene Modelle vorstellbar, erklärt der Lehrerpräsident. Folgende Regelungen hält er für denkbar:
- Ein freiwilliges Wiederholen eines Schuljahres ohne Wertung als Sitzenbleiben anzubieten.
- Das Angebot eines Zusatzjahres vor den Abschlussprüfungen. Dafür könnte eine eigene Klasse oder Lerngruppe gebildet werden.
- Die Einführung einer freiwilligen fünften Jahrgangsstufe an Grundschulen zur besseren Vorbereitung auf den Übertritt.
- Oder die vorzeitige Umstellung auf G9, also Abitur in 13 statt in zwölf Jahren, so wie es in einigen Bundesländern bereits wieder der Fall ist.
Zusätzlich seien weiterhin Lernangebote am Nachmittag ohne Verlust eines Schuljahres weiter anzubieten, erklärt Meidinger. Er weiß aber auch: "Wenn viele ein Zusatzjahr machen, erhöht sich allerdings der Lehrerbedarf, jedoch nicht von heute auf morgen, sondern verteilt auf mehrere Jahre."