Nicht mehr lange, dann wird das Anstehen im Impfzentrum und das Vorlegen der zuvor gewissenhaft ausgefüllten Formulare wohl der Vergangenheit angehören.
Bund und Länder setzen angesichts der langsam, aber beständig steigenden Infektionszahlen auf neue Wege, um die Menschen zu einer Impfung zu bewegen. Einen "Impfanreiz" zu schaffen, das scheint für die Politik im Moment die oberste Devise in der Pandemiebekämpfung zu sein.
Experten gehen davon aus, dass aktuell zu wenige Menschen in Deutschland eine Impfung erhalten haben, um die Pandemie vor dem Herbst vollständig unter Kontrolle zu bringen.
Zu wenig Menschen geimpft
Nach Einschätzung des Robert-Koch-Institut (RKI) müssen dafür mindestens 85 Prozent der der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Menschen ab 60 Jahren vollständig geimpft sein.
Knapp 50 Prozent der Gesamtbevölkerung waren es laut RKI-Meldung am Mittwoch. Es gibt also noch viel zu tun. Und Länder und Bund reagieren.
In Berlin wird beispielsweise ab diesem Wochenende auf einem Ikea-Parkplatz ein Drive-In-Impfen angeboten. Jede und Jeder kann sich spontan und ohne einen Termin im Bezirk Lichtenberg den "Pieks" abholen. Auch eine "Impf-Spur" für Fußgänger ist geplant.
Eine lange Schlange bildet sich vor der Einfahrt zur Impfung an der Ikea-Filiale Lichtenberg vor dem Schild mit der Aufschrift "Impf-Drive-in Einfahrt Corona-Impfung Ohne Termin". Auf dem Parkplatz der Ikea-Filiale in Lichtenberg kann sich jeder spontan ohne Termin impfen lassen.Bild: dpa / Fabian Sommer
Impfen auch "am oder im Wirtshaus"
In Bayern ist man ebenfalls in puncto "Drive-In-Impfen" nicht untätig geblieben. Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder, vermehrt auf dieses Konzept setzen zu wollen, wurde der CSU-Vorsitzende am Dienstag konkreter. Man wolle ein unkompliziertes "Impfen-to-go" anbieten, unbürokratisch, ohne viel Papierkram.
Möglichkeiten zur Impfung soll es in Bayern dann unter anderem in Schwimmbädern, bei Fast-Food-Ketten, Vereinen und "am oder im Wirtshaus" geben. Auch "Familiensonntage" für Eltern und Kinder ab 12 Jahren sollen in Impfzentren angeboten werden, wenn es nach Söder geht.
Unternehmen unterstützen Impf-Aktionen
Deutschlandweit stehen auch Unternehmen dem Vorhaben allgemein positiv gegenüber. "Grundsätzlich unterstützen wir alle Maßnahmen, die zu einer schnellen und erfolgreichen Pandemiebekämpfung beitragen", erklärt beispielsweise ein Pressesprecher der Baumarktkette Toom auf Anfrage von watson. Man sei grundsätzlich bereit, auch die Errichtung von mobilen Impfstationen zu unterstützen.
"Wenn die Kunden zu uns in den Markt kommen, in diesem Zusammenhang auf die Impfmöglichkeit aufmerksam werden und diese nutzen, ist das aus unserer Sicht eine wichtige und richtige Maßnahme, die wir gerne befürworten." Man müsse aber immer die jeweiligen Vor-Ort-Gegebenheiten individuell prüfen.
Discounter bieten Impfungen an
Auch Discounter wie Aldi Nord unterstützen die Impfkampagne des Bundes "ausdrücklich." Auf watson-Anfrage gab sich das Unternehmen in Bezug auf mögliche Impfaktionen offen. Derzeit plane man in Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Impfaktionen auf den Parkplätzen an Märkten im Kreis Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen ins Leben zu rufen.
Außerdem hätten einige der insgesamt 28 Regionalgesellschaften eigene Impfaktionen durchgeführt. Diese erfolgten vor allen Dingen in Regionen bei denen der Bedarf an Impfungen groß, "und die Wartezeit in den Impfzentren oder in den Hausarztpraxen zu lang war."
Die Supermarktketten Edeka und Netto halten sich gegenüber möglichen Einrichtungen für Impfungen von Kunden bedeckt. Auf Anfrage hieß es nur, dass "Aufklärung eine der zentralen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie" gewesen sei. Man unterstütze deshalb als Edeka und Netto Marken-Discount das Projekt "Corona stoppen".
Die Drogeriemarktkette Rossmann erteilte einer möglichen Impfaktion für Kunden dagegen vorerst eine Absage: "Eine punktuelle Einrichtung von Impfzentren an Filialstandorten ist derzeit nicht geplant", so eine Pressesprecherin.
Fast-Food-Kette sagt Hilfe zu
Die Fast-Food-Kette McDonalds dagegen will in Sachen Pandemiebekämpfung die Kommunen unterstützen. Man stelle "bereits jetzt Flächen für mobile Impfteams an ausgewählten Restaurantstandorten zur Verfügung." Dies geschehe in jeweils direkter Absprache zwischen den Restaurants und Impfzentren, sobald diese Bedarf an das Franchiseunternehmen anmelden würden.
Überlegungen, einen Impfanreiz über die Ausgabe von Rabatten, Gutscheinen oder ähnliches zu schaffen, gebe es allerdings nicht, so das Unternehmen gegenüber watson.
Kommunen werden kreativ
Auch in den Kommunen wird überlegt, wie Impfungen so unkompliziert wie möglich für die Bürgerinnen und Bürger gemacht werden können. So gibt es in Leipzig, wie in ganz Sachsen, vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) organisierte mobile Impfteams in Altenheimen, Seniorenbegegnungsstätten und teilweise in Unternehmen.
"Seit Mitte Juli haben wir mit Unterstützung des Kommunalen Eigenbetriebs Leipzig/Engelsdorf das Angebot ausgeweitet und die Impfteams gehen in viele Stadtteile", so Martina Menge-Buhk, Pressebeauftrage der Stadt Leipzig zu watson.
Dort könnten sich die Menschen ohne Termin in soziokulturellen Zentren, Sporthallen, in einer Kirche oder einem Begegnungszentrum impfen lassen.
Berlin plant "lange Nacht des Impfens"
In Berlin geht man einen ähnlichen Weg, und ergänzt bereits bestehende Impf-Angebote wie Schwerpunktimpfungen in Kiezen durch die bereits angesprochenen Drive-In- und Walk-in-Impfangebote in Lichtenberg und Neukölln.
Eine lange Schlange bildet sich vor der Impfstation an der Ikea-Filiale Lichtenberg, bei dem man sich auch ohne Auto anstellen kann. Auf dem Parkplatz der Ikea-Filiale in Lichtenberg kann sich jeder spontan ohne Termin impfen lassen.Bild: dpa / Fabian Sommer
"In den Corona-Impfzentren Messe, Tegel und Erika-Heß-Eisstadion können sich Bürgerinnen und Bürger nachmittags ohne Termin spontan impfen lassen", sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Berlin.
Außerdem plant Berlin eine "lange Nacht des Impfens" in einem Berliner Impfzentrum sowie Impfstationen an Berufsschulen. Vor allen Dingen jüngere Menschen stehen in Berlin im Fokus. So gingen nach Auskunft der Stadt "seit Ende der vergangenen Woche rund 550.000 Schreiben von Senatorin Kalayci an die 18 bis 30-Jährigen raus, mit denen Sie für das Impfen wirbt."
Hamburg impf im örtlichen Jobcenter
In Hamburg wird besonders Wert daraufgelegt, auch Menschen, die aus sozial schwächeren Strukturen kommen, ein Impfangebot zu unterbreiten. Bereits Anfang Juni hatte Hamburg bundesweit erstmals Leistungsempfängerinnen des Arbeitslosengeld II gezielt zu Corona-Schutzimpfungen eingeladen, die direkt im örtlichen Jobcenter-Standort stattfanden.
"Auf diese Weise haben wir in den vergangenen Wochen weitere rund 40.000 Jobcenter-Kunden angesprochen", so Anja Segert, Pressesprecherin der Sozialbehörde von Hamburg.
Zudem biete man unter anderem spontane Impfmöglichkeiten in Bürgerhäusern, Stadtteilzentren, bei Religionsgemeinschaften, Elternschulen und beruflichen Schulen an. "Wir greifen dabei auf das geschulte Personal aus dem Zentralen Impfzentrum zurück."
Bei der Auswahl von Orten würden Institutionen, die über eine Räumlichkeit hinaus auch ein eigenes Netzwerk haben, auch ihre Communities, Nachbarschaften und weitere Gruppen ansprechen.
Köln geht in die sozial schwächeren Räume
Die Stadt Köln hat ebenfalls schon im Mai im Rahmen eines Pilotprojektes im Stadtteil Chorweiler mit Schwerpunktimpfungen in vulnerablen Sozialräumen begonnen. Weitere Impfaktionen fanden anschließend in folgenden Stadtteilen statt: Meschenich, Finkenberg, Kalk, Vingst, Humboldt/Gremberg, Mülheim, Kalk-Süd, Höhenberg, Neubrück, Ostheim und Bilderstöckchen, so das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Corona-Impfbusse, Late-Night-Impfaktionen, Mobile Impfteams, ein Aktionstag in Moscheen und vieles mehr: Auch die Stadt München schafft weitere Impfangebote.
Mobile Impf-Busse (wie hier in Nürnberg) sollen helfen, das Impfangebot zu vereinfachen.Bild: Sportfoto Zink / Daniel Marr / Sportfoto Zink / Daniel Marr
Kommunen und Unternehmen signalisieren also Bereitschaft, sich gegen die wachsende "Impfmüdigkeit" zu stemmen. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern diese Aktionen dazu führen, die Anzahl der Geimpften wieder hochschnellen zu lassen.
Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt indes seit kontinuierlich drei Wochen an. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Mittwochmorgen lag sie bei 15,0. Binnen eines Tages waren 2768 Corona-Neuinfektionen registriert worden.