Gesundheit & Psyche
Deutschland

Coronavirus: Malaria-Medikament soll helfen – Virologe sieht das kritisch

Im NDR-Podcast beantwortet Virologe Christian Drosten Fragen zum Coronavirus.
Im NDR-Podcast beantwortet Virologe Christian Drosten Fragen zum Coronavirus.Bild: dpa/Britta Pedersen
Gesundheit & Psyche

Malaria-Medikament soll gegen Corona helfen – Virologe sieht das kritisch

20.03.2020, 07:2320.03.2020, 09:47
Mehr «Gesundheit & Psyche »

Eigentlich eine Meldung, auf die viele Menschen gewartet haben: Scheinbar gibt es ein Mittel gegen Covid-19. Dabei soll es sich um das Malaria-Medikament Plaquenil oder genauer, den darin enthaltenen Wirkstoff Chloroquin, handeln.

Der hat in einer französischen Studie Betroffenen offenbar geholfen, das Virus zu bekämpfen. Die USA lassen das Medikament zur Behandlung für Covid-19 zu, wie US-Präsident Donald Trump am Donnerstag freudig verkündete. Ist doch gut, sollte man meinen.

Nicht ganz. Denn laut dem Virologen Christian Drosten hat die Studie gleich mehrere Haken, die aufkommende Freude vorerst drosseln. Im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" erklärte er, weshalb die Studie nicht so vielversprechend ist, wie sie scheint.

Warum ein Malaria-Medikament?

Der Wirkstoff Chloroquin ist bereits seit Jahrzehnten eine zugelassene Substanz. Entsprechend liegt es nahe, diese auch für Tests zu nutzen, die nicht mit Malaria in Verbindung stehen – zumindest in einer Petrischale. Denn es wäre mehr als fahrlässig, Menschen ein Medikament gegen einen Erreger zu verabreichen, ohne zu wissen, wie der Körper darauf reagiert.

Nun stellt sich die Frage, wieso von den Millionen zugelassenen Substanzen ausgerechnet dieses für die Forschung an Covid-19 genutzt wurde. "Wir wissen schon lange, dass das Medikament gegen das alte Sars-Coronavirus in Zellkulturen hilft", sagt Drosten.

Denn als Forscher zwischen 2002 und 2003 verzweifelt nach einem Medikament gegen die Sars-Epidemie suchten, stießen sie schon damals auf Chloroquin. In der Petrischale hemmte es den Erreger, sich weiter zu vermehren. Das muss nicht heißen, dass es denselben Effekt bei Menschen hat:

"Oft müssen Substanzen im Körper nochmal verstoffwechselt werden, um den Wirkstoff zu erhalten, der letztlich gebraucht wird. Da aber Zellen in der Petrischale und im menschlichen Körper unterschiedliche Stoffwechseleigenschaften haben, muss ein Medikament, das in der Petrischale funktionierte, das nicht unbedingt im Körper tun."
Christian Drosten (Virologe)Ndr

Jung gegen alt

Nun zeigt die Studie aus Frankreich, dass Chloroquin allem Anschein nach gegen das neuartige Coronavirus hilft, wenn es sich bereits im Körper befindet. Dafür teilten Forschende 24 Betroffene in zwei Gruppen. Eine wurde mit dem Wirkstoff behandelt und die andere nicht. Und siehe da: Die behandelte Gruppe hatte am Ende der Untersuchung keine Erreger mehr im Körper – die andere Gruppe hingegen schon.

Allerdings gibt es gleich mehrere Probleme, abgesehen von der offensichtlich viel zu kleinen Versuchsgruppe. Da wäre der Altersunterschied: Die Patienten, die das Medikament bekamen, waren durchschnittlich 51 Jahre alt, die nicht-behandelten rund 37 Jahre. Die Probanden wurden danach eingeteilt, ob sie die Erlaubnis bekamen, das Medikament zu nehmen oder nicht.

Entsprechend vermutet Drosten, dass es den jüngeren Probanden schlicht nicht erlaubt wurde, das Medikament zu nehmen, da sie keine oder weniger schwere Symptome ausprägten und zudem nicht zur Risikogruppe gehörten.

Wie lange waren sie infiziert?

Und damit kommt Drosten zum zweiten großen Problem: die Zeit. "Es ist unklar, wie lange die Probanden das Virus zu Beginn der Studie in sich trugen", sagt er. Das haben die Forschenden nicht festgehalten. Problematisch, da die behandelte Gruppe möglicherweise weiter fortgeschritten im Infektionsverlauf war.

Es kann also gut sein, dass das Immunsystem der Probanden das Virus mit der Zeit von allein erledigte. Entsprechend hat es den Malaria-Wirkstoff vielleicht gar nicht erst gebraucht.

"Bei allen schlimmen Bildern im Fernsehen müssen wir uns selbst immer wieder klar machen, dass die meisten Betroffenen von selbst wieder ausheilen."
Christian Drostenndr

Zuletzt bemängelt Drosten, dass der Virus-Nachweis nicht in der Lunge erfolgte, wo die größte Gefahr besteht, sondern im Hals. "Was der Patient im Hals hat, hat klinisch nichts damit zu tun, wie es mit der Erkrankung weitergeht." Also ob ein Patient schnell auskuriert oder nicht.

Weitere Forschung nötig

Drosten betont, dass es nicht sein Ziel sei, die Forschenden aus Frankreich niederzumachen. Bei dem Malaria-Mittel wolle er auch nicht zu absolutistisch sein. Allerdings bedarf es weiterer Forschung, bevor von einem nachgewiesen wirksamen Medikament die Rede sein kann.

Und die Forschung ist bereits im Gange. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte kürzlich dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", dass die Bundesregierung mehrere Studien begleite, die die These um den Wirkstoff prüfen. Entsprechend heißt es erstmal: abwarten.

(tk)