Covid-19, Sars-CoV-2 oder Coronavirus: Die Pandemie, die immer heftiger auch Deutschland erreicht, hat viele Namen. Dabei wissen wir immer noch nicht genügend über das Virus und lernen beinah stündlich dazu. Auf politischer Ebene entschied sich am Freitag mit Bayern das erste Bundesland für eine Ausgangsbeschränkung ab Freitagnacht, andere zogen nach.
Wissenschaftlich informiert vor allem der renommierte Virologe Christian Drosten die Bevölkerung täglich über neue Erkenntnisse.
Im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" am Freitag sprach der Leiter der Virologie der Berliner Charité über hohe Opferzahlen bei Männern und erklärt, warum der Sommer zumindest einen kleinen Effekt auf das Virus haben könnte. Zudem erzählt er, warum um Ostern herum vielleicht ein Wendepunkt enstehen könne.
Bisher wissen wir, dass die Opfer von Corona meistens alt, vorerkrankt und männlich sind. Wie "Zeit Online" recherchierte, waren von 33 Corona-Toten in Deutschland zwei Drittel männlich. Drosten mutmaßt, dass dies unter anderem mit dem Rauchen zu tun haben könnte.
Der Virologe betonte im Podcast zwar, dass keine erwiesenen Gründe bestehen, warum es einen Überschuss von männlichen Patienten gibt. Doch er sagte auch: "Klar ist aber, dass sowohl in China vor allem die Männer rauchen und klar ist auch, dass in der Generation von den Patienten, die jetzt gefährdet sind, vor allem die Männer ihr Leben lang viel geraucht haben."
Zudem seien aber auch beim männlichen Geschlecht in dieser Altersgruppe die Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen höher. "Das spielt alles in dieses Profil mit rein." Drosten hat einen einfachen Tipp, um sich vor Corona zu schützen: "Es ist immer ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören, aber jetzt wahrscheinlich ein besonders guter."
Drosten hatte schon zuvor seine Einschätzung transparent korrigiert, dass höhere Temperaturen das Virus offenbar doch nicht wie erwartet eindämmen können. Am Freitag sagte der Virologe aber: "Es wird schon einen kleinen Effekt geben." Demnach nehmen endemische Viren über den Temperatureffekt in ihrer Häufigkeit ab. Mit endemischen Viren meint er solche, die fortwährend gehäuft in der Bevölkerung vorkommen.
Drosten erklärt dazu: "Diese endemischen Viren haben zwei Probleme, wenn es warm wird. Ein Dauerproblem, denn es gibt eine Bevölkerungsimmunität." Damit meint der Virologe die bisherige Erkenntnis, dass Menschen, die mit dem Virus schon infiziert wurden, anschließend dagegen immun sind. "Obendrauf kommt noch das Problem des Sommers und alle Effekte, die das mit sich bringt." Laut Drosten komme es im Sommer zu mehr sozialer Distanzierung, weil die Menschen draußen seien. Dazu gebe es UV-Licht, Wärme und Trockenheit. "Diese Dinge sind nicht gut und nicht förderlich für die Virus-Übertragung."
Bei Viren wie der Influenza komme es durch diese Effekte zum Stopp der Übertragung. Beim Coronavirus komme es zwar wohl nicht zum Stopp, doch einer Studie nach schätzt Drosten, dass es zu einer "kleinen Verlangsamung" kommen könne. Drosten betonte aber, dass der Sommer nicht alleine das Virus aufhalten könne und man zusätzliche Maßnahmen ergreifen müsse.
Weil in den vergangene Tagen eine Ausgangssperre immer wieder thematisiert wird, äußert sich auch Drosten dazu, obwohl es ein politisches Thema ist. In Frankreich, Belgien, Spanien oder Italien gibt es eine solche schon. Aber wie lange muss eine Sperre aufrechterhalten werden, damit sie eine Wirkung zeigt zur Eindämmung des Infektionsgeschehens?
Drosten sagt dazu: "Das ist alles relativ schwer zu sagen, weil die Ausgangssperre eine von mehreren Maßnahmen ist." Zuvor gebe es Schulschließungen, die Verfolgung und Isolierung von Infizierten sowie die Quarantäne des Umfelds. Weil alle diese Maßnahmen zusammenkommen, sei es relativ schwer zu ermitteln, was die Ausgangssperre noch für einen Unterschied oder Effekt habe. "Dafür gibt es überhaupt keine Daten, weder in Deutschland noch irgendwo anders in anderen Studien."
Das Urteil von Drosten: "Man kann nicht sagen, ob es wirklich besser ist, wenn man zusätzlich noch Ausgangssperren macht." Die Politik könne die Entscheidung nur durch Beobachtungen treffen, also anhand dessen, wie viele Leute sich daran halten, zu Hause zu bleiben. Das sei laut Drosten extrem schwer zu beurteilen: "Ich glaube, wir müssen als Wissenschaftsgemeinschaft diejenigen Experten jetzt identifizieren, die die Daten liefern können." Das könnte mehrere Wochen dauern. Erst anschließend könne man beurteilen, was für einen Gewinn man durch eine Ausgangssperre habe.
Der Vorteil: Sobald es diese Daten gebe, könne man andere Maßnahmen wieder rückgängig machen. Drosten hoffe, dass man vielleicht "um Ostern herum" eine bessere Entscheidungsbasis habe. Drosten betont: "Denn es muss ja weitergehen. Man kann ja nicht sagen: Man macht die Maßnahmen immer strikter, ohne zu wissen, ob das einen Unterschied bringt. Oder ob man schon die Durchschlagskraft erreicht hat, die man braucht."
Sein Eindruck als Privatmensch, nicht als Virologe, sei seit dem Weg zur Arbeit am Freitag: "Ich habe heute morgen das erste Mal das Gefühl gehabt, dass die Straßen wirklich leer sind. Und zwar auch in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg, wo wir wissen, dass ganz viele junge Leute unterwegs sind, die sich eigentlich wenig drum scheren." Sein Fazit: "Heute ist mein Eindruck tatsächlich, dass sich so richtig etwas geändert hat."
Trotzdem sei es laut Drosten in Ordnung, wenn man mal an die frische Luft gehe, wenn man drauf achte, keine anderen Leute zu treffen. Auch Sport sei generell zu empfehlen: "Es ist vollkommen ungefährlich, zum Joggen rauszugehen." Dinge, die man auf Entfernung zu anderen Menschen tun könne, seien in Ordnung.
(bn)