Viele sind in Kurzarbeit, viele fürchten um ihren Job, viele können geliebte Menschen nicht mehr sehen: Die Corona-Schutzmaßnahmen haben einige unangenehme Konsequenzen zur Folge. Gesamtgesellschaftlich bewegen wir uns derzeit auf völlig unbekanntem Terrain.
Auch der Virologe Christian Drosten äußert sich zu diesem Thema und zeigt sich schockiert: "Was die Lockdown-Maßnahmen für Konsequenzen haben, ist absolut schrecklich", sagt er im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".
Doch er sieht eine Maßnahme, die den Lockdown schnell beenden könnte: das massenhafte Installieren von Smartphone-Apps.
Dabei bezieht er sich auf eine Studie der Universität Oxford, die sich mit Apps zur automatischen Kontaktverfolgung beschäftigten. Demnach können sie dabei helfen, die Übertragungsrate des Coronavirus zu verlangsamen. Kontaktsperren könnten außerdem gelockert werden, wenn die von der Pandemie betroffenen Länder solche Apps großflächig einsetzen.
Denn: Durch eine großflächige Nutzung einer solchen App könnte verhindert werden, dass Menschen unbewusst das Virus weiterverbreiten an Personen, die davon wiederum nichts ahnen. Aber von vorne.
Laut Studie finden rund die Hälfte aller Ansteckungen bereits in der frühen Phase einer Infektion statt – also bevor erste Symptome auftreten.
Drosten schließt daraus, dass die traditionellen Maßnahmen bei Ausbruch einer Pandemie nicht funktionieren könnten. Denn erst beim Auftreten von Symptomen lässt sich jemand testen und wird isoliert. Bis dahin hat er aber womöglich bereits andere angesteckt. Mit dem Ausbreitungstempo könne man so also nicht Schritt halten.
Auch ein Lockdown funktioniere laut Drosten deshalb nur bedingt. Zwar verlangsame er das Tempo, doch letztlich müssen Menschen immer noch das Haus verlassen und könnten andere anstecken.
Statt traditioneller Maßnahmen könne also laut der Studie auch auf Apps zurückgegriffen werden. Das funktioniere so: Verspürt jemand Symptome, trägt er diese in eine App ein. Diese schickt die Informationen einem Labor zu und führt zudem eine Anmeldung für einen Test durch.
Am Ende versendet sie eine Nachricht an alle Handys, die sich in der letzten Zeit in Nähe des Betroffenen befanden. Auf wen das zutrifft, registriert die App via Bluetooth. Angedacht wären dabei alle Handys, die für mindestens 15 Minuten weniger als zwei Meter entfernt waren. Dadurch könnten sich Menschen schneller testen lassen.
Drosten wirft allerdings eine weitere mögliche Vorgehensweise ein:
Damit wäre ein Test zunächst obsolet und die Personen wären isoliert. Das hätte zur Folge, dass alle anderen Kontakte frühzeitig gewarnt werden. Geben diese dann wiederum ein, dass sie Symptome haben, würden auch sie als positiv eingestuft. Unbewusstes Verbreiten wäre damit hinfällig. Ängste damit aber wohl umso präsenter.
Eine App, wie sie in der Studie der Universität Oxford vorgestellt wurde, müsste allerdings von einem Großteil der Menschen genutzt werden. Nur so könnte umfassend informiert werden. Da es allerdings auch um Datenschutzfragen geht, muss das nicht unbedingt klappen. Die Studie zeigt jedoch zumindest eine positive Entwicklung.
Denn die Forschenden führten eine Akzeptanzumfrage in verschiedenen Ländern durch – darunter auch Deutschland. Dort sagten drei Viertel der 1033 Teilnehmer, dass sie auf jeden Fall oder wahrscheinlich besagte App installieren würden.
Das Robert-Koch-Institut sowie Teile der Bundesregierung äußerten sich bereits zu einer Handyapp als Schutzmaßnahme. Olaf Scholz sagte etwa kürzlich bei "Maybrit Illner": "Es wird intensiv an so einer technischen Plattform gearbeitet. An dieser kann jeder freiwillig teilnehmen. Wobei ich davon ausgehen würde, dass das so ziemlich jeder machen würde."
Virologe Alexander Kekulé sprach hingegen im MDR-Podcast "Kekulés Corona-Kompass" von einem möglichen Vertrauensverlust, sobald solche eine App eingeführt wird. Allerdings war das noch vor Veröffentlichung der Oxforder Studie.
(tkr)