Einen Tag vor ihrer Festnahme: Anwältin Chow Han Tung erklärte Öffentlich, die Allianz pro Demokratie werde nicht mit der Polizei zusammenarbeiten.Bild: dpa / Kin Cheung
International
In der Kampagne der Strafverfolgungsbehörden gegen
die demokratische Opposition in Hongkong sind am Mittwoch erneut vier
führende Aktivisten festgenommen worden. Die Festnahmen erfolgten auf
der Grundlage des umstrittenen neuen Sicherheitsgesetzes. Wie die
Hongkonger Allianz zur Unterstützung der patriotischen demokratischen
Bewegungen in China mitteilte, wurde die Vizevorsitzende und Anwältin
Chow Hang-tung sowie die Vorstandsmitglieder Leung Kam-wai, Tang
Ngok-kwan und Chan Dor-wai von der Staatssicherheitspolizei abgeholt.
Die Gruppe hatte früher die jährlichen Veranstaltungen in Hongkong
zum Gedenken an die Opfer der blutigen Niederschlagung der
Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in China veranstaltet. An ihren
Kerzenandachten zum Jahrestag des Massakers hatten Hunderttausende
teilgenommen. Am Dienstag, einen Tag vor der Festnahme, hatten sich
die vier Führungsmitglieder der Allianz geweigert, bei Ermittlungen
auf Grundlage des Sicherheitsgesetzes mit den Behörden zu kooperieren
und vertrauliches Datenmaterial herauszugeben. Die Gruppe wird der
"Verschwörung mit ausländischen Kräften" verdächtigt.
Zivile Organisationen unter Druck
Die Allianz wies in einem Brief an den Hongkonger Polizeichef die
Unterstellung zurück, "ausländischer Agent" zu sein. Es gebe aus
ihrer Sicht keine Rechtsgrundlage für die Forderung zur Herausgabe
der geforderten Informationen. Dabei handelt es sich um Daten und
Finanzunterlagen im Zusammenhang mit der Kooperation der Vereinigung
mit anderen prodemokratischen Gruppen.
Da die Behörden der chinesischen Sonderverwaltungsregion mit dem
Sicherheitsgesetz den Raum für Aktivitäten der Opposition massiv
beschneidet, sah sich die Allianz wie viele andere zivile
Organisationen bereits gezwungen, sich nach 32 Jahren aufzulösen.
Eine außergewöhnliche Generalversammlung seiner Mitglieder sollte den
Schritt in diesem Monat formalisieren.
Viele Oppositionsmitglieder ins Ausland geflohen
Nach den anhaltenden Demonstrationen und dem Ruf nach mehr Demokratie
in Hongkong hatte die kommunistische Führung in Peking im Sommer 2020
das Sicherheitsgesetz erlassen, das auch international auf scharfe
Kritik stieß. Es zielt auf die prodemokratische Opposition und
richtet sich vage gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch,
separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht.
Seither dient das Gesetz den Behörden in Hongkong dazu, gegen die
Demokratiebewegung vorzugehen. Dutzende Aktivisten wurden bereits
festgenommen oder warten auf ihren Prozess. Einige wurden schon
verurteilt. Aus Angst vor Strafverfolgung haben sich viele
Oppositionsmitglieder ins Ausland abgesetzt. Auch einfache Bürger
verlassen die asiatische Wirtschafts- und Finanzmetropole: In den
zwölf Monaten seit Erlass des Sicherheitsgesetzes ist Hongkongs
Bevölkerung schon um 90.000 Menschen geschrumpft.
"Ein Land, ein System"
Seit dem 1. Juli 1997 gehört die frühere britische Kronkolonie
Hongkong wieder zu China und wird als Sonderverwaltungsregion autonom
regiert. Eigentlich sollen die sieben Millionen Hongkonger bis 2047
"ein hohes Maß an Autonomie" und weiter viele politische Freiheiten
genießen. Der lange verfolgte Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" ist
aus Sicht von Kritikern mit dem Pekinger Sicherheitsgesetz jedoch
durch "ein Land, ein System" ersetzt worden.
(andi/dpa)