
Eine Frau mit Mundschutz in Nairobi.Bild: www.imago-images.de / Donwilson Odhiambo
International
In Afrika breitet sich das Coronavirus langsamer aus als andernorts. Doch die Länder leiden stark unter den wirtschaftlichen Folgen der Gegenmaßnahmen. Die Umstände sind einzigartig – und so muss der Kontinent im Kampf gegen die Pandemie besondere Lösungen finden.
17.06.2020, 17:5817.06.2020, 17:58
Seit dem ersten Corona-Fall in Afrika hängt die
Pandemie wie ein Damoklesschwert über dem Kontinent. Die
Infektionswelle werde Afrika härter treffen als jede andere Region,
hieß es anfangs. Die Gesundheitssysteme seien schwach, die Regierungen
arm. Doch Monate später haben sich viele der Annahmen nicht
bewahrheitet.
Staaten sind hart und entschlossen gegen Corona
vorgegangen und das Virus breitet sich vergleichsweise langsam aus – gleichzeitig sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der
Maßnahmen vielerorts schlimm. Immer klarer wird: Corona in Afrika,
das ist nicht zu vergleichen mit der Situation anderswo. Es braucht
eigene Wege.
So ist die Lage in den afrikanischen Ländern
Im Vergleich zur restlichen Welt hat Afrika nur wenige Corona-Fälle – noch zumindest. Bislang wurden bei 1,3 Milliarden Menschen rund 240.000 Infektionen verzeichnet. In Deutschland wurden bisher etwa 190.000 Fälle erfasst.
Ein Viertel der in Afrika gemeldeten Fälle
entfällt auf Südafrika, gefolgt von Ägypten, Nigeria und Ghana.
Ägypten hat die meisten erfassten Todesfälle, rund 1575. Einige
Staaten haben – zumindest nach offizieller Statistik – noch immer
sehr wenige Fälle, etwa Lesotho mit nur vier positiven Tests. Die
Seychellen haben seit Wochen keine neuen Fälle verzeichnet.
Afrikanische Länder haben zwei Vorteile
Afrika hatte anfangs Glück: Das Coronavirus erreichte den Kontinent
wohl später als andere Regionen. "Das hat uns Zeit gegeben, uns
vorzubereiten", sagt Ahmed Ouma, der stellvertretende Chef der
afrikanischen Gesundheitsorganisation Africa CDC.
Die meisten Staaten
verhängten sehr schnell sehr strenge Maßnahmen: Kenia etwa schloss
nach nur wenigen Fällen Schulen und Universitäten und stoppte den
internationalen Flugverkehr. Südafrika verhängte einen der
härtesten Lockdowns weltweit, samt Verbot des Alkoholverkaufs und des
Joggens. Uganda machte Schulen dicht, bevor der erste Fall überhaupt
bestätigt wurde. Das alles half wohl. Auch sind die Bürger Afrikas
weniger mobil als die anderer Regionen, was die Pandemie ausbremst.
Und Afrika hat einen weiteren großen Vorteil: die junge Bevölkerung.
Das Durchschnittsalter der Menschen auf dem Kontinent liegt bei knapp
20 – in Deutschland liegt es bei 46. Es gibt viel weniger ältere
Menschen, die schwer an Covid-19 erkranken können. Das ist aus Sicht
von Experten entscheidend. "Ein Großteil der Menschen, die bislang am
Coronavirus erkrankt sind, haben einen milden Krankheitsverlauf",
sagt Richard Mihigo, einer der Leiter der Corona-Bekämpfung bei der
WHO Afrika.
So hat sich Corona bislang vergleichsweise langsam bemerkbar gemacht.
Doch das ändert sich nun.
Mihigo sagt:
"Das Tempo der Ausbreitung wird immer schneller."
Denn in den vergangenen Wochen haben viele
afrikanische Länder begonnen, ihre Corona-Maßnahmen zu lockern. Das
müssen sie auch: Die wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen sind
schon jetzt verheerend.
Die Länder müssen mehr testen – und eine Lösung hilft enorm
"In Afrika hat jeder Monat eines harten Lockdowns einen Verlust von
2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts zur Folge", schätzt Adrian Gauci
von der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (Uneca). Für viele
Menschen Afrikas sind Lockdowns existenzbedrohend. Geschätzte 80
Prozent der Bürger arbeiten in der informellen Wirtschaft, sie können
nicht ins Homeoffice wechseln. Vier Fünftel der Bewohner von Slums
in Kenias Hauptstadt Nairobi berichteten laut einer Studie des
Population Councils, dass sie wegen der Corona-Krise ihr Gehalt
komplett oder teilweise verloren haben.
So haben afrikanische Länder kaum eine Wahl: Das wirtschaftliche
Leben muss weitergehen. Um die Pandemie trotzdem einzudämmen, ist das
Testen essenziell – doch das ist eine der größten Herausforderungen.
"Wir testen noch immer nicht genug", sagt Africa-CDC-Vize Ouma. Die
meisten Länder kommen auf dem globalen Markt nicht an genug Testkits
ran und haben auch nicht ausreichend Labor-Kapazitäten. Deutschland
führt derzeit etwa 56 Tests pro 1000 Bürger durch, in Südafrika sind
es knapp 19, in Kenia nur 2,2 und in Nigeria 0,46, wie Zahlen der
University of Oxford zeigen.
Doch einige Länder bemühen sich stark, das zu verbessern. Nigeria mit
seinen knapp 200 Millionen Einwohnern hatte anfangs nur zwei Labore,
die auf Sars-CoV-2 testen konnten, nun sind es 33, wie Adaeze Oreh,
eine hochrangige Mitarbeiterin des Ministeriums, erklärt. Etliche
Länder haben inzwischen auch ein existierendes System zum Testen auf
HIV und Tuberkulose – GeneXpert genannt – für Corona-Tests
umfunktioniert. Mit der automatisierten Plattform könnten einige
Länder nun 3000 bis 5000 Tests am Tag durchführen, erklärt
WHO-Mitarbeiter Mihigo. "Das verändert alles."
"Ein Gemeinschaftsansatz wird in Afrika funktionieren"
Inzwischen erkennen viele Regierungen: Afrika muss – und kann – im
Kampf gegen die Corona-Krise seinen eigenen Weg gehen. Die Bürger
müssen weiter zur Arbeit gehen können. Auch wenn die
Gesundheitssysteme nicht wie in China, Italien oder Deutschland
Zehntausende Corona-Patienten aufnehmen können. Und die meisten
Bürger sich nicht selbst isolieren können, da die wenigsten Platz
genug dafür haben.
Afrikanische Länder setzen zunehmend auf die starken
Gemeindestrukturen in den Nachbarschaften und Dörfern. Geschulte
Gemeindeleiter oder freiwillige Helfer sollen bei den Menschen in
ihrem Umkreis frühzeitig Covid-19-Symptome erkennen. Wenn sich
Erkrankte nicht zu Hause isolieren können, soll in der Gemeinde ein
Quarantänezentrum eingerichtet werden. Nigeria etwa setzt auf diese
Strategie.
Wenn der Kampf gegen das Coronavirus "richtig dezentralisiert wird,
dann werden die Krankenhäuser nicht überflutet", ist Oreh
überzeugt. Und wirtschaftliche Aktivitäten würden kaum gestört. Das
System hat sich schon mehrfach bewährt, etwa bei Ebola.
Africa-CDC-Vize Ouma ist sich darum auch bei Corona sicher: "Ein
Gemeinschaftsansatz wird in Afrika funktionieren."
(ll/dpa)
Erst kürzlich wurde die AfD bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Umso mehr für Kritik sorgt nun ein Interview von AfD-Chef Chrupalla auf dem Kinderkanal Kika.
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