Politik
Analyse

USA: Warum das Schulden-Debakel auch dich etwas angeht

July 9, 2020, Ukraine: A photo illustration of 100 dollar bills. Ukraine - ZUMAs197 20200709_zab_s197_006 Copyright: xIgorxGolovniovx
Den USA drohen eine heftige Staatspleite.Bild: imago images / ZUMA Wire
Analyse

USA: Warum das Schulden-Debakel auch dich etwas angeht

Ein obskures Gesetz aus dem Ersten Weltkrieg droht, die amerikanische Wirtschaft und damit auch die Weltwirtschaft in den Abgrund zu stoßen.
18.05.2023, 15:45
Philipp Löpfe / watson.ch
Mehr «Politik»

Stell dir vor: Du hast eine Festhypothek, deren Frist abläuft. Dann gehst du zu deiner Bank und erklärst ihr: "Ich zahle nur, wenn ihr mindestens 100 Mitarbeiter entlasst und alle Boni kürzt." Klingt absurd? Ist es auch, aber genau ein Vorgang nach diesem Prinzip spielt sich derzeit im amerikanischen Kongress ab – und das ist alles andere als lustig.

Ermöglicht wird dieses absurde Schauspiel dank eines Gesetzes von 1917. Wegen des Ersten Weltkrieges wurde es damals eingeführt, um eine bessere Kontrolle über die Staatsausgaben zu ermöglichen. Es besagt, dass der Kongress nicht nur das Budget absegnen muss, sondern auch eine Schuldenobergrenze festlegen kann. Will heißen, der Kongress muss auch seine Zustimmung zu bereits getätigten Ausgaben geben.

16.05.2023, USA, Washington: Kevin McCarthy, Vorsitzender des Repräsentantenhauses, und Mitch McConnell, Führer der Minderheit im Senat, sprechen mit Reportern nach einem Treffen mit Präsident Biden i ...
Gibt er nach? Kevin McCarthy, Speaker im Abgeordnetenhaus.Bild: AP / Manuel Balce Ceneta

Die Schuldenobergrenze ist ein Gesetz, das nur die USA kennen und von Nichtamerikanern nicht verstanden wird. Kein Wunder: Die Republikaner benutzen es derzeit als schamlose Erpressung. Weil sie derzeit über eine knappe Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen, wollen sie die Schuldenobergrenze nur dann anheben, wenn die Biden-Regierung massive Zugeständnisse macht.

Nochmals zum Mitschreiben: Es handelt sich hier um bereits getätigte Ausgaben, und ein Großteil dieser Schulden ist noch in der Amtszeit von Donald Trump angehäuft worden.

Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update! Hier findest du unseren Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne hier auch auf Instagram.

Warum die Demokraten eine "saubere" Regel wollen

Die Republikaner und Kevin McCarthy, ihr Anführer im Abgeordnetenhaus, umhüllen ihre Erpressung mit einem Mantel der Tugend. Sie haben kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das drastische Kürzungen bei den Sozialabgaben und den Förderungen von nachhaltigen Energieprojekten vorsieht, wohl wissend, dass die Biden-Regierung dieser Forderung niemals nachkommen wird. Die Demokraten ihrerseits beharren darauf, dass die Schuldenobergrenze "sauber", will heißen ohne Einschränkungen genehmigt wird.

Das Anliegen der Demokraten ist berechtigt, denn ihrerseits haben sie während der Amtszeit von Trump die Schuldenobergrenze zweimal "sauber" angehoben. Das ist auch sinnvoll, denn jeder Buchhalter weiß, dass das Gerangel um die Staatsausgaben bei der Genehmigung des Budgets erfolgen muss, und nicht, wenn die Ausgaben bereits getätigt worden sind.

Wie heuchlerisch die Republikaner handeln, zeigt einmal mehr das Verfahren ihres Leithammels Donald Trump. Dieser hat die Republikaner offen aufgefordert, die Schuldenobergrenze nicht anzuheben. In der desaströsen CNN-Townhall vom vergangenen Mittwoch wurde er darauf angesprochen, denn als Präsident hatte er seinerzeit erklärt, an der Anhebung der Schuldenobergrenze führe kein Weg vorbei. Weshalb er jetzt seine Meinung geändert habe, wurde er gefragt.

Seine Antwort ist an Zynismus nicht zu überbieten. "Damals war ich Präsident", so Trump. "Jetzt bin ich es nicht."

Der Verdacht, dass es den Republikanern nicht darum geht, den Staatsschuldenberg abzutragen, ist berechtigt. Dank der äußerst knappen Stimmenverhältnisse im Abgeordnetenhaus können die "Durchgeknallten" in den Reihen der Grand Old Party (GOP) – Matt Gaetz, Marjorie Taylor Green, Lauren Boebert etc. – weit über ihrer Gewichtsklasse boxen.

Sie haben den Speaker McCarthy in der Hand, denn sie haben dafür gesorgt, dass dieser 15 Abstimmungen überstehen musste, um sein Amt überhaupt antreten zu können. Zudem musste er einer Regel zustimmen, die vorsieht, dass ein einzelner Abgeordneter seine Absetzung verlangen kann.

FILE - Rep. Marjorie Taylor Greene, R-Ga., joined at left by Rep. Matt Gaetz, R-Fla., speaks at a news conference about the treatment of people being held in the District of Columbia jail who are char ...
Boxen weit über ihrer Gewichtsklasse: Matt Gaetz und Marjorie Taylor Greene.Bild: AP / J. Scott Applewhite

Die "Durchgeknallten" wollen im Verbund mit Trump ein Chaos herbeiführen. Auf diese Weise hoffen sie, 2024 wieder an die Macht zu kommen. Wird die Schuldenobergrenze bis zum 1. Juni nicht angehoben, dann ist ein Chaos nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.

Finanzministerin Janet Yellen hat bereits angekündigt, dass zu diesem Zeitpunkt die amerikanischen Staatskassen ohne Anhebung leer sein werden, und sie auch alle Tricks, eine Staatspleite zu vermeiden, ausgeschöpft habe. Das heißt konkret, dass die USA erstmals in ihrer Geschichte ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können.

Die Folgen einer US-Staatspleite sind unabsehbar, aber auf jeden Fall katastrophal. Beamte, Polizisten und Feuerwehrleute erhalten keinen Lohn mehr, Sozialleistungen werden nicht mehr ausbezahlt und Schulden nicht mehr bedient. Die Folgen wären eine schwere Rezession der Wirtschaft und die Vernichtung von Millionen von Arbeitsplätzen. Auch mit einer schweren Krise des Finanzwesens müsste gerechnet werden.

FILE - Treasury Secretary Janet Yellen takes questions from journalists during a press conference, at the G7 meeting of Finance Ministers and Central Bank Governors, at Toki Messe in Niigata, Japan, T ...
Warnt vor einer Staatspleite: Finanzministerin Janet Yellen.Bild: AP / Shuji Kajiyama

Die Krise würde zudem nicht auf die USA beschränkt bleiben. Der amerikanische Markt ist für die Weltwirtschaft von größter Bedeutung und in der Finanzwelt läuft ohne den Dollar gar nichts. Der Greenback ist die Leitwährung der Welt, rund 60 Prozent aller internationalen Transaktionen werden darin abgewickelt. Zentralbanken rund um den Globus halten daher T-Bonds, amerikanische Staatsanleihen, im großen Stil in ihren Büchern, um so die Importe ihres Landes zu finanzieren.

US-Pleite ein Triumph für China

Bisher konnten sie dies guten Gewissens tun, denn wie erwähnt, sind die USA ihren finanziellen Verpflichtungen immer und verlässlich nachgekommen. Sollten sie es nach dem 1. Juni nicht mehr tun, wäre dies ein gewaltiger Schock für das internationale Finanzsystem – und ein gewaltiger Triumph für China.

Peking arbeitet seit längerem daran, die Stellung des Dollars zu unterminieren. Eine amerikanische Staatspleite wäre für China daher, wie wenn Geburtstag, Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen würden. Für den Westen, und damit auch für die Schweiz, hingegen wäre es ein Desaster. Vergessen wir nicht: Die USA sind nach der EU unser wichtigster Handelspartner.

Das Schuldenobergrenzen-Schmierentheater ist bereits 2011 schon einmal aufgeführt worden. Damals zwangen die Vertreter der Tea Party die Regierung von Barack Obama zu Konzessionen. Im letzten Moment konnte man sich einigen und eine Katastrophe verhindern.

Darauf hofft man auch diesmal, und es gibt optimistische Anzeichen: Am Dienstag haben sich die Anführer der beiden Parteien im Kongress mit dem Präsidenten zu einer Krisensitzung getroffen und Joe Biden hat einen Teil seiner geplanten Asien-Reise abgesagt.

HANDOUT - 11.04.2023, China, Zhanjiang: Auf diesem von der Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichten Foto hält Xi Jinping, Präsident von China, eine Rede während seines Besuchs im Marinehauptquartier ...
Chinas Staatspräsident Xi Jinping wäre wohl glücklich über eine Staatspleite der USA.Bild: Xinhua/AP / Li Gang

Nach dem Treffen äußerten sich alle Beteiligten optimistisch. Doch die Differenzen sind nach wie vor groß – und im Vergleich zu den aktuellen Durchgeknallten der GOP waren die Vertreter der Tea Party seinerzeit vernünftige Staatsmänner. Und viel Zeit bleibt nicht mehr, die Uhr tickt.

Warum Podcasts im Wahlkampf immer wichtiger werden

Wer die deutsche Podcast-Landschaft einigermaßen kennt, hat schon mal von "Hotel Matze" gehört. Seit 2016 gibt es das Interview-Format von Matze Hielscher – und man muss schon konzentriert nachdenken, damit einem ein paar angesagte deutsche Promis einfallen, die noch nicht bei ihm zu Gast waren.

Zur Story