Politik
Analyse

Minneapolis: Abschaffung der Polizei – was hinter der Schlagzeile steckt

A police officer holds a tear gas launcher during a protest against the death in Minneapolis police custody of African-American man George Floyd, in Minneapolis, Minnesota, U.S., May 29, 2020. REUTERS ...
Beamte des Minneapolis Police Department. Die Gemeinde diskutiert gerade eine Auflösung ihrer örtlichen Polizei.Bild: reuters / LUCAS JACKSON
Analyse

Schafft Minneapolis seine Polizei ab? Was hinter dieser Nachricht steckt

09.06.2020, 21:3109.06.2020, 21:42
Mehr «Politik»

"Minneapolis will Polizei abschaffen" und "Minnea ohne Police": Zwei deutschsprachige Schlagzeilen zu einer Nachricht aus der US-amerikanischen Stadt Minneapolis. Es ist eine Nachricht, die – in den hitzigen Tagen nach der gewaltsamen Tötung des Schwarzen US-Bürgers George Floyd in Minneapolis und weltweiten Protesten gegen Rassismus – viele missverstanden und überinterpretiert haben. Wir klären, was wirklich passiert ist.

Was in Minneapolis passiert ist

Neun von 13 Mitgliedern des City Council, also des Stadtrats, von Minneapolis, haben am Sonntag (Ortszeit) bei einer Bürgerversammlung versprochen, für die Auflösung des Police Department, der städtischen Polizeibehörde, zu stimmen. Der Beschluss einer Auflösung der Polizei, wie ihn die Schlagzeilen nahelegen, ist noch nicht getroffen worden.

Das Minneapolis Police Department, die städtische Polizeibehörde, steht schon seit Jahren wegen übermäßiger Härte und Episoden der Brutalität in der Kritik: 2017 erschoss ein Polizist in Minneapolis eine Frau, die einen Notruf wegen einer möglichen Vergewaltigung in ihrer Nachbarschaft getätigt hatte, 2015 wurde der Schwarze Jamal Clark bei einem Polizeieinsatz getötet.

Die Stadträte haben jetzt quasi die Reißleine gezogen. Stimmen sie alle tatsächlich für die Auflösung der Polizeibehörde, würden sie damit voraussichtlich den Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, überstimmen. Der ist gegen die Auflösung. Für diese Position war Frey kürzlich von wütenden Demonstranten öffentlich ausgebuht und beschimpft worden.

Wie geht es jetzt weiter?

Kurz gesagt: Das wissen die Stadträte in Minneapolis noch nicht so genau. Das Police Department soll zwar nach ihrem Willen in seiner jetzigen Form abgeschafft werden. Laut mehreren US-Medien sollen dazu in den kommenden Tagen Pläne erarbeitet werden. Wie die aussehen, ist noch nicht bekannt.

Wird die Behörde tatsächlich abgewickelt, könnte sie von Grund auf neu aufgebaut werden. Bestimmte Aufgaben der Polizei könnten dann auf andere staatliche Bedienstete, wie etwa Sozialarbeiter, übertragen werden, wie die regionale Zeitung "Star Tribune" schreibt.

Die Auflösung der Polizeibehörde von Minneapolis wäre nicht die erste, die die USA je erlebt hätten: In Compton, einem Vorort von Los Angeles, wurde das Police Department im Jahr 2000 aufgelöst, im Jahr 2012 die Polizeibehörde von Camden im Staat New Jersey. In beiden Fällen wurden die Behörden durch größere Einheiten ausgetauscht, die das gesamte County (eine Verwaltungseinheit vergleichbar mit Landkreisen) abdecken.

Dazu ist es hilfreich, zu wissen: In den USA sorgt nicht nur die städtische Polizei für die öffentliche Ordnung: Es gibt Polizeibehörden in den Counties, denen jeweils ein Sheriff vorsteht, es gibt Polizeieinheiten der Bundesstaaten (die sich vor allem um Verkehrskontrollen auf Bundesstraßen kümmern) – und es gibt Bundespolizeibehörden wie das FBI.

In den USA wird über die Zukunft der Polizei gestritten

Minneapolis ist zudem nur eine von vielen Städten und Regionen der USA, in denen seit George Floyds gewaltsamem Tod darüber diskutiert wird, was sich bei der Polizei ändern muss.

In New York hat Bürgermeister Bill De Blasio angekündigt, das Polizeibudget kürzen zu wollen – und stattdessen mehr Steuergeld für soziale Zwecke auszugeben. In Los Angeles hat sein Amtskollege Andy Garcetti ebenfalls konkrete Pläne, weniger für die Polizei auszugeben – und mehr für Projekte, die People of Colour zugutekommen sollen.

Damit kommen zwei der prominentesten Lokalpolitiker der USA der sogenannten "Defund the Police"-Bewegung entgegen. Sie fordert seit Jahren, weniger Geld für die Polizei auszugeben – und stattdessen mehr für Zwecke wie soziale Arbeit, die Unterstützung Obdachloser, die Prävention häuslicher Gewalt, oder Hilfsprojekte für Drogensüchtige. Bei den Protesten nach dem Tod George Floyds waren ihre Slogans an vielen Orten zu sehen. Das Argument hinter "Defund the Police": In den vergangenen Jahren sei die Polizei in den USA mit immer mehr Geld ausgestattet und teilweise militarisiert worden.

Alicia Garza, Mitbegründerin der Black-Lives-Matter-Bewegung, hat in einem Interview mit dem TV-Sender NBC erklärt, was mit dem Slogan "Defund the Police" aus ihrer Sicht gemeint ist. Es gehe nicht darum, die lokalen Polizeibehörden komplett abzuschaffen - sondern darüber zu reden, ob Teile der Polizeibudgets nicht an anderer Stelle besser ausgegben werden. "Wir sagen, wir müssen in das investieren, was unsere Gemeinschaften brauchen", sagte Garza in der NBC-Sendung "Meet the Press".

Zu viel Polizeiarbeit gehe momentan in Probleme, die mit niedriger Lebensqualität zu tun hätten, wie Obdachlosigkeit und häusliche Gewalt. Die Frage sei jetzt: "Warum können wir uns jetzt nicht darum kümmern, unsere Prioritäten neu zu setzen, damit die Menschen nicht während einer Pandemie auf die Straße gehen müssen, um zu protestieren?"

Schaffen die USA die Polizei ab?

Auf nationaler Ebene haben am Montag demokratische Abgeordnete im US-Kongress Pläne für eine Polizeireform vorgestellt, mit der unter anderem Praktiken wie Würgegriffe verboten werden sollen und es Betroffenen von Polizeigewalt erleichtert werden soll, vor Gericht zu gehen. Die Mittel für die Polizei wollen auch die Demokraten nicht kürzen. Präsident Donald Trump lehnt die Pläne ab. Auf nationaler Ebene gilt in den USA also: Eine komplette Abschaffung der Polizei ist äußerst unrealistisch.

Warum die Lage in Deutschland anders ist

Nach dem Fall George Floyd wird auch in Deutschland über Polizeiarbeit und Polizeigewalt diskutiert – und über die Frage, ob es auch bei Polizei und Sicherheitsbehörden in Deutschland ein Problem mit strukturellem Rassismus gibt. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der Funke-Mediengruppe von "latentem Rassismus" bei der deutschen Polizei gesprochen, und dafür viel Kritik von Politikern von Union und FDP und von den Polizeigewerkschaften bekommen. Auch aus den eigenen Reihen musste sich Esken kritische Töne anhören. Realistische politische Initiativen, Polizeibehörden abzuschaffen, gibt es in Deutschland nicht.

Die Auflösung einer örtlichen Polizeibehörde, wie sie in Minneapolis gerade diskutiert wird, wäre auch gar nicht möglich. Die Polizeibehörden in Deutschland sind anders organisiert als in den USA. Hierzulande sind für die Polizei fast nur der Bund und die Länder zuständig.

Der Bund verantwortet die Bundespolizei, die sich unter anderem um den Schutz der Grenzen, um Eisenbahn- und Luftverkehr kümmert. Das Bundeskriminalamt, das die Arbeit der Polizeibehörden koordiniert und bestimmte, besonders schwere Formen von Kriminalität verfolgt, untersteht ebenfalls dem Bund.

Die Polizisten, die den Menschen im Alltag auf der Straße begegnen, unterstehen in den meisten Fällen dem jeweiligen Bundesland. Nur einzelne Gemeinden in Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen haben kommunale Polizeibehörden - die sich aber, im Gegensatz zu den Police Departments in den USA, nur um kleinere Vergehen etwa im Straßenverkehr kümmern dürfen.

Donald Trump wird US-Präsident: Deshalb gibt es "Cancel Culture" nicht

Die Grünen, die haben laut konservativen und rechten Kräften immer Schuld an allem. Oder der "woke Wahnsinn". Was für viele Revisionisten eigentlich dasselbe ist. Und was machen die Woken laut rechter und konservativer Ecke? Natürlich alles wegcanceln aka zensieren, was nicht in ihre "Ideologie" passe. Die böse "Cancel Culture" ist längst ein Kampfbegriff der Rechten geworden.

Zur Story