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Olaf Scholz: Von Ungarn bis zur Schweiz – so blickt die Welt auf den Kanzler

05.02.2023, Schleswig-Holstein, Husum: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf dem Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein in der Messe Husum. Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
In Deutschland gilt Scholz als Zauderer, wie blickt der Rest der Welt auf den Kanzler?Bild: dpa / Christian Charisius
Analyse

Olaf Scholz: Von Ungarn bis zur Schweiz – so blickt die Welt auf den Kanzler

23.02.2023, 15:04
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Intern steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) häufig in der Kritik. Koalitionspartner, Opposition, Medienschaffende, Gesellschaft – alle haben am zögerlichen Kanzler etwas auszusetzen.

Wie aber wird Scholz auf der internationalen Bühne wahrgenommen? Watson hat für euch die ausländische Berichterstattung über den Kanzler gecheckt.

Großbritannien: Gewicht der Geschichte

Zumindest der Nachrichtensender BBC zeigt Verständnis für das zögernde Vorgehen des Kanzlers. Schließlich laste auf Deutschland, dem Aggressor der vergangenen beiden Weltkriege, die besondere Schwere der Geschichte. Die von Scholz ausgerufene Zeitenwende sei ein Bruch mit der bisherigen Zurückhaltung Berlins.

Einen Bruch, den laut BBC auch die Verbündeten einfordern: Deutschland soll Führung übernehmen. Mit Blick auf die langatmige Panzerdebatte zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern und das Zögern des Kanzlers verweist BBC auf ein weiteres Problem. Deutschland fühle sich verantwortlich für das Abschlachten der russischen Armee im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

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Olaf Scholz mit dem früheren britischen Premier Boris Johnson.Bild: IMAGO/ZUMA Wire

"The Guardian" hält Scholz in seiner Zögerlichkeit zugute, dass Deutschland – anders als England oder Frankreich – immer nach Osten und nach Westen blicken müsse. Außerdem müsse der Kanzler die Balance halten: zwischen der deutschen Schuld in beiden Weltkriegen, den verschiedenen Befindlichkeiten der Ampel-Koalition und der Führungsrolle in Europa. Mit der Entscheidung, die Leoparden zu befreien, habe Scholz nun den Rubikon überschritten.

USA: German Angst im Kanzleramt

Nach außen sind die USA und Deutschland eng beieinander. Der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte Ende Januar bei einer Pressekonferenz, die Deutschen seien nach wie vor vertrauensvolle Alliierte.

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Ihr Grund für den Zweifel daran: das zögerliche Auftreten bei der Lieferung der Leoparden. Scholz zeige seinen Führungsanspruch nicht, meint die "Washington Post". Und schreibt von einer eigenwilligen Mischung aus Sturheit und Schüchternheit, die der Kanzler an den Tag lege. Statt das eigene Denken zu erklären, zitiere Scholz stets die gleichen abgedroschenen Phrasen.

Deutschland verstecke sich mit Scholz an der Spitze hinter den USA: Für die "Washington Post" ist es lächerlich, dass Scholz darauf bestanden hat, dass die USA die Abrams-Panzer liefern.

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Olaf Scholz (l.) und US-Präsident Joe Biden.Bild: IMAGO/UPI Photo

Scholz werde von der deutschen Angst heimgesucht. Die "Washington Post" geht davon aus, dass Scholz mehr Angst vor einer atomaren oder chemischen Eskalation des Krieges hat als andere Staatschef:innen – und diese schon gar nicht selbst provozieren will. Scholz isoliert Deutschland im westlichen Bündnis, ist das Fazit der Zeitung – und er isoliert die SPD in der Ampel.

Gleichzeitig sei es für einen deutschen Kanzler nach wie vor heikel, schwere Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, schreibt die Nachrichtengruppe Bloomberg. Grund dafür ist die deutsche Geschichte und die Massenvernichtung im Zweiten Weltkrieg.

Frankreich: Der stille Unsichtbare

Der Kanzler tut sich schwer, ist das Fazit des Magazins "Écoréseau Business". Sie attestieren Scholz Richtungslosigkeit. Durch sein Nichts-Sagen und die viele Zweideutigkeit schüre er allgemeines Misstrauen. Das Schweigen sei seine politische Technik. Dabei würde er immer wieder von seinen Minister:innen mit Aussagen überholt – gerade von der Grünen Außenministerin Annalena Baerbock.

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Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron.Bild: dpa / Michael Kappeler

Neben dem großen internen Schweigen sei auch Scholz' Diplomatie ungenügend – und wende sich gegen Frankreich. Insgesamt, meint das Magazin, ist Scholz so warm wie der Ostseewind – also eine steife Brise.

Auch die Zeitung "Le Figaro" attestiert dem Kanzler ein nüchternes Vorgehen – während seine Außenministerin klare Ansagen mache. Das gemeinsame Luftverteidigungsprojekt "Sky Shield" von Deutschland und anderen EU-Staaten – aber eben nicht Frankreich – wurde in der Republik außerdem als krasser Affront des Kanzlers angesehen.

Schweiz: Besserwisserischer Eigenbrötler

Zu Beginn der Kanzlerschaft von Olaf Scholz wurde der "schlumpfige" Hamburger vor allem als Glückspilz gesehen. Eine Reihe unvorhergesehener Ereignisse hätten den SPD-Politiker dort hingebracht, wo er heute ist. So etwa fasst es das Nachrichtenportal "watson.ch" zusammen. Ja, und dann kam der Krieg – und die Zögerlichkeit des deutschen Staatsoberhaupts kam bei den neutralen Eidgenossen mäßig an.

Der "Tagesanzeiger" ist sich sicher: Mit seiner zögerlichen Unterstützung für die Ukraine habe Scholz Deutschland massiv geschadet. Gerade mit Blick auf osteuropäische Partner – und die EU. Scholz sei auf EU-Ebene isolierter als seine Vorgänger. Auch, weil er den "Besserwisser" besonders "penetrant" vortrage.

Spanien: Kuscheln mit Diktatoren

Die spanische Zeitung "El Pais" geht hart mit Scholz ins Gericht: Er stehe in einer Tradition deutscher Führungspersönlichkeiten, die es lieben, mit Diktatoren Geschäfte zu machen, heißt es in einem Meinungsbeitrag. Der Titel des Beitrags aus dem vergangenen November sagt schon einiges aus: "Kann man diesem Mann vertrauen?"

Der Besuch in Peking ist den Spanier:innen sauer aufgestoßen. Nach Russland werfe sich Deutschland nun China an den Hals. Die von Scholz ausgerufene Zeitenwende müsse auch im Umgang mit Autokratien ernst genommen werden.

Ungarn: Toleranz und Eiseskälte

Scholz wird in Ungarn nachgesagt, tolerant zu sein. Gerade im Vergleich zu seiner Ampelkoalition. Denn der gemeinsame Koalitionsvertrag, so schreibt es die "Budapester Zeitung" sei in vielen Teilen das Gegenteil der ungarischen Politik. In den Bereichen Migrations-, Familien- und Genderpolitik tun sich Meinungsverschiedenheiten auf. Genauso wie bei Fragen eines föderalen Europas.

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Das Verhältnis zwischen Olaf Scholz (r.) und dem ungarischen Präsidenten Viktor Orbán ist angespannt.Bild: imago images / photothek

Trotzdem wird gerade Scholz nicht als belehrend wahrgenommen. Insgesamt aber, so fasst es die Zeitung "Népszava" zusammen, sind die Beziehungen zwischen Ungarn und Deutschland eisig.

Polen: Olaf Scholz ist ein Bremsklotz

Die "Gazeta Wyborcza" ist sich sicher: An Scholz Händen klebt ukrainisches Blut. Der Kanzler habe mit seiner zögerlichen Haltung beim Thema Waffenlieferungen der Ukraine vor allem Zeit gestohlen. Innenpolitisch mag Scholz' Taktik sinnvoll sein, meint die Zeitung, für die Ukraine allerdings nicht. Wenig Verständnis bringt das polnische Blatt auch für Politiker:innen auf, die nach all den Kriegsverbrechen Russlands noch immer auf eine friedliche Lösung pochen.

"Berlin will immer Zweiter werden", heißt es beim Nachrichtenportal "Oko Press". Zu bemängeln sei die fehlende Flexibilität. Das Fazit: Mit dem Politikstil von Scholz kann Deutschland den Führungsanspruch nicht erfüllen. Was Scholz und Berlin aber sein könnten, ist eine tragende Säule Europas.

China: Ein Verbündeter auf weiter Flur?

Dass Scholz trotz massiver Kritik direkt nach der Wiederwahl Xi Jinpings nach China gereist ist, kommt bei der chinesischen Führung gut an. Wang Peng vom Institut für Staatsführung der Huazhong-Universität, erklärte gegenüber der "China Daily", dass Scholz Besuch zu einer Zeit kommt, in der die USA den Ukraine-Krieg ausnutzten, um Europa politisch zu manipulieren und auszunutzen. Dass Scholz trotz aller Kritik gekommen sei, zeige, dass Deutschland und China eine enge Verbindung hätten.

Weniger begeistert ist China allerdings von einem Meinungsbeitrag, den Olaf Scholz im Journal "Foreign Affairs" veröffentlicht hat. Darin geht es um die Zeitenwende weltweit, um den Systemwettbewerb und um die bessere Zusammenarbeit von Demokratien.

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Olaf Scholz (l.) bei einem Treffen mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping.Bild: dpa Pool / Kay Nietfeld

Scholz hat in dem Artikel dazu aufgerufen, Dialoge über die demokratische Komfortzone hinauszuführen. In China wird allein die intensivere Zusammenarbeit von Demokratien weltweit als Affront betrachtet. Denn China fühlt sich außen vor gelassen: Demokratische Länder stellten sich damit über andere Systeme, Diplomatie auf Augenhöhe sei so nicht möglich.

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