Ihre Sache war schon immer die große Bühne. Auch zur Weltmeisterschaft haben sie es geschafft. „Pussy Riot“ – das feministische Moskauer
Punk-Kollektiv ist in Russland die wohl rotzigste Gegenstimme zu Wladimir Putin. Die WM schien bis dato keinen Raum für politischen Protest zu bieten.
Im Finale aber schaffte es die Opposition dank Pussy Riot ins Rampenlicht:
Putin kennt seine Gegnerinnen eigentlich schon seit 2012. Doch mittlerweile kämpft er nicht nur gegen eine wachsende Bewegung, sondern auch gegen ein Symbol. Bei der WM flitzten neue Anhänger der Punk-Band über den Platz, darunter übrigens auch ein Mann.
Doch die Bewegung hat sich gewandelt – nur die bunten Sturmhauben sind noch immer die gleichen:
Die Geburt des Symbols "Pussy Riot"
Globale Aufmerksamkeit bekam das Kollektiv zum ersten Mal 2012. "Pussy Riot" hielt ein "Punk-Gebet" in Moskaus wichtigster orthodoxer Kathedrale ab.
Weltweit berichteten Medien vor allem über zwei der Aktivistinnen mit ihren bunten Balaclavas. Maria
Alyokhina und Nadezhda Tolokonnikova wurden wegen "Hooliganismus aus religiösem Hass" zu einer Haftstrafe von 24 Monaten Arbeitslager verurteilt.
Das löste globale Proteste aus, die bunten Sturmhauben der Gruppe verwandelten sich in Zeichen des politischen Widerstands. Die öffentliche Aufmerksamkeit für die eigentlich kleine Aktion war enorm.
Nach 21 Monaten begnadigte Putin die beiden Aktivistinnen dann schließlich, der öffentliche Druck war zu groß geworden. Sein Versuch, die Bewegung klein zu halten, war damit gescheitert.
Die Geburt der politischen Bewegung "Pussy Riot"
Das lag auch daran, dass Putin die Attraktivität und die Zahl der UnterstützerInnen der Riots Ideen-Lehre unterschätzte. Das Kollektiv bestand nie nur aus einer Punk-Band, sondern schon immer aus einem Netz an Unterstützern.
Sie orientieren sich noch heute an der sogenannten "Riot Grrrl"-Kultur. Eine feministische Jugendszene, die sich in den 90ern in den USA vom männlich dominierten Hardcore-Punk-Genre abspaltete.
Die ersten Pussy-Riot-Aktivistinnen mischten bei ihrer Gründung 2011 noch die linke Ideologie der anarchistischen Kunstgruppe "Voina" aus Moskau hinzu.
Es entstand eine Mischung aus Subkultur und oppositionellem Gedankengut. Sie begann schon vor dem bekannten "Punk-Gebet" ihre Wirkung in der Putin-kritischen Jugend in Moskau zu entfalten. Schon im Januar 2012 hatten acht Frauen auf dem Roten Platz eine Performance aufgeführt. Ihr Titel: "Putin has pissed himself"
Die russische Regierung versuchte, per Schau-Prozess und anschließender Begnadigung das Phänomen "Pussy Riot" an bestimmten Personen festzumachen, und es so zu isolieren. Zu Beginn schien das zu funktionieren.
Nach ihrem Gefängnis-Aufenthalt gingen die beiden berühmtesten Aktivistinnen und ihr Kollektiv getrennte Wege – Alyokhina und Tolokonnikova gründeten eine Organisation für die Rechte von Gefangenen. Der Rest von "Pussy Riot" sah darin einen Bruch mit ihrer aktivistischen Ideologie. "Wir haben zwei Freundinnen verloren", schrieb die Gruppe in einem offenen Brief 2014.
Danach schienen die Aktivisten aber wieder zusammenzufinden. Alyokhina wurde 2017 erneut verhaftet, nachdem sie mit einer anderen Pussy Riot-Aktivistin für die Freilassung eines inhaftierten ukrainischen Filmemachers protestierte. Anschließend tauchten immer neue Musikvideos des Kollektivs auf. Auch zusammen mit Tolokonnikova.
Das Kollektiv tourte in wechselnden Besetzungen auf Musikfestivals. Mit Hilfe eines Crowdfundings wollen die Aktivstinnen ein Theaterstück über Pussy Riot auf die Bühne bringen.
Die Videos werden immer professioneller. Die Aktionen der Bewegung so zeigt der Fall des WM-Finales finden auch weiter in Russland selbst statt. Hinter Pussy Riot stecken, so scheint es, mittlerweile weit mehr als die acht Aktivistinnen von damals. Da ist eine Bewegung entstanden.
Was bedeutet das alles für die FlitzerInnen?
Noch einmal wird Putin seine Fehler aus 2012 nicht wiederholen. Eher ist zu erwarten, dass die russische Justiz die FlitzerInnen vom WM-Finale so leise wie möglich unter Kontrolle bringen möchte. Dazu gehört es, dass Behörden jenseits der Öffentlichkeit Druck ausüben, selbst wenn die aktuellen FlitzerInnen wieder freikommen.
Klar ist aber auch, die bunten Sturmhauben sind wieder in aller Munde. Ihre Ideologie hat in der russischen Jugend Wurzeln geschlagen. Sie hat der ansonsten so makellosen WM Russlands gerade einen ordentlichen Tritt verpasst.
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