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Oxfam zu Vermögensabgabe: Lösung oder Symbolpolitik?

Trump and Vance Swearing-In Ceremony - USA Guests including Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai and Elon Musk, arrive before the 60th Presidential Inauguration in the Rotunda of the U.S. Capito ...
Schwerreich und unbescholten: Mark Zuckerberg, Lauren Sánchez, Jeff Bezos, Sundar Pichai und Elon Musk bei Trumps Inauguration.Bild: Imago images / ABACAPRESS
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Oxfam: Reiche besteuern gegen Ungleichheit – eine lächerliche Maßnahme

Milliardäre stapeln das Geld, Oxfam stapelt Vorschläge. Die Ungleichheit explodiert – und wieder einmal sollen Vermögensabgaben alles richten. Warum das naiv ist, was wirklich nötig wäre und wieso der Champagnergeruch nicht so schnell verfliegt.
20.11.2025, 17:1720.11.2025, 17:17

Es liegt Schampusgeruch in der Luft. Die Milliardär:innen in den G20-Ländern sind reicher geworden – um satte 2,2 Billionen US-Dollar. Es sind absurd hohe Zahlen, die eine aktuelle Oxfam-Analyse vorweist. So hoch, dass sie sich der Vorstellungskraft von Normalverbraucher:innen entziehen und damit auch an Schockpotential einbüßen. Um es zu verdeutlichen: Türmten die Milliardär:innen die Scheine auf, etwa in Form von Ein-Dollar-Noten, wären sie fast so hoch wie ihr Ego.

Es braucht also Gegenmaßnahmen. Oxfam nennt welche; will ein internationales Gremium gegen Ungleichheit, um Superreiche strenger zu besteuern. Möglichkeiten wären eine Vermögensabgabe oder aber strengere Erbschaftssteuern. Leider fehlt hier der Biss, um den Panzer von Superreichen zu durchstoßen. Oxfam verlässt sich zu sehr auf politische Reformen, dabei braucht es was ganz anderes: Vergesellschaftung und Klassenkampf.

Endlich strengere Vermögensabgaben! Und dann?

Doch gehen wir erst mal von einer Einführung der Vermögensabgaben aus. Die Staatskasse bekommt eine enorme Finanzspritze, weil Vermögende ein paar Prozent ihres Geldes abdrücken müssen. Wie sie das machen, ob sie Immobilien, Firmenanteile oder andere Anlagen verkaufen, lassen wir mal außen vor. Das Geld kommt an.

Um Ungleichheit abzubauen, müsste der Staat dieses anschließend entsprechend investieren. Er könnte den Wohnungsbau vorantreiben, die Sozialausgaben massiv erhöhen, mehr Geld in Bildungsinstitutionen stecken, öffentlichen Personennahverkehr kostenlos anbieten, Lebensmittel und Energie subventionieren und, und, und.

Nur welche Partei mit realistischen Regierungschancen bringt dafür den politischen Willen auf? In Deutschland keine.

Das Problem der parlamentarischen Demokratie

Kaum eine Regierung der vergangenen Jahrzehnte hat ernsthaft versucht, soziale Ungleichheit strukturell zu reduzieren – und auch heute fehlt der politische Wille. Union und SPD fahren den Sozialstaat eher zurück, plädieren teils sogar für eine Agenda 2030; die Grünen haben in der Ampel nur Mini-Reformen geliefert und die AfD lehnt staatliche Umverteilung grundsätzlich ab.

Bleibt die Linke.

Doch selbst wenn sie regieren würde: An einem Bundestag voller Kämpfer:innen für Haushaltsdisziplin und an der Schuldenbremse würde sie mit ihren Programmen scheitern. Irgendwann würde das übliche Narrativ greifen – erst Schulden abbauen, dann über Gerechtigkeit reden –, getragen von vielen Kommentator:innen, die seit Jahren vor 'zu viel Sozialstaat' warnen.

Höhere Abgaben für Reiche sind aber ohnehin unwahrscheinlich. Erfolgreiche Parteien sind auf Spenden angewiesen. Die finanzstärksten Geldgeber:innen würden sie kaum verbrämen wollen. Nationalstaatlicher Wettbewerb und der darauf fußende Anspruch, für vermögende Unternehmer:innen als Standort möglichst attraktiv zu sein, zwingen Regierungsvertreter:innen ebenfalls zum Widerstand. Alles Faktoren, die Oxfam ausblendet.

Abhängig von Superreichen

Faktisch wäre also auch ein Gremium gegen Ungleichheit nicht die Lösung des Problems, nicht unter diesen Bedingungen. Es stellt sich sowieso die Frage, inwiefern Vermögensabgaben gegen Ungleichheit helfen sollen. Sozioökonomisch passiert nicht viel, selbst wenn politische Maßnahmen für einen höheren Lebensstandard dadurch finanziert würden.

Es ist wie den Topf unter einen sprudelnden Hahn stellen und ein bisschen was abschöpfen, während das Wasser weiterläuft. Nur sind diejenigen, die das Wasser am Laufen halten, eben auch diejenigen, die von ein paar Kellen profitieren sollen.

Sie arbeiten für Superreiche, um ihre Unternehmen prosperieren zu lassen; sie zahlen Mieten an Superreiche, weil sie in deren Wohnungen leben; sie kaufen vielleicht Aktien von Superreichen, um irgendwie Erspartes an die Seite zu legen. Superreiche besitzen nicht nur viel Geld, sondern unter anderem auch Produktionsmittel und Immobilien.

Die bestehenden Klassenverhältnisse zwingen alle anderen ergo in die Abhängigkeit von denjenigen, die sie auswringen.

Sozialdemokratische Maßnahmen setzen am Vermögen an, nicht an den Besitzverhältnissen. Es bräuchte Vergesellschaftungsmaßnahmen, um Ungleichheit abzubauen – nicht nur in einem Nationalstaat, sondern auf globaler Ebene. Dann wären noch massive Investitionen in Ländern nötig, von deren Ausbeutung die G20-Staaten profitierten.

Aktuell sind in vielen Ländern nur Reformen im kleinen Rahmen möglich. Sobald diese an parlamentarische Grenzen stoßen, braucht es nicht mehr den Staat, sondern das Staatsvolk, um für reale Veränderungen zu sorgen. Und das muss sich mobilisieren und lernen, für die eigenen Interessen einzustehen. Dann verflüchtigt sich vielleicht endlich der beißende Schampusgeruch.

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