
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und das Mitte-Bündnis Blau-Weiß konnten sich bisher nicht einigen.Bild: www.imago-images.de / Yonatan Sindel/JINI
International
22.12.2020, 08:1622.12.2020, 08:16
Israels Wähler müssen voraussichtlich im
März zum vierten Mal binnen zwei Jahren an die Urne gehen. Das von
Beginn an wackelige Bündnis zwischen dem rechtskonservativen Likud
von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem Mitte-Bündnis
Blau-Weiß steht nach nur einem halben Jahr vor dem Aus. Ein letzter
Vorstoß zu einem Kompromiss scheiterte in der Nacht zum Dienstag im
Parlament.
49 der insgesamt 120 Abgeordneten stimmten gegen einen
Gesetzesentwurf, der die Verschiebung einer Frist für die
Verabschiedung eines Haushalts für das laufende Jahr um eine Woche
vorsah. 47 stimmten dafür, der Rest enthielt sich oder war nicht
anwesend. Ohne Einigung in letzter Minute löst sich das Parlament am
heutigen Dienstagabend um Mitternacht automatisch auf. In dem Fall
wird am 23. März wieder gewählt.
In der großen Koalition der früheren Rivalen Netanjahu und Gantz
hat es von Anbeginn an stark gehakt, zuletzt verschärften sich die
Spannungen. Gantz, dessen Bündnis intern zerstritten ist, erhöhte am
Montag seine Forderungen an Netanjahu. Dieser warf ihm daraufhin vor,
dem Land inmitten der Corona-Krise unnötige Wahlen aufzuzwingen.
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Regierung einen
Etat für 2020 und 2021 verabschiedet. Netanjahu hatte diese Zusage
aber zurückgezogen und wollte nur einen Haushalt für 2020. Der
Regierungschef selbst nannte die außergewöhnlichen Umstände der
Corona-Krise als Grund. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass er
damit unter anderem verhindern wollte, dass Gantz im Herbst 2021
vereinbarungsgemäß das Amt des Regierungschefs von ihm übernimmt.
Proteste und Korruptionsprozess gegen Netanjahu
Weitere Streitpunkte waren die Ernennung von Richtern und die
Befugnisse des Justizministers von Blau-Weiß. Gegen Netanjahu läuft
ein Korruptionsprozess, seit Monaten gibt es landesweit immer wieder
wütende Proteste gegen ihn auf der Straße. Auch wegen seiner
Corona-Politik geriet er immer wieder in die Kritik. Gantz hat dem
71-Jährigen vorgeworfen, er wolle alles unternehmen, um einer
Verurteilung in seinem Prozess zu entgehen.

Premierminister Benjamin Netanyahu (r.) Verteidigungsminister Benny Gantz (l.) geben eine Erklärung ab.Bild: www.imago-images.de / TAL SHAHAR
Bei einer Neuwahl könnten laut Umfragen sowohl Netanjahu als auch
Gantz schlechter abschneiden als zuvor. Auch die neue rechte Partei
Tikva Chadascha (Neue Hoffnung), gegründet von Netanjahus früherem
parteiinternen Rivalen Gideon Saar, könnte die zerstrittenen
Koalitionäre Stimmen kosten.
Schwierige Regierungsbildung
Schon drei Mal hat Israel seit April vergangenen Jahres ein neues
Parlament gewählt. Netanjahu scheiterte immer wieder mit der
Regierungsbildung, blieb aber an der Spitze einer Übergangsregierung
im Amt. Unter dem Druck der Corona-Krise kam dann im Mai das Bündnis
mit Blau-Weiß zustande. Doch von Anfang an knirschte es im Getriebe.
Obwohl die Koalition eigentlich als gleichwertige Partnerschaft
Netanjahus mit dem Ex-Militärchef angelegt war, traf der Likud-Chef
die wichtigsten Entscheidungen im Alleingang. Nach Medienberichten
hielt Netanjahu Gantz etwa bei den Verhandlungen mit US-Vermittlung
über Annäherungsabkommen mit den Emiraten, Bahrain, dem Sudan und
Marokko um Dunkeln – um damit allein glänzen zu können.

Bereits im März waren die Wählerinnen und Wähler gefragt.Bild: www.imago-images.de / Nir Alon
Der politisch unerfahrene Gantz wirkt oft schwach und dem
gerissenen Netanjahu unterlegen, der als Meister des politischen
Ränkespiels gilt. Viele politische Kommentatoren sind davon
überzeugt, dass Netanjahu nie wirklich die Absicht hatte, Gantz wie
vereinbart zur Halbzeit den Posten des Regierungschefs zu übergeben.
Vermutlich keine Mehrheit bei Neuwahlen
Das Bündnis um Gantz, das Israels am längsten amtierenden
Ministerpräsidenten ablösen wollte, ist inzwischen zerbröselt. Bei
einer Neuwahl muss Blau-Weiß sogar bangen, ob es die
3,25-Prozenthürde schafft. Viele Wähler nehmen es Gantz übel, dass er
sein Wahlversprechen gebrochen hat, indem er das Bündnis mit
Netanjahu einging.
Netanjahu muss nach einem Urnengang im März erneut mit Problemen
bei der Regierungsbildung rechnen. Zwar ist das rechte Lager nach
Umfragen stark wie nie. Es ist jedoch zersplittert zwischen
verschiedenen Parteien, deren Vorsitzende alle als bittere Rivalen
Netanjahus gelten, die selbst Regierungschef werden wollen.
Ex-Verteidigungsminister Naftali Bennett von der ultrarechten
Jamina-Partei sagte am Montag, es sei sein klares Ziel, Netanjahu
abzulösen. "Ich denke, Netanjahu und Benny Gantz sind mit einer der
schlimmsten Regierungen in der Geschichte unseres Landes
gescheitert."
(lau/dpa)
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