Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron in Irpin.Bild: www.imago-images.de / imago images
Meinung
Hübsche Bilder, ein Händeschütteln und eine erwartbare Unterstützung für einen EU-Beitritt der Ukraine. Der Bundeskanzler sollte nach seinen Versprechungen noch etwas mehr in petto haben. Ein Kommentar.
Jetzt hat er es ja doch gemacht: SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz ist nach einigem Hin und Her in den vergangenen Wochen doch in die Ukraine gereist.
Nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ausgeladen hatte, hatte sich Scholz zunächst in Zurückhaltung geübt. Er wolle nur in die Ukraine reisen, wenn die Reise auch Sinn ergebe. Ein reiner Fototermin? Nein danke!
"In den ersten Stunden wirkte die Reise von Scholz so, als wäre sie eben nichts anderes als das: ein Termin für 'hübsche' Bilder."
In den ersten Stunden wirkte die Reise von Scholz und seinen Begleitern, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem rumänischen Staatschef Klaus Iohannis, aber so, als wäre sie eben nichts anderes als das: ein Termin für "hübsche" Bilder. Eine Besichtigung im zerstörten Kiewer Vorort Irpin, ein Scholz, der seine Bestürzung über die Gräueltaten in die Kameras spiegelt, ein freundliches Händeschütteln mit Selenskyj.
Dann aber das Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten. Doch noch ist nicht viel davon an die Öffentlichkeit gelangt – abgesehen von einer persönlichen Einladung seitens des Bundeskanzlers an Selenskyj, er möge doch zum G7-Gipfeltreffen nach Bayern kommen.
Der Ukraine läuft die Zeit davon
Viel spannender sind allerdings die Inhalte, die Scholz an Selenskyj tragen will. Über sie allerdings noch immer nichts bekannt ist. Wie kommt Scholz raus aus seiner Misere? Bisher wird er heftig für seine Zurückhaltung in Sachen Unterstützung der Ukraine und eindeutiger Kritik an Russland kritisiert.
Kiew hat Forderungen an Deutschland. Und die Bundesregierung kommt diesen nur in Teilen nach. Etwa beim Thema Waffenlieferungen.
Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Tatsächlich werden Waffen schon seit einiger Zeit geliefert. Ob diese genügen, ist die andere Frage. Kiew hat hier eine Wunschliste angelegt, der Deutschland mitnichten nachkommt. Dazu hat allerdings SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gesagt, man liefere, was man könne. Schließlich müsse die Bundeswehr auch die Sicherheit Deutschlands weiterhin gewährleisten können.
Außerdem dauere es, bis das ukrainische Militär in die Waffensysteme eingearbeitet sein werde. Ende Juni könne man beginnen.
"Es war von Anfang an klar, dass die Ukraine bestimmte Waffensysteme zu einem bestimmten Zeitpunkt brauchen wird. Diesen Zeitpunkt hat Deutschland, hat die NATO verpennt."
Und das ist eindeutig zu spät. Denn der Ukraine läuft angesichts immer neuer und immer heftiger werdenden russischen Angriffen die Zeit davon. Zeit, die Deutschland ihr eigentlich hätte verschaffen können. Schließlich hat Kanzler Olaf Scholz bereits kurz nach Beginn des Krieges Ende Februar von einer Zeitenwende gesprochen. Hätte man da bereits begonnen, das ukrainische Militär auszubilden, hätte man die dringend benötigten Waffen längst liefern können.
Ein Krieg lässt sich in einigen Punkten strategisch zumindest einigermaßen vorhersehen. Es war von Anfang an klar, dass die Ukraine bestimmte Waffensysteme zu einem bestimmten Zeitpunkt brauchen wird. Diesen Zeitpunkt hat Deutschland, hat die NATO verpennt.
Bisher war Scholz' Waffen-Politik geprägt von unerfüllten Versprechungen: Am 1. Juni hatte man das Luftverteidigungssystems Iris-T SLM versprochen. Das steht allerdings erst in Monaten zur Verfügung. Auch hatte man vier Mehrfachraketenwerfern vom Typ Mars II versprochen. Naja, jetzt sind es nur noch drei.
Militärexperte Masala: "Westen bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück"
Von Munition wollen wir erst gar nicht anfangen. Die fehlt nämlich an allen Ecken und Enden.
Jetzt will Scholz aber offenbar beschwichtigen. Mit seinem Besuch versucht er offenbar, doch irgendwo noch einen Funken Unterstützung zu zeigen. Wie weit diese in puncto Waffenlieferungen geht, wird sich noch zeigen.
Der Militärexperte Carlo Masala hatte dazu übrigens im ZDF gesagt, was bisher an Waffen geliefert werde, sei nicht gerade beeindruckend. "Der Westen bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück."
Um 16.17 Uhr dann die Eilmeldung: "Kanzler Scholz fordert in Kiew EU-Beitrittsstatus für Ukraine und Moldau".
"Die Unterstützung des EU-Beitrittsantrags der Ukraine durch Deutschland als einer der führenden EU-Staaten ist ein nicht zu unterschätzender Akt."
Auch, wenn das am Ende nur symbolisch ist: Die Unterstützung des EU-Beitrittsantrags der Ukraine durch Deutschland als einer der führenden EU-Staaten ist ein nicht zu unterschätzender Akt. Hier wird dem Kreml nun eindeutig gezeigt: Wir stehen an der Seite der Ukraine. Wir sind eine Einheit, da kann auch Wladimir Putin nicht dran rütteln.
Oleksij Tschernyschow, der Sondergesandte der Urkaine für eine EU-Beitrittsperspektive, mit Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Mario Draghi in Irpin.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Doch damit ist es eben auch nicht getan. Vor allem nicht so schnell.
Wo wir wieder beim Thema Zeit wären: Die Ukraine wird, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren zur Europäischen Union gehören können. Denn um Mitglied sein zu dürfen, müssen bestimmte politische Voraussetzungen erfüllt werden. Die muss das Land erst einmal angehen. Heißt: Das dauert.
Und Scholz sollte definitiv noch etwas mehr in der Reisetasche haben, als eine erwartbare Unterstützung beim EU-Beitritt. Bisher blieben seine versprochenen "Ergebnisse" noch aus.
Also doch nur ein Fototermin? Hoffentlich nicht!
Seit der US-Wahl steht fest: Donald Trump wird erneut ins Amt des US-Präsidenten zurückkehren. Spannend war das Rennen ums Weiße Haus allemal. Doch es war ein Wahlkampf, der von starker Polarisierung und emotionaler Abneigung zwischen den beiden politischen Lagern geprägt war. Er hat die gesellschaftlichen Gräben in den Vereinigten Staaten weiter vertieft.