US-Sänger R. Kelly bei einer Anhörung im August 2021.Bild: IMAGO / ZUMA Wire
International
Vom gefeierten Pop-Superstar zum
verurteilten Sexualstraftäter: Im Missbrauchsprozess gegen R. Kelly
hat eine Jury den Musiker in allen neun Anklagepunkten für schuldig
befunden. Das verkündeten die sieben Männer und fünf Frauen am Montag
an einem Gericht in New York, nachdem sie zuvor nur knapp zwei Tage
lang beraten hatten. Der 54-Jährige war unter anderem wegen sexueller
Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung angeklagt.
Jahrzehntelange Haft droht: "Urteil brandmarkt R. Kelly"
Das Urteil nahm der "I Believe I Can Fly"-Sänger, gekleidet in
blauem Anzug und weißer Maske, Beobachtern zufolge bewegungslos mit
heruntergebeugtem Kopf auf. Dem Sänger, der seit seiner Festnahme im
Sommer 2019 im Gefängnis sitzt, droht nun eine jahrzehntelange
Haftstrafe. Das Strafmaß soll am 4. Mai 2022 verkündet werden.
"Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das
seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzliche
und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigung
auszubeuten", sagte die zuständige Staatsanwältin Jacquelyn Kasulis
nach der Verkündung. Die Jury habe eine "starke Botschaft" an Männer
wie R. Kelly gesendet: "Egal wie lange es dauert, die Justiz wird
euch kriegen." Vor dem Gericht im Stadtteil Brooklyn hatten sich auch
einige Unterstützer von Kelly versammelt.
Kellys Anwalt Deveraux Cannick sagte, der Sänger sei von dem
Urteil überrascht und enttäuscht. Die Zeugenaussagen seien voller
Widersprüche gewesen, erklärte Cannick. Sie wollten gegen das Urteil
Berufung einlegen, stellte der Anwalt in Aussicht.
Weitere juristische Aufarbeitung der #MeToo-Ära
Das Verfahren ist – nach Fällen wie denen von Filmproduzent
Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby – eine weitere viel beachtete
juristische Aufarbeitung der #MeToo-Ära. Wegen der
Coronavirus-Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozess
zuvor mehrfach verschoben worden. #MeToo-Begründerin Tarana Burke
twitterte gleich nach der Verkündung des Urteils ein kurzes Video von
einer tanzenden Frau mit dem Untertitel "Kannst du einen völlig neuen
Tag fühlen?".
Frauenrechtsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinnen in
dem Verfahren vertrat, erklärte am Montag, dass Gerechtigkeit gesiegt
habe. Von den vielen Sexualstraftätern, die sie in ihrer Laufbahn
verfolgt habe, sei Kelly der "Schlimmste" gewesen. Er habe seine
Berühmtheit dazu benutzt, Minderjährige zu missbrauchen,
einzuschüchtern und zu demütigen.
Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung
an dem Gericht vor Richterin Ann Donnelly die Missbrauchsvorwürfe
gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnten detailliert ausgebreitet,
auseinandergenommen und ihre Argumente dargelegt. Dutzende Zeugen
hatten sich zu Wort gemeldet und Hunderte Beweisstücke waren
gesichtet worden.
Kelly sagte nicht selbst aus
Kelly sei ein Sexualstraftäter, hatte Anwältin Elizabeth Geddes
für die Staatsanwaltschaft argumentiert und seine Verurteilung
gefordert. Der Musiker sei selbst Opfer – von ausgedachten
Geschichten und ausgeschmückten Erzählungen über Misshandlungen,
hatte Kellys Anwalt Deveraux Cannick für die Verteidigung erklärt.
Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, das Verfahren aber im
Gerichtssaal verfolgt.
Erste Anschuldigungen gegen den 1967 in Chicago als Robert
Sylvester Kelly geborenen Musiker wurden bereits vor rund 25 Jahren
bekannt. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren
sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht – und wurde freigesprochen.
Der Musik-Koloss schien unangreifbar auf seinem Pop-Thron – mit mehr
als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen
Auszeichnungen gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern des späten
20. Jahrhunderts.
Aber spätestens als 2019 die aufsehenerregende Dokumentation
"Surviving R. Kelly" die Anschuldigungen zusammenfasste, wurde es um
den Sänger immer einsamer. Stars distanzierten sich von ihm, zudem
Radiosender, Streaming-Dienste und dann auch sein Musiklabel RCA, das
zu Sony Music gehört.
Nach dem Urteil in New York drohen Kelly nun zudem noch weitere
juristische Auseinandersetzungen: Auch in den US-Bundesstaaten
Illinois und Minnesota liegen Anklagen gegen den Musiker
vor.
(vdv/dpa)