Nachdem Putins Vorzeigeobjekt, die Krim-Brücke, zerstört wurde, holte Russland am Montag zu einem Rundumschlag aus und griff mit Raketen mehrere Großstädte an. Laut ukrainischen Angaben wurden dabei landesweit 14 Menschen getötet und fast 100 verletzt. Es herrschte Luftalarm in der gesamten Ukraine. Zudem drohte Russlands Präsident Wladimir Putin damit, noch heftiger zu reagieren, sollten die "ukrainischen Angriffe" fortgesetzt werden.
Zuvor hatte Putin die von seiner Armee noch teilweise besetzten ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja zu russischem Staatsgebiet erklärt. Unterdessen haben Belarus und Russland nach Angaben des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko beschlossen, gemeinsame Truppen aufzustellen.
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Die Nato wird die Ukraine in deren Abwehrkampf gegen Russland mit Ausrüstung zur Drohnen-Abwehr unterstützen. In Kürze würden Hunderte sogenannte Jammer geliefert, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag nach einem Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel. Diese könnten dabei helfen, in Russland und im Iran hergestellte Drohnen unwirksam zu machen.
Jammer sind elektromagnetische Störsender. Sie senden in der Regel ein Signal aus, das die Funkverbindung zwischen der Drohne und deren Steuerungsgerät stört oder blockiert.
Die russische Armee hat nach Angaben aus Kiew in der vergangenen Woche erstmals Ziele nahe der ukrainischen Hauptstadt mit Kamikaze-Drohnen angegriffen. Den Luftstreitkräften zufolge flogen insgesamt zwölf iranische Drohnen aus südlicher Richtung auf Ziele. Auch bei den massiven russischen Angriffen in dieser Woche kamen laut ukrainischen Angaben Drohnen zum Einsatz.
Wenige Tage nach den verheerenden russischen Angriffen zum Wochenbeginn ist die Region um die ukrainische Hauptstadt Kiew offiziellen Angaben zufolge erneut mit Drohnen angegriffen worden. Explosionen habe es am frühen Donnerstagmorgen im Ort Makariw westlich von Kiew gegeben, sagte der regionale Polizeichef Andrij Nebitow. Polizisten und Rettungskräfte seien vor Ort. Über mögliche Opfer war zunächst nichts bekannt. Die Ukraine meldet seit einiger Zeit verstärkt Angriffe mit Drohnen iranischer Bauart.
Zuvor hatten die Experten des Institute for the Study of the War (ISW) berichtet, dass Russland iranische Instrukteure in die besetzten Gebiete der Ukraine gebracht habe. Diese sollten den russischen Truppen den Umgang mit den Drohnen beibringen.
Die UN-Vollversammlung hat mit großer Mehrheit Russlands "illegale Annexionen" in der Ukraine verurteilt. 143 der 193 UN-Mitgliedstaaten stimmten am Mittwoch auf einer Dringlichkeitssitzung für eine entsprechende Resolution, fünf dagegen. US-Präsident Joe Biden sprach von einer "klaren Botschaft" an Moskau. In der Abstimmung zur Resolution enthielten sich 35 Staaten, darunter China, Indien, Südafrika und Pakistan. Zuvor hatten die USA sich bemüht, Südafrika und Indien, das historisch enge Beziehungen zu Russland hat, zu überzeugen, für die Resolution zu stimmen.
Die indische Gesandte Ruchira Kamboj begründete die Enthaltung Indiens damit, dass "der gesamte globale Süden durch den Krieg erhebliche Kollateralschäden erlitten hat" und dass "dringende Probleme" in der Resolution nicht angesprochen würden. Anfang März hatten bereits 141 Staaten für eine Resolution gestimmt, in der Russland zum "sofortigen" Abzug aus der Ukraine aufgefordert wurde. Bangladesch, Irak und Senegal, die sich im März enthalten hatten, stimmten am Mittwoch für die Resolution. Russland, Belarus, Nordkorea, Syrien und Nicaragua lehnten die Resolution ab.
Die Kämpfe in der Ukraine gingen unvermindert weiter. Durch russischen Beschuss auf die Stadt Awdijiwka im Donbass seien sieben Menschen getötet worden, berichtete Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Awdijiwka ist seit 2014 die von den Ukrainern gehaltene Frontstadt gegenüber der Separatistenhauptstadt Donezk.
Der ukrainische Generalstab registrierte weitere russische Raketen- und Luftangriffe auf Wohnhäuser und Objekte der zivilen Infrastruktur. Im Lagebericht für Mittwoch aus Kiew war die Rede von drei Raketenangriffen und vier Fällen von Beschuss durch Flugzeuge. Zehnmal seien Mehrfachraketenwerfer eingesetzt worden. Von den zehn getroffenen Zielen lagen die meisten in den frontnahen Gebieten Saporischschja und Mykolajiw im Süden.
Das umkämpfte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist innerhalb weniger Tage erneut von der externen Stromversorgung abgeschnitten worden. Die derzeit stillgelegten Reaktoren und die nuklearen Brennstofflager in dem russisch besetzten AKW müssen deshalb wieder mit Notstrom aus Dieselgeneratoren gekühlt werden, wie Beobachter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vor Ort am Mittwoch berichteten.
"Dieser wiederholte Netzausfall im AKW Saporischschja ist eine zutiefst beunruhigende Entwicklung", schrieb IAEA-Chef Rafael Grossi auf Twitter. Laut IAEA verfügt das größte Atomkraftwerk Europas über Dieselvorräte, um die Kühlsysteme etwa 10 Tage lang auch ohne externen Strom zu betreiben und einen Atomunfall zu verhindern.
Wegen der Explosion auf der für Russland strategisch wichtigen Krim-Brücke sind nach Behördenangaben acht Personen festgenommen worden. "Zum derzeitigen Zeitpunkt sind im Zusammenhang mit dem Strafverfahren fünf russische Staatsbürger und drei Staatsbürger aus der Ukraine und Armenien festgenommen worden", teilte der Pressedienst des russischen Geheimdienstes FSB am Mittwoch der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit. Der Anschlag sei vom ukrainischen Militärgeheimdienst organisiert worden, berichtete der FSB weiter. Namentlich wird dessen Chef Kyrylo Budanow als Organisator genannt.
Am Samstagmorgen hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet.
Kurz nach den neuen Raketenangriffen Russlands auf Dutzende ukrainische Städte hat Deutschland das Flugabwehrsystem Iris-T SLM an das Land übergeben. Dies gab der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow auf Twitter bekannt. "Eine neue Ära der Luftverteidigung" habe nun begonnen. Ausdrücklich bedankte er sich bei Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) für ihre starke Unterstützung der Ukraine.
Deutschland will Kiew zunächst vier der jeweils 140 Millionen Euro teuren Systeme des bodengestützten Typs von Iris-T zur Verfügung stellen, die Finanzierung von drei weiteren ist gesichert. Das System besteht aus mehreren Komponenten: Radaranlage, Gefechtsstand und drei auf Lastwagen montierten Raketenwerfer.
Eines dieser Systeme kann eine mittlere Großstadt wie Nürnberg oder Hannover schützen. Iris-T SLM kann auf Ziele bis 20 Kilometer Flughöhe und 40 Kilometer Reichweite feuern. Es wird also eine Art Schutzschirm über einer Fläche gespannt. "Besonders die bodengebundene Luftverteidigung ist in der Lage, Räume über längere Zeit dauerhaft zu schützen", schreibt der Hersteller.
US-Präsident Joe Biden hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erhebliche Fehleinschätzungen im Ukraine-Krieg bescheinigt. Er halte Putin eigentlich für einen "rationalen Akteur", beim Angriffskrieg auf die Ukraine habe sich der Kreml-Chef aber "erheblich verkalkuliert", sagte Biden dem Fernsehsender CNN in einem Interview, das am Dienstag zunächst in Auszügen veröffentlicht wurde.
Putin habe vor allem den ukrainischen Widerstand gegen die russischen Besatzer unterschätzt, sagte Biden. "Er dachte, er würde mit offenen Armen empfangen werden", sagte Biden. "Ich denke, er hat sich einfach total verkalkuliert." Putin wolle ein Russland schaffen, "das alle russischsprachigen Menschen vereint", kritisierte Biden. Diese Vorstellung halte er für "irrational".
Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich im Konflikt um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja dialogbereit gezeigt. Er sei "offen für einen Dialog" mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über das Akw Saporischschja, sagte der Kreml-Chef am Dienstag bei einem im russischen Staatsfernsehen übertragenen Treffen mit IAEA-Chef Rafael Grossi in St. Petersburg. Das im Süden der Ukraine gelegene Akw wird seit März von russischen Truppen kontrolliert.
"Wir werden gerne über alle Fragen von gemeinsamem Interesse sprechen oder solche, die Anlass zur Sorge geben, zum Beispiel über die Situation rund um das Atomkraftwerk Saporischschja", erklärte Putin. Grossi bekräftigte vor dem Gespräch seine Forderung nach einer "Schutzzone" rund um das Akw. Es müsse alles getan werden, "um einen nuklearen Unfall zu vermeiden", hieß es in einer IAEA-Erklärung. Grossi betonte, die Lage werde angesichts der häufigen Angriffe "immer gefährlicher". "Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verlieren", sagte Grossi.
Die Nato hat nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg ihre Präsenz in der Ost- und in der Nordsee nach der "Sabotage" an den Nord-Stream-Pipelines verdoppelt. "Wir haben unsere Präsenz in der Ostsee und in der Nordsee auf mehr als 30 Schiffe verdoppelt", sagte Stoltenberg am Dienstag in Brüssel. Die Schiffe würden aus der Luft und von "Unterwasser-Kapazitäten" unterstützt.
Russland ist nach Angaben von Außenminister Sergej Lawrow in seinem Krieg gegen die Ukraine zu Verhandlungen mit den USA bereit – ohne aber von seinen Zielen abzurücken. "Wir haben kein ernsthaftes Angebot bekommen, mit ihnen in Kontakt zu treten", sagte Lawrow am Dienstag im russischen Staatsfernsehen über ein angebliches Gesprächsangebot der US-Regierung.
Moskau sieht Washington als Kriegspartei und Schlüssel zur Lösung des Konflikts. Wenn Washington etwa ein Treffen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel anbiete, werde Moskau dies prüfen, sagte Lawrow.
Gleichzeitig beschuldigte Russlands Chefdiplomat die USA einmal mehr, sich direkt am Krieg in der Ukraine zu beteiligen. Washington liefere nicht nur Waffen an Kiew, sondern versorge die ukrainische Führung auch mit Aufklärungsdaten von Satelliten. "Was die Grenzen der Aufgaben betrifft, die wir uns im Rahmen der militärischen Spezialoperation gestellt haben, so hat sie der Präsident formuliert, und sie ändern sich nicht. Sie werden auch erreicht", sagte Lawrow.
"Die Besatzer können uns auf dem Schlachtfeld nicht entgegentreten und deshalb greifen sie zu diesem Terror", sagte Selenskyj zu den Angriffen. Sein abendliches Video wurde nicht, wie sonst üblich, im Präsidialamt aufgezeichnet. Der Staatschef stand nach eigenen Angaben an einer beschädigten Straßenkreuzung nahe der Universität von Kiew. Hinter ihm waren Bagger, Lastwagen und anderes Räumgerät zu sehen.
In vielen Städten seien die kommunalen Dienste dabei, die unterbrochene Strom- und Wasserversorgung zu reparieren, sagte Selenskyj. Er rief die Bevölkerung auf, möglichst keine Geräte mit großem Verbrauch zu nutzen. "Je mehr Ukrainer Strom sparen, desto stabiler funktioniert das Netz." In der Hauptstadt fiel der Verbrauch nach Angaben des Versorgers Ukrenergo tatsächlich um gut ein Viertel niedriger aus als sonst an einem Herbstabend. Die Kiewer Polizei verstärkte in der Nacht zum Dienstag ihre Patrouillen.
Die Siebenergruppe führender westlicher Industriestaaten (G7) will am Dienstag in einer Videokonferenz über die verschärften russischen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine beraten. Auch Selenskyj wird dort sprechen.
In St. Petersburg trifft Russlands Präsident Putin laut Kreml den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Rafael Grossi verhandelt nach eigenen Angaben mit Kiew und Moskau über eine Schutzzone um das von Russland eingenommene ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja, um die Gefahr eines Unfalls zu bannen.
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(dpa)