Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Freitag in einem völkerrechtswidrigen Akt die Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja unterzeichnet.
Die Ukraine kann derweil weitere Gebietsgewinne im Osten und Süden des Landes verzeichnen. Russland will durch eine Teilmobilmachung 300.000 weitere Soldaten in den Krieg schicken.
Die G7-Staaten haben die "illegale Annexion" von vier ukrainischen Regionen durch Russland scharf kritisiert und angekündigt, diese niemals anzuerkennen. "Wir werden weder diese vorgeblichen Annexionen noch die mit vorgehaltener Waffe durchgeführten fingierten 'Referenden' jemals anerkennen", hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung der G7-Außenminister.
Als Reaktion auf die russische Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten verhängen die USA weitere Sanktionen gegen Russland. Die Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen weitere russische Regierungsvertreter, deren Familienmitglieder sowie Angehörige des Militärs, wie die US-Regierung am Freitag in Washington mitteilte.
Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Ukraine einen Antrag auf einen beschleunigten Beitritt zur Nato eingereicht. Die Regierung in Kiew reagiert damit auf die Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland.
Nach den "Referenden" in vier russisch kontrollierten Regionen in der Ukraine hat der russische Staatschef Wladimir Putin vier besetzte ukrainische Gebiete zu russischem Staatsgebiet erklärt. Die Dokumente um die Aufnahme von Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson haben Putin und vier Vertreter der Gebiete anschließend unterzeichnet. "Die Bürgerinnen und Bürger, die in Cherson und Saporischschja leben, werden unsere Bürger. Für immer", sagte Putin am Freitag bei einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede.
Am Donnerstagabend hatte er mehrere Dokumente, in denen er die Unabhängigkeit von Saporischschja und Cherson anerkannte, unterzeichnet. Die Unabhängigkeit von Donezk und Luhansk hatte Moskau bereits wenige Tage vor Beginn seiner Militäroffensive am 24. Februar anerkannt.
Die Unterzeichnung der offiziellen Beitrittsverträge ist aber nur ein Schritt auf dem Weg zur vollständigen Annexion der vier ukrainischen Gebiete – wenn auch ein entscheidender. Danach muss noch eine verfassungsrechtliche Prüfung erfolgen und die entsprechende rechtliche Grundlage geschaffen werden. Auch das parlamentarische Unter- und Oberhaus müssen zustimmen.
International wird diese Annexion aber ebenso wenig anerkannt werden, wie die vorangegangenen Scheinreferenden und die Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim vor mehr als acht Jahren.
Bei einem russischen Angriff auf Zivilisten in der Region Saporischschja im Süden der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens 23 Menschen getötet worden. Bei dem Raketenbeschuss auf Menschen, die "Schlange standen, um in derzeit besetztes Gebiet zu gelangen", seien 23 Menschen getötet und 28 verletzt worden, schrieb der ukrainische Regionalgouverneur Oleksander Staruch im Online-Dienst Telegram. Die Opfer seien unterwegs gewesen, um "Bekannte und Verwandte zu treffen und Hilfe zu erhalten", ergänzte er.
Im Kampf um die strategisch wichtige Kleinstadt Lyman im Gebiet Donezk haben ukrainische Truppen nach russischen Angaben mehrere Orte östlich der Stadt eingenommen. "Gegen Mitternacht ist es der ukrainischen Truppen gelungen, Lyman faktisch einzukesseln", teilte der nationalistische Militärblog "Rybar" am Freitag mit. Die Ortschaft Stawky im Norden Lymans sei gefallen, östlich von Lyman, in Saritschne, gebe es Straßenkämpfe. Die ukrainische Eroberung von Stawky bestätigte auch der russische Militärblogger Semjon Pegow.
Sollte der Ukraine die Eroberung von Lyman gelingen, öffnet sich für das ukrainische Militär der Weg nach Swatowe und Kreminna und damit tief in das Gebiet Luhansk hinein, das Moskau seit dem Sommer weitgehend unter eigene Kontrolle gebracht hatte.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einem weiteren völkerrechtswidrigen Akt die besetzten ukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja als unabhängige Staaten anerkannt. Die entsprechenden Dekrete des Kremlchefs wurden in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) in Moskau veröffentlicht. Die Dekrete gelten gemäß dem international kritisierten Vorgehen Moskaus als Voraussetzung dafür, dass die Regionen an diesem Freitag ihre Aufnahme in die Russische Föderation beantragen können. In Scheinreferenden hatten die Gebiete zuvor über einen Beitritt zu Russland abstimmen lassen.
Am 21. Februar hatte Putin bereits die Unabhängigkeit der ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk, die sich "Volksrepubliken" nennen, anerkannt. Alle vier Gebiete beantragen den Beitritt zu Russland, den Putin an diesem Freitag bei einem Festakt im Kreml formalisieren will. Die Annexionen werden international nicht anerkannt, sie gelten als Bruch des Völkerrechts, den die Ukraine nicht hinnehmen will.
Russland will am Freitag die Annexion der vier russisch kontrollierten Regionen in der Ukraine formell vollziehen. Bei einer Zeremonie am Freitagmittag im Kreml mit Staatschef Wladimir Putin sollen die Abkommen über die Aufnahme dieser Regionen in die Russische Föderation unterzeichnet werden, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag ankündigte. Bei vom Westen als Schein-Abstimmungen kritisierten "Referenden" in diesen Regionen sollen sich nach Angaben der dortigen Separatisten überwältigende Mehrheiten für die Annexion ausgesprochen haben.
Kampfhandlungen in den Gebieten könnte der Kreml durch die offizielle Annexion härter ahnden als zuvor, befürchten Beobachter.
Laut einem Bericht der finnischen Zeitung "HS" schließt Finnland in der kommenden Nacht die Grenze für bestimmte Russen. Die Maßnahme soll Touristen treffen, ziele aber auch auf jene, die vor der russischen Mobilisierung fliehen wollen. Die Regierung geht davon aus, dass die Zahl der nach Finnland einreisenden Russen dadurch um die Hälfte zurückgehen wird, schreibt "HS". So sollen unter anderem die langen Staus vermieden werden, die sich zuletzt immer wieder an dem Grenzübergang gebildet hatten.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat Deutschland um weitere Waffenlieferungen an Kiew und die Verschärfung des geplanten achten EU-Sanktionspakets gegen Moskau gebeten. "Zum Thema Verteidigung habe ich unsere Erwartung an ein Raketenabwehrsystem aus Deutschland unterstrichen – vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft bei der Luftverteidigung", sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Beim Gespräch sei auch das neue Sanktionspaket der EU erörtert worden. "Stand heute gibt es zum achten Sanktionspaket noch etwas hinzuzufügen", forderte er.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat angesichts des russischen Angriffskriegs für die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine geworben. "Die Panzer werden gebraucht", sagte sie am Mittwochabend bei einer Veranstaltung des Nachrichtenportals "The Pioneer" in Berlin. "Wir sind an einem entscheidenden Punkt. Die Ukraine benötigt Waffen, um zu überleben", fügte Metsola hinzu. Entsprechende Pläne lägen auf dem Tisch. In der aktuellen Situation sei Europa gefordert, voranzugehen. Die Bundesrepublik habe dabei eine besondere Rolle: "Und wir erwarten von Deutschland, dass es hilft, Führung zu übernehmen."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Mitgliedstaaten ein achtes Sanktionspaket gegen Russland vorgeschlagen. Es soll unter anderem einen Preisdeckel auf russisches Öl ermöglichen, wie von der Leyen am Mittwoch in Brüssel sagte. Zudem sind weitere Ein- und Ausfuhrbeschränkungen im Umfang von sieben Milliarden Euro geplant.
"Wir sind entschlossen, den Kreml für die erneute Eskalation büßen zu lassen", sagte von der Leyen zur Begründung. Die EU akzeptiere weder die "Scheinreferenden noch jede Art von Annexion" ukrainischer Gebiete, betonte sie.
Vorgesehen ist nach den Worten der Kommissionspräsidentin auch ein "Verbot für EU-Bürger, in den Führungsgremien russischer Staatsunternehmen zu sitzen". Dieser Vorschlag geht auf Deutschland zurück. Dem Vernehmen nach richtet er sich aber nicht gegen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).
Nach den Scheinreferenden in vier besetzten Gebieten in der Ost- und Südukraine zeichnet sich der weitere Fahrplan für die geplante völkerrechtswidrige Annexion durch Russland ab. Die beiden russischen Parlamentskammern wollen am Montag und Dienstag über die Annexionen entscheiden.
Bisher war in Medien spekuliert worden, Präsident Wladimir Putin könnte schon an diesem Freitag in einer Rede vor beiden Parlamentskammern die Annexion der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson formell bekannt geben.
Die Anführer der pro-russischen Separatisten in den ukrainischen Regionen Luhansk und Cherson haben Kreml-Chef Wladimir Putin um die Annexion dieser Regionen gebeten. "(...) ich bitte Sie, die Frage eines Anschlusses der Volksrepublik Luhansk an Russland als Mitglied der Russischen Föderation zu prüfen", erklärte der Separatisten-Anführer in Luhansk, Leonid Pasetschnik, am Mittwoch in einer im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Botschaft.
Ähnlich äußerte sich der Separatisten-Chef in Cherson, Wladimir Saldo, nach dem Abschluss der "Referenden" in vier russisch besetzten Gebieten der Ukraine.
Die Abstimmungen in den besetzten Gebieten der Ukraine machen nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Deutschland keinen Unterschied. "Wir werden das Ergebnis dieser Scheinreferenden nicht akzeptieren und die Ukraine mit unverminderter Kraft weiter unterstützen", sagte Scholz der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch).
Mit Blick auf die durch Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung russischer Reservisten sagte Scholz: "Putin reiht Fehler an Fehler". Der russische Präsident "könnte diesen Krieg sofort beenden, indem er seine Truppen zurückzieht und danach auf Gespräche mit Kiew setzt".
In vier von Moskau besetzten Regionen in der Ukraine haben die pro-russischen Behörden am Dienstag Siege bei den sogenannten Referenden für eine Annexion durch Russland vermeldet. In den südukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson sowie in den ostukrainischen Separatistengebieten Luhansk und Donezk gab es nach Behördenangaben große Zustimmung für eine Annexion. Die Vereinten Nationen bekundeten Unterstützung für die "territoriale Integrität" der Ukraine in ihren "anerkannten Grenzen".
Die russischen Besatzer haben die Scheinreferenden in mehreren ukrainischen Gebieten für beendet erklärt und erste Ergebnisse der völkerrechtswidrigen Abstimmungen präsentiert. Nach Auszählung erster Stimmzettel in Wahllokalen in Russland hätten jeweils mehr als 97 Prozent der aus den Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja stammenden Wähler für einen Beitritt ihrer Heimatregionen zu Russland gestimmt, meldeten russische Agenturen am Dienstag.
Aus Wahllokalen in den besetzten Gebieten selbst gab es zunächst keine Angaben. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren seit vergangenem Freitag auch ukrainische Flüchtlinge in Russland. Damit dürfte noch in dieser Woche eine beispiellose Annexionswelle beginnen.
Die Scheinreferenden werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze und ohne demokratische Mindeststandards abgehalten werden. Beobachter hatten in den vergangenen Tagen auf zahlreiche Fälle hingewiesen, in denen die ukrainischen Bewohner der besetzten Gebiete zum Urnengang gezwungen wurden.
Angesichts der scharfen US-Warnungen an Moskau hat der ehemalige Kremlchef Dmitri Medwedew erneut das Recht Russlands auf den Einsatz von Atomwaffen betont – "wenn das notwendig sein sollte". Das gelte in "festgelegten Fällen" und in "strikter Übereinstimmung mit den Grundsätzen der staatlichen Politik zur nuklearen Abschreckung", schrieb der Vizechef des russischen Sicherheitsrats am Dienstag in seinem Telegram-Kanal.
Medwedew nannte folgende Voraussetzungen für die Möglichkeit eines russischen Atomschlags: "Wenn wir oder unsere Verbündeten mit solchen Waffen angegriffen werden. Oder wenn eine Aggression mit konventionellen Waffen die Existenz unseres Staates bedroht." Das habe auch Staatschef Wladimir Putin kürzlich deutlich gemacht.
Mit der laufenden Teilmobilmachung der Streitkräfte will Russland Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge lediglich den Moment der eigenen Niederlage hinauszögern. Das machte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Dienstag deutlich.
"Sie haben gefühlt, dass sie verlieren werden. Und sie versuchen einfach, diesen Moment hinauszuzögern, um zumindest etwas Aktivität an der Front zu haben", sagte Selenskyj. "Leider ist sich die russische Bevölkerung noch nicht der gesamten Brutalität der russischen Regierung gegenüber ihrem eigenen Volk bewusst", sagte Selenskyj weiter. Das müsse den Russen klar gemacht werden.
Der als Koch von Kremlchef Putin bekannt gewordene russische Geschäftsmann Prigoschin räumte erstmals direkt öffentlich ein, die berüchtigte Söldnertruppe "Wagner" gegründet zu haben. Er habe die Einheit 2014 für den Einsatz auf russischer Seite im ukrainischen Donbass gebildet, erklärte Prigoschin auf der Internet-Seite seines Unternehmens Konkord. Am 1. Mai 2014 sei eine "Gruppe von Patrioten geboren worden" – mit dem Namen "Wagner".
Die Gruppe Wagner ist eine paramilitärische Organisation, die Russland zur hybriden Kriegsführung und für verdeckte Operationen nutzt.
Die US-Regierung stellt zur Unterstützung der ukrainischen Strafverfolgungs- und Strafjustizbehörden eine Millionensumme bereit. US-Außenminister Antony Blinken sagte der ukrainischen Regierung hierfür zusätzlich 457,5 Millionen US-Dollar (rund 474 Millionen Euro) zu. Seit Mitte Dezember 2021 haben die USA damit insgesamt mehr als 645 Millionen US-Dollar (rund 668 Millionen Euro) für diesen Bereich zur Verfügung stellt, unter anderem für die Polizei des Landes, wie es hieß.
Ein Teil der neuen Mittel sei auch vorgesehen zur Unterstützung der ukrainischen Regierung "bei der Dokumentation, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung der von den russischen Streitkräften begangenen Gräueltaten" vorgesehen.
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(nik/ast/dpa/afp)