
Rechtlich hat Trumps Siegeserklärung keine Bedeutung.Bild: reuters / CARLOS BARRIA
International
Seit Monaten schürt Trump Zweifel an der Legitimität der Wahl. Nun ruft er sich zum Sieger aus - obwohl die Stimmen noch gezählt werden. Die weitere Auszählung will er vom Supreme Court stoppen lassen.
04.11.2020, 10:0504.11.2020, 10:05
US-Präsident Donald Trump hat sich bei der Wahl in
den USA noch vor einem Ergebnis zum Sieger erklärt. Zugleich kündigte
er am Mittwochmorgen (Ortszeit) im Weißen Haus an, eine weitere
Auszählung von Stimmen vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaten
stoppen lassen zu wollen. Trump sprach angesichts von Verzögerungen
bei einem Wahlergebnis von "massivem Betrug". "Wir waren dabei, diese
Wahl zu gewinnen. Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen."
US-Medien legten sich allerdings auch Stunden nach Schließung der
letzten Wahllokale noch nicht auf einen Gewinner fest. Rechtlich hat
Trumps Siegeserklärung keine Bedeutung. Selbst nach dem bisherigen
Auszählungsergebnissen haben weder der Republikaner Trump (74) noch
sein demokratischer Herausforderer Joe Biden derzeit die Mehrheit von
270 Wahlleuten aus den Bundesstaaten, die für einen Sieg nötig wären.
Beide haben rechnerisch noch Chancen, die Wahl zu gewinnen.
Biden: "Können nicht verkünden, wer die Wahl gewonnen hat"
Biden gab sich am Mittwochmorgen in seinem Heimatort Wilmington im
US-Bundesstaat Delaware siegessicher. "Wir glauben, dass wir auf dem
Weg sind, diese Wahl zu gewinnen", sagte der 77-Jährige, noch bevor
sich Trump zu Wort meldete. "Ich oder Donald Trump können nicht
verkünden, wer die Wahl gewonnen hat. Das ist die Entscheidung der
Bürger Amerikas. Aber ich bin optimistisch, was das Ergebnis angeht"
Wie und wann Trump den Supreme Court angesichts der weiterhin
laufenden Auszählung anrufen möchte, blieb offen. Alleine mit seiner
Siegeserklärung kann er eine Auszählung weiterer Stimmen nicht
stoppen. Trump kann nach der Wahl versuchen, vor Gericht zu erwirken,
Stimmen oder Ergebnisse aus bestimmten Bundesstaaten anzufechten.
Trump hatte wiederholt gefordert, dass ein Wahlergebnis noch in der
Nacht feststehen müsse.
Die Auszählung von Stimmen auch nach dem Wahltag ist in vielen
Bundesstaaten gängige Praxis. In den USA ist es üblich, dass die
Präsidentenwahl noch in der Wahlnacht auf der Basis von Prognosen
großer Medienhäuser entschieden wird. Die amtlichen Ergebnisse kommen
teils erst viel später.
Zum Zeitpunkt seiner Äußerung lag Trump in wichtigen Bundesstaaten
vorn. Da sich die Auszählung der Briefwahlstimmen in umkämpften
Bundesstaaten wie Pennsylvania aber noch über Tage hinziehen kann,
kann sich dieser Trend zugunsten Bidens drehen. Das scheint Trump mit
dem hochgradig umstrittenen Schritt verhindern zu wollen. Der
Präsident schürt seit Monaten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl.
Trump soll besprochen haben, wie er sich verfrüht zum Sieger küren kann
Die Nachrichtenseite "Axios" hatte am Sonntag unter Berufung auf drei
ungenannte Quellen berichtet, Trump habe mit Vertrauten Pläne
besprochen, wonach er sich im Fall eines Vorsprungs in der Wahlnacht
noch vor Ende der Stimmenauszählung zum Sieger erklären könnte. Trump
hatte den Bericht als "falsch" zurückgewiesen.
Umfragen zufolge wollten landesweit vor allem Demokraten von der
Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch machen, während deutlich mehr
Republikaner am Wahltag persönlich abstimmen wollten. Trump hatte in
den vergangenen Wochen immer wieder ohne Beleg und entgegen
wissenschaftlicher Untersuchungen behauptet, Briefwahl würde Betrug
Vorschub leisten. Wegen der Pandemie wurde mit einer Rekordzahl an
Briefwählern gerechnet.
(mse/dpa)