
Ginsburg, eine Ikone der Liberalen in Amerika, war am Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.Bild: reuters / SARAH SILBIGER
International
Das Oberste Gericht fällt in den USA wegweisende Urteile zu politischen Streitfragen wie Abtreibung und Einwanderung. Nach dem Tod der Justiz-Ikone Ginsburg hofft Präsident Trump, die konservative Mehrheit im Supreme Court auszubauen – und das möglichst schnell.
20.09.2020, 09:3620.09.2020, 09:36
US-Präsident Donald Trump will noch in seiner
ablaufenden Amtszeit den Posten der verstorbenen Verfassungsrichterin
Ruth Bader Ginsburg nachbesetzen. Sollte es so kommen, könnte das die
konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA auf Jahre oder
sogar Jahrzehnte zementieren. Er werde eine Frau nominieren,
voraussichtlich bereits in den kommenden Tagen, kündigte Trump am
Wochenende an. Ginsburg, eine Ikone der Liberalen in Amerika, war am
Freitag im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung
gestorben.
"Es wird eine Frau sein", legte sich Trump bei einem
Wahlkampfauftritt im Bundesstaat North Carolina fest. Seine
wahrscheinlichste Kandidatin sei Bezirksrichterin Amy Coney Barrett
aus Chicago, berichtete unter anderem der Fernsehsender ABC unter
Berufung auf Regierungskreise. Sie ist als klare Abtreibungsgegnerin
bekannt – das ist ein zentrales Thema für die Konservativen in den
USA.
Verfassungsrichter werden in den USA auf Lebenszeit ernannt. Mit
ihrem Alter von 48 Jahren hätte Barrett potenziell eine lange Zeit im
Supreme Court vor sich. Nach Ginsburgs Tod wäre sie zudem die dritte
Frau in der neunköpfigen Richterriege.
Ernennung eines Richters verschieben
Die Richter am Obersten Gericht der USA werden vom Präsidenten
vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Er würde es vorziehen, dass
die Kammer noch vor der Präsidentenwahl am 3. November abstimmt,
sagte Trump. Die Demokraten um Präsidentschaftskandidat Joe Biden
lehnen das vehement ab. Sie hoffen darauf, nach einem Wahlsieg Bidens
und einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Senat einen eigenen
Kandidaten durchsetzen zu können.
Die Republikaner halten im Senat 53 der 100 Sitze. Unklar ist
allerdings, ob auch eine Mehrheit für die schnelle Neubesetzung des
vakanten Richterpostens am Supreme Court zustande kommt. Denn
zwischen den politischen Lagern ist heftig umstritten, ob die
Republikaner so kurz vor dem Ende der aktuellen Amtszeit Trumps noch
über die Schlüsselpersonalie entscheiden sollten.
Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei heiklen
Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung,
Waffenrecht und Diskriminierung. Nach dem Tod von Ginsburg werden nur
noch drei der neun Richter klar dem liberalen Lager zugerechnet, alle
anderen gelten als mehr oder minder konservativ.
Die Demokraten verlangen deshalb, mit einer Nominierung bis zur
nächsten Präsidenten-Amtszeit zu warten, die am 20. Januar 2021
beginnt. Sie verweisen darauf, dass die Republikaner im Senat vor
vier Jahren mit einem Verweis auf das damalige Wahljahr den
Wunschkandidaten des scheidenden Präsidenten Barack Obama
blockierten.
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell,
kündigte aber schon wenige Stunden nach Ginsburgs Tod an, über eine
Kandidatur für ihre Nachfolge abstimmen zu wollen. Er argumentiert,
anders als damals gehörten der Präsident und die Mehrheit der
Senatoren jetzt einer Partei an. Biden und andere demokratische
Politiker fordern dagegen von den Republikanern, erst die Wähler über
den neuen Präsidenten entscheiden zu lassen. Unter den Republikanern
im Senat hat sich bislang nur Susan Collins dafür ausgesprochen, den
im November gewählten Präsidenten über Ginsburgs Nachfolge
entscheiden zu lassen.
dol der Bürgerrechtsbewegung
Ginsburg wurde mit ihrem Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen,
für Minderheiten und gegen Diskriminierung zu einer Justiz-Ikone und
einem Idol der Bürgerrechtsbewegung. Bereits in den 1970er Jahren war
sie als Juristin vor dem Obersten Gericht erfolgreich gegen Regeln
vorgegangen, die Frauen diskriminierten. Auch dank ihr setzte sich im
Supreme Court die Lesart durch, dass der 14. Zusatzartikel zur
US-Verfassung auch die Gleichberechtigung der Frauen schützt. Auf
dieser Basis wurde die Diskriminierung von Frauen schließlich als
verfassungswidrig eingestuft.
Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill
Clinton für den Supreme Court nominiert – und in der Folge zum wohl
bekanntesten Gesicht der bis heute männerlastigen Richterriege. Die
damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch
in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer
Männerdomäne.
"Trump ist Blender"
Einen Namen machte sich Ginsburg nicht zuletzt mit ihrer scharfen
Argumentationsweise. Trump bezeichnete sie als Blender, vor einer
Präsidentschaft des Republikaners und ihm als Person warnte sie trotz
Neutralitätsgebots als Richterin ausdrücklich - was ihr harsche
Kritik einbrachte. Ginsburgs Leben und Wirken ist Gegenstand mehrerer
Filme und Bücher. Gerade viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr
Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.
Ginsburg musste sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in
der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen. Bereits im
Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei
bösartige Knoten gefunden hatten. Nach mehreren
Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut
an Krebs erkrankt sei und sich einer Chemotherapie unterziehe.
Unmittelbar nach Bekanntwerden von Ginsburgs Tod versammelten sich
vor dem Gericht in Washington hunderte Trauernde. Trump würdigte
seine Kritikerin als "Titanin des Rechts" und ordnete an, dass
Flaggen auf dem Weißen Haus und staatlichen Gebäuden für einen Tag
auf halbmast gesetzt werden.
(lin/dpa)
Donald Trump kann aus einer Mücke einen Elefanten, aus jeder Kleinigkeit eine politische Kontroverse machen, auf Zuruf minutenlang auf einem Thema herumkauen, bis er eine Brücke zu seiner politischen Agenda gebaut hat. Neuerdings hat er es auf Puppen abgesehen.
Donald Trump wurde lange Zeit von vielen Menschen, gerade im eurozentristischen Deutschland, als Witzfigur verlacht. Als ein Schwätzer, der nichts verbreitet außer heiße Luft. Trump wurde nicht ernst genommen, als Politiker mit realen Taten, gefährlichen sogar.