Sie kommen. Gerufen hat sie die 23-jährige Johanna Mandelkow.Bild: imago/ facebook/ watson-montage
Interview
Tausende Traktoren rollen aus ganz Deutschland auf Berlin zu. Ziel ist das Brandenburger Tor im Herzen der Hauptstadt. Dort wollen die Landwirte am Dienstag gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestieren.
Organisiert hat die bundesweite Demo die 23-jährige Johanna Mandelkow, sie ist Teil der Bewegung "Land schafft Verbindung". Mandelkow selbst betreibt Ackerbau und hält Schweine in der Uckermark. Im watson-Interview erzählt sie, was die Bauern so wütend macht.
watson: Es rollen Hunderte Traktoren aus ganz Deutschland auf Berlin zu. Was ist euer Anliegen?
Johanna Mandelkow: Hauptsächlich geht es darum, dass die Regierung mit uns in den Dialog tritt. Dass sie mit uns über die Verordnungen und Gesetze spricht und man gemeinsam schaut, was man in der Praxis dann auch vernünftig umsetzen kann.
Konkret stört ihr euch am Agrarpaket der Bundesregierung…
Ja, es ist ein Problem, wenn die Vorschriften in Deutschland immer strenger werden, wenn wir immer mehr beauflagt werden, der Staat aber gleichzeitig Handelsabkommen mit Drittstaaten eingeht und Billigprodukte importiert. Das führt dazu, dass unsere Landwirte die Lebensmittel nicht mehr zu anständigen Preisen loswerden können.
Plant ihr, die Stadt lahmzulegen?
Nein, das ist nicht unser Ansinnen. Aber es wird garantiert zu Verkehrsbehinderungen kommen. Das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn sich 5000 Trecker durch Berlin bewegen. Aber wir versuchen das alles möglichst geordnet ablaufen zu lassen, sind in gutem Austausch mit der Polizei, so dass es zu möglichst wenig Beeinträchtigungen kommt.
Das von euch kritisierte Agrarpaket sieht auch weniger Pflanzenschutzmittel und eine Verschärfung der Düngeverordnung vor. Was habt ihr gegen Umweltschutz?
Gegen den Umweltschutz haben wir gar nichts. Wir müssen einfach sicherstellen, dass Landwirte weiterhin wirtschaften und überleben können. Das können wir nicht, wenn wir zwangsweise alle auf Bio umstellen sollen und Lebensmittel aus Ländern importieren, in denen ganz andere Mittel eingesetzt werden als hier in Deutschland.
Was spricht dagegen, Glyphosat zurückzufahren und Ende 2023 komplett zu verbieten?
Wir haben teilweise Landwirte, die in Gebieten arbeiten, in denen sie beispielsweise den Pflug nicht mehr einsetzen dürfen. Die greifen deswegen auf Mittel wie das Glyphosat zurück, um der Pflanze die Chance zu bieten, vernünftig zu wachsen. Pflügen dürfen sie also nicht mehr und das zusätzliche Verbot von Glyphosat würde letztlich dazu führen, dass diese Landwirte dann gar nicht mehr wirtschaften können. Es wird auch oft ein falsches Bild gezeichnet.
"Wir werden als Tierquäler, Umweltverpester und was noch alles beschimpft"
Inwiefern?
Man liest häufig von blühenden Rapsfeldern, durch die der Bauer willkürlich mit der Spritze durchgeht. Das ist ja gar nicht der Fall. Momentan wird einfach nur der Schwarze Peter in der Landwirtschaft gesucht.
Euch geht es also auch um Wertschätzung?
Gar keine Frage. Was wir Landwirte uns alles anhören müssen. Wir werden als Tierquäler, Umweltverpester und was noch alles beschimpft. Es kann nicht sein, dass der Verbraucher in Deutschland gar nicht mehr wertschätzt, was für hochwertige Lebensmittel wir in Deutschland produzieren. Man sollte sich mal in anderen Staaten umschauen, in denen ganz andere Zustände herrschen und nicht immer auf den deutschen Landwirten rumhacken.
Haben Sie selbst auch schon Erfahrungen mit Bauernbashing oder Drohungen gemacht?
Ja. Ich war auf dem Acker mit dem Grubber (Anm. d. Red.: landwirtschaftliches Gerät) unterwegs, um den Boden zu lockern. Es hat natürlich entsprechend gestaubt, weil wir wieder einen sehr trockenen Sommer hatten. Plötzlich kam dann ein Mann zu mir, den ich vorher noch nie gesehen hatte, der mich beschimpfte und mit dem Satz "Irgendwann stech‘ ich euch eh alle ab" endete.
(ts)