Das Coronavirus breitet sich weiter in Deutschland und weltweit aus. Insgesamt sind global über 100.000 Menschen infiziert. Deutschlandweit sind es über 1000 Fälle in 15 Bundesländern.
Am Montag wurden die ersten beiden Corona-Toten in Deutschland gemeldet.
In Brandenburg wurden rund 5000 Menschen unter Quarantäne gestellt.
Die Bedrohung durch das Coronavirus lässt auch an den Börsen die Kurse fallen: Der Dax erlitt am Montag den schlimmsten Absturz seit dem 11. September 2001.
Als Reaktion auf die wirtschaftliche Bedrohung und absehbare Konsequenzen einer Corona-Epidemie hat die Bundesregierung am Montag ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Unter anderem soll es finanzielle Unterstützung für Kurzarbeit geben.
Watson hat mit Rüdiger Bachmann, Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame in den USA, gesprochen und nach seiner Einschätzung gefragt. Er schlägt unter anderem vor, die Mehrwertsteuer für einige Monate zu senken, um die Bevölkerung wieder zum Einkaufen zu animieren.
"Aus Pessimismus wird weniger gekauft und weil weniger gekauft wird, geht es wirtschaftlich bergab"
watson: Wie beobachten Sie die Entwicklung des Corona-Virus. Macht Ihnen das Angst?
Rüdiger Bachmann: Zunächst einmal wäre mir wichtig klar zu machen, dass es jetzt die Stunde der Virologen und Epidemiologen ist. Wir Ökonomen sollten darauf hören, was sie zu sagen haben. Das Wichtigste ist jetzt, dass das Virus sich nicht weiter ausbreiten kann. Daher unterstütze ich auch die Forderung, Fußballspiele ohne Zuschauer stattfinden zu lassen. Das hätte man schon früher tun sollen.
Welche Konsequenzen hat das Coronavirus auf die deutsche Wirtschaft?
Es sind verschiedene Wege, auf denen das Virus auf die Wirtschaft wirkt. Das eine ist, dass Menschen weniger konsumieren. Wenn Veranstaltungen abgesagt werden oder jetzt auch Fußballspiele ohne Publikum stattfinden, fallen Einkommensmöglichkeiten für ganze Berufszweige weg. Hinzu kommt, dass die Menschen verunsichert sind und ihr Geld eher für den Notfall sparen, anstatt es auszugeben. Das heißt, Luxusgüter und Dienstleistungen werden weniger gekauft, man geht auch nicht so gerne ins Restaurant, um eine mögliche Ansteckung zu vermeiden. Das kann in eine Abwärtsspirale geraten. Aus Pessimismus wird weniger gekauft, und weil weniger gekauft wird, geht es wirtschaftlich bergab.
Gibt es auch Unternehmen, die vom Coronavirus profitieren?
Natürlich. Toilettenpapierhersteller, Hersteller von Desinfektionsmittel, von Tütensuppen und Nudelfabrikanten. Die profitieren natürlich von so einer Situation.
Wie wirkt sich die Quarantäne auf die deutsche Wirtschaft aus?
Wenn sich das Virus weiter ausbreitet, kann es sein, dass Eltern zuhause bleiben müssen, weil Schulen und Kitas geschlossen bleiben. Das würde bedeuten, dass Arbeitskräfte fehlen. Wenn mehr Menschen in Quarantäne müssen, kann sich das auch stark auf die Wirtschaft auswirken.
Wie ist es mit dem Kernstück der deutschen Wirtschaft, der Industrie?
Ein weiterer Punkt ist die sogenannte "supply chain". Es ist so, dass verschiedene Teile von verschiedenen Endgütern in verschiedenen Ländern produziert werden. So funktioniert unsere globalisierte Wirtschaft. Durch das Coronavirus wird das Reisen allerdings erschwert, Länder wie China und Italien stehen teilweise unter Quarantäne und Schiffe holen keine Container mehr aus China ab. Wenn jetzt ein Teil des Endprodukts fehlt, beispielsweise ein Motor bei einem Auto, und man es nicht ohne weiteres ersetzen kann, dann kann das gesamte Endprodukt nicht produziert werden. Das sorgt für Ausfälle.
Welche Rolle spielt hierbei die Ausbreitung des Virus speziell in China?
Gerade in China befinden sich einige Zulieferer für Endprodukte, so dass der ausbleibende Handel mit China zu einem Problem wird. Das trifft vor allem die USA und Deutschland. Teilweise sind die Teile auch so hochspeziell, dass man sie nicht ohne weiteres ersetzen oder in Deutschland nachproduzieren kann.
"Es ist eben die Frage, ob es schlau ist, 90 Prozent der Gesamtproduktion eines Produkts in China herstellen zu lassen"
Wie ist es mit Produkten die aus China importiert werden? Beispielsweise ein Pullover made in China. Wird der teurer oder bekomme ich ihn gar nicht mehr?
Mit Textilien ist es eine andere Sache. Die sind auch leicht woanders zu produzieren, beispielsweise in Vietnam. Auch in Deutschland werden noch Textilien produziert, etwa auf der Schwäbischen Alb. Es kann schon sein, dass es da Engpässe geben wird, aber das wird sich auch recht schnell wieder einpendeln.
Donald Trumps Politik der letzten Jahre hatte das Ziel, China als wirtschaftlichen Konkurrenten zu den USA zu schwächen. Hat das Coronavirus jetzt geschafft, was Trump erreichen wollte?
Wenn man den iranischen Verschwörungstheorien glauben mag, dann haben die USA das Coronavirus erfunden (lacht). Also Trump hat damit direkt erst einmal überhaupt nichts zu tun. Es ist auch eine falsche Idee von Wirtschaftspolitik, einen Nationalismus, Abschottung und "America First"-Gedanken wie Donald Trump zu vertreten. Was man aber aus der derzeitigen Situation lernen kann ist, dass vielleicht zu viel aus China importiert wurde und zu viele Unternehmen ihre Produktion dorthin verlegt haben. In einer so globalisierten Welt wie heute sind wir anfälliger für solche Pandemien. Da ist es eben die Frage, ob es schlau ist, 90 Prozent der Gesamtproduktion eines Produkts in China herstellen zu lassen.
Die Bundesregierung hat jetzt ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Was halten Sie davon?
Ich halte die Maßnahmen im Großen und Ganzen für richtig. Was die Politik tun sollte, ist den Schock für Unternehmen abzufedern, die vom Coronavirus in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Staat kann nicht fehlende Ersatzteile für Produkte liefern, die aus China kommen. Aber was er tun kann, ist Unternehmen finanziell unter die Arme greifen, die sonst profitabel sind, aber unter den finanziellen Folgen des Coronavirus leiden. Sie sollen liquide bleiben können, denn die Unternehmen müssen ja weiterhin Löhne und Rechnungen bezahlen, auch wenn sie vielleicht jetzt einmal weniger produzieren oder verkaufen. Zum Beispiel könnte der Staat Unternehmen erlauben die Zahlung von Steuern aufzuschieben, bis sich die Lage wirtschaftlich beruhigt hat.
Über finanzielle Anreize, um den Konsum wieder anzukurbeln:
"Ich fände eine Mehrwertsteuer-Senkung von ein bis zwei Prozent für einige Monate sinnvoll"
Sollte die Bundesregierung darüber hinaus finanzielle Anreize schaffen?
Ich halte es für falsch, jetzt darüber zu diskutieren, baufällige Schulen zu renovieren. Das sollte man sicherlich auch tun, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wichtiger wäre, eventuell kurzfristigere Maßnahmen wie finanzielle Anreize zu schaffen, damit die Leute wieder konsumieren.
Was würden Sie da konkret vorschlagen?
Ich fände eine Mehrwertsteuer-Senkung von ein bis zwei Prozent für einige Monate sinnvoll. Aber das wäre eher als Ausgleich gedacht, sobald die Epidemie im Griff ist. Wichtig ist nämlich auch, den Konsum jetzt nicht durch finanzielle Anreize anzukurbeln. Damit würde es wieder zu mehr Austausch kommen und das Virus würde sich weiter verbreiten. Das heißt, erst einmal abwarten bis die Auswirkungen des Virus zum größten Teil vorbei sind und dann können wieder Anreize geschaffen werden.