Sappho* ist Mitte 20, Studentin und Aktivistin. Sie liebt Videospiele, fühlte sich aber innerhalb der Gamer-Szene immer unwohl.
Auf Twitter macht sie deshalb heute unter dem Namen @NeueSappho auf sexistische Äußerungen aufmerksam, besonders in der Gamer-Community. Als Sapphos Kritik sich auch auf Gronkh bezieht, einen der erfolgreichsten deutschen Gamer, schlägt ihr ein erbitterter Shitstorm seiner Follower entgegen. Im Interview mit watson erzählt Sappho, was seitdem passiert ist und warum sie ihre Offensive dennoch als Erfolg wertet.
watson: Sappho, kannst du kurz zusammenfassen, wie es zu dem Shitstorm gekommen ist?
Sappho: Am 12. März hat Etienne Gardé, ein sehr erfolgreicher, deutscher Gamer von den Rocket Beans, diesen Kindesmissbrauchswitz über Michael Jackson getwittert.
Viele, auch ich, haben sich darüber aufgeregt. Aber ich habe auch getwittert, dass "Rape-Jokes" in der Gamer Szene nichts Ungewöhnliches sind, sondern von der Community gefeiert werden. Dass sie ein Zeichen dafür sind, wie toxisch, frauenfeindlich und gewaltverherrlichend diese Szene ist.
Ich habe auch erklärt, warum ich das kritisch und persönlich verletztend finde. Ich bin der Meinung, dass ein Mensch mit so einer riesigen Reichweite, der Millionen von Kids in Deutschland anspricht, eine gewisse Verantwortung für seine Äußerungen trägt.
Hat sich Gronkh dazu geäußert?
Ich hatte seinen Account zunächst blockiert. Das mache ich bei allen bekannten Gamer-Accounts, prophylaktisch, weil ich keine Drüberkommentare von Gamern möchte. Ich bin ein relativ gamingkritischer Account. Drüberkommentare von Gamern hetzten gerne deren gesamte Community auf. Das wollte ich eigentlich umgehen. Gronkhs Follower haben meinen Thread gesehen und ihm die URL geschickt. Gronkh konnte den Tweet aber selbst nicht lesen und er war ziemlich angepisst. Ich habe ihn daraufhin entblockiert und ihm erklärt, warum ich das zuvor getan hatte. Ich wollte ihm Kontext geben.
Das haben seine Follower dann gesehen und sind auf meine Seite gekommen. Und dann ist das eskaliert.
Daraufhin haben sich die Fans von Gronkh bei dir gemeldet?
Oh, ja, ein paar von ihnen.
Wie viele waren das?
Stand am Montagabend: 628 direkte Nachrichten und über 2000 Kommentare auf meiner Twitterseite. Viele von ihnen sind einfach "nur beleidigend", aber von einigen kommen auch Mord- und Vergewaltigungsdrohungen.
Hat Gronkh etwas dazu gesagt, dass die Leute so auf dich losgegangen sind, obwohl du niemanden beleidigt hast?
Nee, ich glaube, es war ihm nur zum Teil bewusst. Aber er hat sich da nicht verantworten wollen. Er wollte stattdessen angefangen, über feministische Grundsätze zu diskutieren, während seine Community Leute verbal überrennt. Gestern, als einer seiner Kollegen, PhunkRoyal, noch etwas getwittert hat, ist das Ganze in Gronkhs Community wieder hochgekocht. Da war Gronkh selbst den ganzen Tag nicht online und hat sich dementsprechend nicht dazu gemeldet. Deswegen nehme ich an, dass er das nicht mitbekommen hat.
Ist Gronkh für das Verhalten seiner Community verantwortlich?
Ich glaube, dass man einen Teil seiner Community nicht beeinflussen kann, wenn die sich in ihren Feldzügen gegen Kritiker erst einmal selbstständig gemacht haben. Aber mir geht es hier um die Reichweitenverantwortung.
Es ist irgendwie offensichtlich, dass man durch diese Rape-Jokes, durch frauenfeindliche Kommentare eine gewisse Community anlockt, die zum Teilen aus Mitgliedern der Neuen Rechten besteht. Die machen dann kritische Stimmen mit ihren zehn Fake-Accounts fertig. Von solchen Menschen muss man sich abgrenzen. Gronkh muss sich seiner Reichweitenverantwortung bewusst werden.
Eine einfache Ansage von Gronkh, in der er seine User auffordert, dich nicht anzufeinden, hätte dir also als Zeichen des guten Willens gereicht?
Ja, das hat sein Kollege, der PhunkRoyal, ja auch gemacht. Nachdem wir uns per Direktnachricht ausgetauscht haben, hat er dazu aufgerufen, mich in Ruhe zu lassen. Gronkh aber nicht und das ist der ausschlagende Punkt.
Hast du geahnt, was deine Gronkh-Kritik auslösen würde?
Dass Gronkh eine so toxische Community hat, merkt man gar nicht auf den ersten Blick. Andere Gamer und Communities sind da offensichtlicher zu durchschauen. Aber bei Gronkhs Fans gibt es eben auch diese Typen, die sich als Minderheit sehen, weil sie im Privatfernsehen oft als überwichtige 40-jährige Singles dargestellt werden, die noch bei den Eltern leben. Wer sie kritisiert, betreibt ihrer Meinung nach Diskriminierung und muss bekämpft werden.
Sie wissen nicht, was ich an Gronkh kritisiert habe, aber sie greifen einfach mal aus Prinzip mit an.
Warum erregt deine recht sachlichen Kritik so sehr?
Wahrscheinlich zum großen Teil, weil die Kritik feministisch ist.
Aber ich glaube mittlerweile rastet nur noch die Community aus. Gronkh ist mit der Entwicklung der ganzen Situation komplett überfordert.
Du hast teilweise beleidigende Kommentare erhalten. Hast du vor, rechtlich dagegen vorzugehen?
Schwierig. Viele der Accounts sind mittlerweile deaktiviert. Manche wurden auch von Twitter entfernt, weil ich die gemeldet habe. 70 Prozent der Übrigen sind Fake-Accounts, die man sowieso nicht nachverfolgen kann. Und der Rest sind Kinder. Deswegen habe ich auch nie die Twitteraccounts dieser Personen veröffentlicht. Das sind 13 bis 14 Jahre alte Menschen, die einfach ihr Idol verteidigen wollen. Natürlich sind die Kommentare scheiße. Aber es sind Kinder, die ihren LIeblinsg-Youtuber verteidigen und es nicht besser wissen. Auch weil Gronkh ihnen nicht sagt, dass ihr Verhalten falsch ist.
Wenn Gronkh jetzt noch den direkten Austausch mit dir suchen würde, wärst du bereit die Sache zu klären?
Na klar, meine Direktnachrichten sind offen. Er kann mir jederzeit schreiben. Das hatte ich schon einmal angeboten, aber dann hat er nur mich und Leute, die mir Solidarität gegeben haben, beleidigt. Übrigens habe ich auch von sehr vielen, tollen Leute Rückendeckung erhalten. Dafür bin ich sehr dankbar.
Bereust du es, Gronkh offen kritisiert zu haben?
Nein. Dadurch wurde auf Twitter offen über Reichweitenverantwortung diskutiert. Das ist ein Erfolg. Vielleicht gibt mir nicht jeder offen recht, aber ich glaube viele Leute zum Nachdenken angeregt zu haben. Leute reden darüber, warum Vergewaltigungswitze schlecht sind. Das ist ein Sieg, das ist großartig.
Bisher hat er nicht auf unsere Anfrage geantwortet.
(*Sappho möchte anonym bleiben. Daher benutzen wir nur ihr Twitter-Pseudonym.)