Eine Hafenrundfahrt auf der Elbe machen oder ein Konzert in der Elbphilharmonie besuchen – das ist derzeit in Hamburg auch für Geimpfte oder Genesene nur noch mit einem negativen Testnachweis oder einer Auffrischungsimpfung möglich. Damit preschte Hamburg bundesweit nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem ausgeweiteten 2G-Plus-Modell vor. Davon betroffen sind vor allem Kultureinrichtungen, Bars und Gastronomie.
Seit den verschärften Maßnahmen haben sich vor den Testzentren der Hansestadt wieder lange Schlangen um Häuserblocks gebildet, in denen Menschen bei winterlichen drei Grad anstehen. Die Cafés und Restaurant hingegen? Wirken wie ausgestorben.
Ist das ein Lockdown durch die Hintertür? Oder sind die Hamburger froh, dass in Norddeutschland – wo die Corona-Neuinfektionen zuletzt drastisch zunahmen – endlich eingeschritten wird? Watson hat bei Gastronomen und Hamburger Studierenden nachgefragt.
Julius, 23, Student aus Hamburg, stört die Verschärfung der Regel nicht, auch weil er inzwischen geboostert ist und damit keinen zusätzlichen Testnachweis mehr bräuchte, um sich ins Restaurant zu setzen. Vorsichtig ist er trotzdem: "Ich treffe mich momentan eher mit kleinen Gruppen – und dann auch eher bei jemandem zu Hause", berichtet er.
Dass die Hamburger sich wieder in ihre vier Wände verziehen, beobachtet auch Gastronom Christian Rowe. "Ich erlebe es im Bekanntenkreis immer häufiger, dass Kneipen und Restaurants gemieden werden. Weniger aus Angst vor einer schweren Krankheit, sondern da eine Quarantäne das Familienleben dermaßen belastet, dass es das nicht wert ist", sagt er gegenüber watson.
Er betreibt das "Down Under", ein Lokal mit australischem Einschlag im Uni-Viertel der Stadt und ist sich sicher, dass mit der 2G-Plus-Einführung, "die Gäste fern bleiben". Die Menschen würden sich in Anbetracht des Aufwands und des Infektionsrisikos "im Zweifel gegen einen Abend unter Leuten entscheiden. Dieser Trend hat allerdings schon Mitte Dezember begonnen."
Mit dieser Beobachtung scheint er recht zu haben. Malte, ein Student Mitte 20 aus Hamburg, bestätigt: "Die Änderung auf 2G-Plus hat natürlich dafür gesorgt, sich nochmal Gedanken über den Ernst der Lage zu machen. Ich werde mich von Bars und Co. jetzt erstmal fernhalten, bis sich die Lage wieder entspannt." Er würde sich nur noch mit dem "vertrauten Kreis" treffen, bei dem er wisse, dass "sie sich an die Regeln halten", erzählt er watson.
Lina, 23, Malerin aus Hamburg, versucht wiederum zumindest eine Balance herzustellen: "Ich gehe trotzdem weg, aber meide die Hotspots, bei denen ich weiß, dass viel los ist. Außerdem teste ich mich jedes Mal vorher, wenn ich mich mit anderen Freunden treffe – auch trotz Impfung." Dennoch merke man durch die 2G-Plus-Regel "stark, wie eingeschränkt das Leben ist". Man müsse beispielsweise durch die Tests weiter im Voraus planen und sei nicht mehr so spontan, begründet Lina gegenüber watson.
Lennart, 22, Student aus Hamburg, sieht die neuen Maßnahmen pragmatisch: "Da die Bars sowieso nur bis 23 Uhr aufhaben, gibt es bei uns wieder die guten alten Hauspartys." Er und seine Freunde seien allerdings geboostert, ergänzt er.
Für die Kneipenwirte, Barkeeper, Kellner und Gastro-Inhaber ist die Rückkehr ins Private bitter. "Seit Beginn der Pandemie versuchen die gastronomischen Betriebe, ihre Gäste nach bestem Wissen zu schützen. Hygienekonzepte, Masken, Abstände, Trennwände, Luftreiniger und vieles mehr werden hierzu genutzt. Wir gehen daher davon aus, dass Treffen in gastronomischen Betrieben erheblich sicherer sind als im privaten Bereich", so Restaurantbetreiber Niklaus Kaiser von Rosenburg im Gespräch mit watson. Zur Infektionseindämmung sei 2G-Plus daher "nicht zielführend."
Zudem lohne sich der Betrieb der Gastronomie beim Ausbleiben der Gäste eigentlich nicht mehr, dennoch fühle sich die Branche gezwungen, weiterzumachen: "Die Angst, weitere Mitarbeiter zu verlieren, führt dazu, dass einige Kollegen trotz erheblichen Verlusten versuchen, weiter offenzubleiben", so von Rosenburg.
Es sei "absolut überfällig", in solchen Zeiten das Kurzarbeitergeld auf hundert Prozent des Nettolohns aufzustocken, sagt der Geschäftsführer der Kleinhuis Hotels und Restaurants. In der jetzigen Form stößt 2G-Plus bei ihm nur auf "Unverständnis". Es bedeutet "administrativen Mehraufwand" bei "rückläufigen Gästezahlen." Eine absolute Minusrechnung für die Wirte.
Vielleicht auch deshalb haben einige Restaurants in Hamburg schon jetzt selbstständig dichtgemacht. Das zumindest legen die Erfahrungen von Hanna, 21, Studentin aus Hamburg, nahe. Sie beobachtet seit Anfang der Woche immer mehr geschlossene Restaurants in der Hansestadt. Bereits am vergangenen Sonntag sei es schwierig gewesen, in ihrem Stadtteil einen Italiener zu finden, der geöffnet hatte: "Viele Restaurants haben schon auf ihren Websites stehen, dass sie wegen Corona erneut geschlossen haben."
Der Italiener, zu dem sie letztlich dann gegangen ist, sei nur mit einem Tisch besetzt gewesen. "Und normalerweise ist der gut besucht", fügt sie hinzu. Am Montag hat sich Hanna mit einer Freundin in dem Hamburger Café Reinhardt getroffen. Sie erzählt watson:
Grundsätzlich sei das Bild in Hamburg aktuell so: "Für viele Restaurants und Cafés lohnt es sich wegen der 2G-Plus-Regel nicht mehr und sie haben deshalb geschlossen." Hanna vermutet: "Daher konzentriert sich der Ansturm der Leute dann auch auf die wenigen Gastronomien, die noch offen haben."
"2G-Plus ist eine sehr große Herausforderung für die Betriebe", sagt auch Ulrike von Albedyll, Sprecherin des regionalen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA Hamburg). Allerdings gäbe es unter den Betreibern "sehr unterschiedliche Auffassungen", was eine bessere Alternative gewesen sei.
Christian Rowe zum Beispiel meint, dass ein echter Lockdown für die Branche sogar eine Erleichterung gewesen wäre: "Den Gastronomen hilft die 2G-Plus-Regel nicht wirklich weiter und im Sinne des Infektionsschutzes ergibt es wohl kaum Sinn, Leute auf längere Zeit in geschlossenen Räumen zu versammeln", findet er. "Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation, in der sich geimpfte und sogar geboosterte in immer größerer Zahl infizieren, wäre es wohl konsequenter, die Gastronomie komplett zu schließen."
Das wäre auch deshalb eine "bessere Lösung" gewesen, da unter den derzeitigen Bedingungen "ohnehin kein Überschuss" erwirtschaftet würde. Rowe ergänzt: "Das Arbeiten mit Abstand, Maske und so weiter steht ja eigentlich dem Kneipenerlebnis entgegen, so dass es deutlich weniger Spaß macht. Bei uns lebt der Laden auch davon, dass sich Menschen begegnen, reden und feiern."
Von Rosenburg hätte statt strengeren Regeln lieber die "Wiedereinführung der Tischabstände" unter 2G gehabt. Vor allem, da noch gar nicht allen Deutschen eine Booster-Impfung angeboten wurde: So empfiehlt die Ständige Impfkommission 16- bis 18-Jährigen bislang keinen Booster, sie würden aber dennoch unter die 2G-Plus-Regel fallen. "Unhaltbar", so der Gastronom.
Dabei könnte eine verstärkte Booster-Kampagne auch der Gastronomie zugutekommen, wie man an Jan, 24, Unternehmensberater aus Hamburg, sieht. Er sagt: "Ich bin geboostert, daher sehe ich keinen Grund für persönliche Einschränkungen".
Doch aktuell haben in Deutschland bislang weniger als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger eine Auffrischimpfung erhalten. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Bundesverbands, bestätigt die Situation gegenüber watson:
Doch es gibt auch Befürworter der 2G-Plus-Regelung in Hamburg: Die Politik mache "aus meiner Sicht nicht viel falsch", sagt der Gastronom Christian Rowe gegenüber watson. "Es ist halt alles wahnsinnig kompliziert. Letzten Juli dachte ich zum Beispiel: 'Wir sind durch, das kommt jetzt nicht wieder.' Und wenn sich die Situation ständig unerwartet ändert, kann man doch nicht verlangen, dass es eine langfristige, konsequente Strategie gibt..."
Auch Studentin Hanna sieht kein Problem bei 2G-Plus: "Weil es in dem Café, in dem ich mich mit meiner Freundin am Montag getroffen habe, so voll war, finde ich eine zusätzliche Testpflicht gut." Sie erklärt: